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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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geschrieben sind als diejenigen, die bißher ge-
bräuchlich gewesen.

§. 13. Der von dem allweisen Schöpffer
einem jeden Menschen von Natur eingepflantz-
te Trieb zu dieser oder jener Wissenschafft und
Metier ist sonder Zweiffel die einem jeden
Menschen innerlich eingelegte vocation. Wor-
zu man rechte Lust oder Eyfer hat, darauf appli-
ci
rt man sich mit gantzem Ernst, worauff man
sich rechtschaffen applicirt, darinnen bringt
man es auch sehr weit, und fängt an darinnen
zu excelliren. Wenn man sich aber bey die-
sem oder jenem Metier, bey dieser oder jener
Wissenschafft grosse Meriten macht und eine
sonderbare reputation hierinnen erlangt, so
wird man auch von andern Leuten gesucht, und
man kan sich hierdurch sein Brod verdienen,
und seine gantze zeitliche Glückseligkeit beför-
dern. Ob nun gleich dieses Sonnen-klare
Wahrheiten, so sind doch einige Eltern so un-
verständig und einfältig, daß sie ihren Kindern
nicht die freye Wahl lassen, was sie vor Wis-
senschafften excoliren und vor metiers ergreif-
fen sollen, sondern einige Mütter praedestiniren
ihre Kinder auch noch in Mutterleibe zu einer
Profession, oder obligiren sie doch hernach wi-
der ihren Willen zu einem gewissen Metier; Da
muß der Sohn ein Geistlicher werden, er mag

nun



geſchrieben ſind als diejenigen, die bißher ge-
braͤuchlich geweſen.

§. 13. Der von dem allweiſen Schoͤpffer
einem jeden Menſchen von Natur eingepflantz-
te Trieb zu dieſer oder jener Wiſſenſchafft und
Metier iſt ſonder Zweiffel die einem jeden
Menſchen innerlich eingelegte vocation. Wor-
zu man rechte Luſt oder Eyfer hat, darauf appli-
ci
rt man ſich mit gantzem Ernſt, worauff man
ſich rechtſchaffen applicirt, darinnen bringt
man es auch ſehr weit, und faͤngt an darinnen
zu excelliren. Wenn man ſich aber bey die-
ſem oder jenem Metier, bey dieſer oder jener
Wiſſenſchafft groſſe Meriten macht und eine
ſonderbare reputation hierinnen erlangt, ſo
wird man auch von andern Leuten geſucht, und
man kan ſich hierdurch ſein Brod verdienen,
und ſeine gantze zeitliche Gluͤckſeligkeit befoͤr-
dern. Ob nun gleich dieſes Sonnen-klare
Wahrheiten, ſo ſind doch einige Eltern ſo un-
verſtaͤndig und einfaͤltig, daß ſie ihren Kindern
nicht die freye Wahl laſſen, was ſie vor Wiſ-
ſenſchafften excoliren und vor metiers ergreif-
fen ſollen, ſondern einige Muͤtter prædeſtiniren
ihre Kinder auch noch in Mutterleibe zu einer
Profeſſion, oder obligiren ſie doch hernach wi-
der ihꝛen Willen zu einem gewiſſen Metier; Da
muß der Sohn ein Geiſtlicher werden, er mag

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[381/0401] geſchrieben ſind als diejenigen, die bißher ge- braͤuchlich geweſen. §. 13. Der von dem allweiſen Schoͤpffer einem jeden Menſchen von Natur eingepflantz- te Trieb zu dieſer oder jener Wiſſenſchafft und Metier iſt ſonder Zweiffel die einem jeden Menſchen innerlich eingelegte vocation. Wor- zu man rechte Luſt oder Eyfer hat, darauf appli- cirt man ſich mit gantzem Ernſt, worauff man ſich rechtſchaffen applicirt, darinnen bringt man es auch ſehr weit, und faͤngt an darinnen zu excelliren. Wenn man ſich aber bey die- ſem oder jenem Metier, bey dieſer oder jener Wiſſenſchafft groſſe Meriten macht und eine ſonderbare reputation hierinnen erlangt, ſo wird man auch von andern Leuten geſucht, und man kan ſich hierdurch ſein Brod verdienen, und ſeine gantze zeitliche Gluͤckſeligkeit befoͤr- dern. Ob nun gleich dieſes Sonnen-klare Wahrheiten, ſo ſind doch einige Eltern ſo un- verſtaͤndig und einfaͤltig, daß ſie ihren Kindern nicht die freye Wahl laſſen, was ſie vor Wiſ- ſenſchafften excoliren und vor metiers ergreif- fen ſollen, ſondern einige Muͤtter prædeſtiniren ihre Kinder auch noch in Mutterleibe zu einer Profeſſion, oder obligiren ſie doch hernach wi- der ihꝛen Willen zu einem gewiſſen Metier; Da muß der Sohn ein Geiſtlicher werden, er mag nun

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/401>, abgerufen am 22.11.2024.