Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

Bild:
<< vorherige Seite



Bürgern lassen ihre Kinder studiren, damit sie
dieselben, wenn sie erwachsen, vor denen Sol-
daten-Werbungen sicher wissen mögen, und
weil sie glauben, daß die Studia mit lauter herr-
lichen Dingen vergesellschafftet sind. Die
wenigsten aber dencken drauf, ob ihre Kinder
einen rechten grossen Trieb und Inclination
zum studiis oder auch eine sonderliche Fähig-
keit und tüchtiges Ingenium darzu haben.
Die Praeceptores widerrathen es denen Eltern
nicht, weil es ihrem Interesse zuwider seyn
würde, sondern sind zufrieden, wenn sie ihr
Geld bekommen. Jm übrigen lassen sie sich
unbekümmert, ob ihre Untergebenen gelehrte
Leute oder ungelehrte Stümper einsten abge-
ben werden. Da nun viel von denen, die auf
Befehl und Anrathen ihrer Eltern studiren
sollen, keine rechte inclination zum studiis ha-
ben, so poussiren sie sich auch nicht sonderlich,
sondern einige von ihnen lernen gar nichts, und
weil sie sich darneben auf keine anderen Sa-
chen appliciren wollen, so bleiben es, dafern sie
nicht von ihren Einkünfften leben können, elen-
de und verdorbene Leute; Andere lernen zwar
etwas, weil es ihnen aber entweder an der rech-
ten Begierde oder an Naturell zum Studiis
fehlet, so geben auch diese gar schlechte Helden
ab. Diesemnach solten grosse Herren denen

Re-



Buͤrgern laſſen ihre Kinder ſtudiren, damit ſie
dieſelben, wenn ſie erwachſen, vor denen Sol-
daten-Werbungen ſicher wiſſen moͤgen, und
weil ſie glauben, daß die Studia mit lauter herr-
lichen Dingen vergeſellſchafftet ſind. Die
wenigſten aber dencken drauf, ob ihre Kinder
einen rechten groſſen Trieb und Inclination
zum ſtudiis oder auch eine ſonderliche Faͤhig-
keit und tuͤchtiges Ingenium darzu haben.
Die Præceptores widerrathen es denen Eltern
nicht, weil es ihrem Intereſſe zuwider ſeyn
wuͤrde, ſondern ſind zufrieden, wenn ſie ihr
Geld bekommen. Jm uͤbrigen laſſen ſie ſich
unbekuͤmmert, ob ihre Untergebenen gelehrte
Leute oder ungelehrte Stuͤmper einſten abge-
ben werden. Da nun viel von denen, die auf
Befehl und Anrathen ihrer Eltern ſtudiren
ſollen, keine rechte inclination zum ſtudiis ha-
ben, ſo pousſiren ſie ſich auch nicht ſonderlich,
ſondern einige von ihnen lernen gar nichts, und
weil ſie ſich darneben auf keine anderen Sa-
chen appliciren wollen, ſo bleiben es, dafern ſie
nicht von ihren Einkuͤnfften leben koͤnnen, elen-
de und verdorbene Leute; Andere lernen zwar
etwas, weil es ihnen aber entweder an der rech-
ten Begierde oder an Naturell zum Studiis
fehlet, ſo geben auch dieſe gar ſchlechte Helden
ab. Dieſemnach ſolten groſſe Herren denen

