meines Concilium halten möchten, und da- selbst alle die pietistischen Controversien un- tersuchen und ausmachen, auch die symboli- schen Bücher unsrer Kirche noch mit einem Scripto darinnen enthalten wäre, was dieser Streitigkeiten wegen geglaubet und behauptet werden solte, vermehren. Es wäre solches eine höchst-nöthige und nützliche Sache, die aber wohl unter die pia desideria zu rechnen ist, und zu ihrer Erfüllung nicht gelangen wird.
§. 21. Nun will ich noch von einer Art Leute handeln, die in diese Classe mit gehören. Sie constituiren zwar wohl eben keine neue Speciem, und sind unter den Schwärmern und Pietisten mit begriffen, jedennoch verdie- nen sie auf gewisse Maße, daß man a parte von ihnen rede. Es sind solches die neuen Pro- pheten und inspirirten, welche vor einigen Jahren aus Sevennes und Franckreich her- aus gekommen, und hernach in Holland, En- gelland, Teutschland, bald hie dald da herum vagiret, ihre Lügen-Propheceyungen ausge- sprochen und seltzame agitationes und wunder- liche Verdrehungen des Leibes gemacht. Ehe wir nun vorstellen, was die Landes-Obrigkeit- liche Pflicht in Ansehung dieser neuen Prophe- ten vor Verordnungen erfodern, so müssen wir den Anfang billig machen von der Prüfung
ihrer
meines Concilium halten moͤchten, und da- ſelbſt alle die pietiſtiſchen Controverſien un- terſuchen und ausmachen, auch die ſymboli- ſchen Buͤcher unſrer Kirche noch mit einem Scripto darinnen enthalten waͤre, was dieſer Streitigkeiten wegen geglaubet und behauptet werden ſolte, vermehren. Es waͤre ſolches eine hoͤchſt-noͤthige und nuͤtzliche Sache, die aber wohl unter die pia deſideria zu rechnen iſt, und zu ihrer Erfuͤllung nicht gelangen wird.
§. 21. Nun will ich noch von einer Art Leute handeln, die in dieſe Claſſe mit gehoͤren. Sie conſtituiren zwar wohl eben keine neue Speciem, und ſind unter den Schwaͤrmern und Pietiſten mit begriffen, jedennoch verdie- nen ſie auf gewiſſe Maße, daß man a parte von ihnen rede. Es ſind ſolches die neuen Pro- pheten und inſpirirten, welche vor einigen Jahren aus Sevennes und Franckreich her- aus gekommen, und hernach in Holland, En- gelland, Teutſchland, bald hie dald da herum vagiret, ihre Luͤgen-Propheceyungen ausge- ſprochen und ſeltzame agitationes und wunder- liche Verdrehungen des Leibes gemacht. Ehe wir nun vorſtellen, was die Landes-Obrigkeit- liche Pflicht in Anſehung dieſer neuen Prophe- ten vor Verordnungen erfodern, ſo muͤſſen wir den Anfang billig machen von der Pruͤfung
ihrer
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[354/0374]
meines Concilium halten moͤchten, und da-
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terſuchen und ausmachen, auch die ſymboli-
ſchen Buͤcher unſrer Kirche noch mit einem
Scripto darinnen enthalten waͤre, was dieſer
Streitigkeiten wegen geglaubet und behauptet
werden ſolte, vermehren. Es waͤre ſolches
eine hoͤchſt-noͤthige und nuͤtzliche Sache, die
aber wohl unter die pia deſideria zu rechnen iſt,
und zu ihrer Erfuͤllung nicht gelangen wird.
§. 21. Nun will ich noch von einer Art
Leute handeln, die in dieſe Claſſe mit gehoͤren.
Sie conſtituiren zwar wohl eben keine neue
Speciem, und ſind unter den Schwaͤrmern
und Pietiſten mit begriffen, jedennoch verdie-
nen ſie auf gewiſſe Maße, daß man a parte von
ihnen rede. Es ſind ſolches die neuen Pro-
pheten und inſpirirten, welche vor einigen
Jahren aus Sevennes und Franckreich her-
aus gekommen, und hernach in Holland, En-
gelland, Teutſchland, bald hie dald da herum
vagiret, ihre Luͤgen-Propheceyungen ausge-
ſprochen und ſeltzame agitationes und wunder-
liche Verdrehungen des Leibes gemacht. Ehe
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ten vor Verordnungen erfodern, ſo muͤſſen
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/374>, abgerufen am 22.11.2024.
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