Re-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0403" n="383"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> Bu&#x0364;rgern la&#x017F;&#x017F;en ihre Kinder <hi rendition="#aq">&#x017F;tudi</hi>ren, damit &#x017F;ie<lb/>
die&#x017F;elben, wenn &#x017F;ie erwach&#x017F;en, vor denen Sol-<lb/>
daten-Werbungen &#x017F;icher wi&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;gen, und<lb/>
weil &#x017F;ie glauben, daß die <hi rendition="#aq">Studia</hi> mit lauter herr-<lb/>
lichen Dingen verge&#x017F;ell&#x017F;chafftet &#x017F;ind. Die<lb/>
wenig&#x017F;ten aber dencken drauf, ob ihre Kinder<lb/>
einen rechten gro&#x017F;&#x017F;en Trieb und <hi rendition="#aq">Inclination</hi><lb/>
zum <hi rendition="#aq">&#x017F;tudiis</hi> oder auch eine &#x017F;onderliche Fa&#x0364;hig-<lb/>
keit und tu&#x0364;chtiges <hi rendition="#aq">Ingenium</hi> darzu haben.<lb/>
Die <hi rendition="#aq">Præceptores</hi> widerrathen es denen Eltern<lb/>
nicht, weil es ihrem <hi rendition="#aq">Intere&#x017F;&#x017F;e</hi> zuwider &#x017F;eyn<lb/>
wu&#x0364;rde, &#x017F;ondern &#x017F;ind zufrieden, wenn &#x017F;ie ihr<lb/>
Geld bekommen. Jm u&#x0364;brigen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
unbeku&#x0364;mmert, ob ihre Untergebenen gelehrte<lb/>
Leute oder ungelehrte Stu&#x0364;mper ein&#x017F;ten abge-<lb/>
ben werden. Da nun viel von denen, die auf<lb/>
Befehl und Anrathen ihrer Eltern <hi rendition="#aq">&#x017F;tudi</hi>ren<lb/>
&#x017F;ollen, keine rechte <hi rendition="#aq">inclination</hi> zum <hi rendition="#aq">&#x017F;tudiis</hi> ha-<lb/>
ben, &#x017F;o <hi rendition="#aq">pous&#x017F;i</hi>ren &#x017F;ie &#x017F;ich auch nicht &#x017F;onderlich,<lb/>
&#x017F;ondern einige von ihnen lernen gar nichts, und<lb/>
weil &#x017F;ie &#x017F;ich darneben auf keine anderen Sa-<lb/>
chen <hi rendition="#aq">applici</hi>ren wollen, &#x017F;o bleiben es, dafern &#x017F;ie<lb/>
nicht von ihren Einku&#x0364;nfften leben ko&#x0364;nnen, elen-<lb/>
de und verdorbene Leute; Andere lernen zwar<lb/>
etwas, weil es ihnen aber entweder an der rech-<lb/>
ten Begierde oder an <hi rendition="#aq">Naturell</hi> zum <hi rendition="#aq">Studiis</hi><lb/>
fehlet, &#x017F;o geben auch die&#x017F;e gar &#x017F;chlechte Helden<lb/>
ab. Die&#x017F;emnach &#x017F;olten gro&#x017F;&#x017F;e Herren denen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Re-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[383/0403] Buͤrgern laſſen ihre Kinder ſtudiren, damit ſie dieſelben, wenn ſie erwachſen, vor denen Sol- daten-Werbungen ſicher wiſſen moͤgen, und weil ſie glauben, daß die Studia mit lauter herr- lichen Dingen vergeſellſchafftet ſind. Die wenigſten aber dencken drauf, ob ihre Kinder einen rechten groſſen Trieb und Inclination zum ſtudiis oder auch eine ſonderliche Faͤhig- keit und tuͤchtiges Ingenium darzu haben. Die Præceptores widerrathen es denen Eltern nicht, weil es ihrem Intereſſe zuwider ſeyn wuͤrde, ſondern ſind zufrieden, wenn ſie ihr Geld bekommen. Jm uͤbrigen laſſen ſie ſich unbekuͤmmert, ob ihre Untergebenen gelehrte Leute oder ungelehrte Stuͤmper einſten abge- ben werden. Da nun viel von denen, die auf Befehl und Anrathen ihrer Eltern ſtudiren ſollen, keine rechte inclination zum ſtudiis ha- ben, ſo pousſiren ſie ſich auch nicht ſonderlich, ſondern einige von ihnen lernen gar nichts, und weil ſie ſich darneben auf keine anderen Sa- chen appliciren wollen, ſo bleiben es, dafern ſie nicht von ihren Einkuͤnfften leben koͤnnen, elen- de und verdorbene Leute; Andere lernen zwar etwas, weil es ihnen aber entweder an der rech- ten Begierde oder an Naturell zum Studiis fehlet, ſo geben auch dieſe gar ſchlechte Helden ab. Dieſemnach ſolten groſſe Herren denen Re-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/403
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/403>, abgerufen am 16.07.2024.