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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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§. 17. Unter den juristischen Profeßionen
ist die professio juris provincialis die allernö-
thigste. Es ist eine seltzame Sache, daß auf
allen Universitäten so viele Professores bestellet
sind, die die ausländischen Römischen und Päb-
stischen Rechte denen Zuhörern erklären müs-
sen, die doch nicht eher Statt haben, als wenn
die Landes-Rechte bey gewissen Fällen gantz
und gar nichts verordnen, und hingegen fehlet
es auf vielen an Professoribus juris provincia-
lis.
Es könten solche denen Landes-Fürsten
allerhand Observationen pradentiae Legisla-
toriae
an die Hand geben, von welchen Mate-
rien noch gewisse Decisiones nöthig wären, wo
sich die Landes-Gesetze in einem und andern ent-
weder contradicirten oder doch zu widerspre-
chen schienen, und daher einer avthentischen Er-
klärung vonnöthen hätten, was bey denselben zu
abrogiren sey, sie könten die Statuta, Obser-
vanc
en und Gewohnheiten des Landes untersu-
chen und ihr Gutachten stellen, was hin und
wieder bey denselben zu ändern und zu verbes-
sern sey. Geschähe dieses, so würden die Rö-
mischen Gesetze nach und nach billig in deca-
dence
kommen, und hingegen das Land-Recht
mehr und mehr ein Ansehen erlangen. Es
könte auch einer mit der Jurisprudenz weit e-
her fertig werden, wenn er sich die Landes-

Ord-


§. 17. Unter den juriſtiſchen Profeßionen
iſt die profesſio juris provincialis die allernoͤ-
thigſte. Es iſt eine ſeltzame Sache, daß auf
allen Univerſitaͤten ſo viele Profeſſores beſtellet
ſind, die die auslaͤndiſchen Roͤmiſchen und Paͤb-
ſtiſchen Rechte denen Zuhoͤrern erklaͤren muͤſ-
ſen, die doch nicht eher Statt haben, als wenn
die Landes-Rechte bey gewiſſen Faͤllen gantz
und gar nichts verordnen, und hingegen fehlet
es auf vielen an Profeſſoribus juris provincia-
lis.
Es koͤnten ſolche denen Landes-Fuͤrſten
allerhand Obſervationen pradentiæ Legisla-
toriæ
an die Hand geben, von welchen Mate-
rien noch gewiſſe Deciſiones noͤthig waͤren, wo
ſich die Landes-Geſetze in einem und andern ent-
weder contradicirten oder doch zu widerſpre-
chen ſchienen, und daher einer avthentiſchen Er-
klaͤꝛung vonnoͤthen haͤtten, was bey denſelben zu
abrogiren ſey, ſie koͤnten die Statuta, Obſer-
vanc
en und Gewohnheiten des Landes unterſu-
chen und ihr Gutachten ſtellen, was hin und
wieder bey denſelben zu aͤndern und zu verbeſ-
ſern ſey. Geſchaͤhe dieſes, ſo wuͤrden die Roͤ-
miſchen Geſetze nach und nach billig in deca-
dence
kommen, und hingegen das Land-Recht
mehr und mehr ein Anſehen erlangen. Es
koͤnte auch einer mit der Jurisprudenz weit e-
her fertig werden, wenn er ſich die Landes-

Ord-
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[414/0434] §. 17. Unter den juriſtiſchen Profeßionen iſt die profesſio juris provincialis die allernoͤ- thigſte. Es iſt eine ſeltzame Sache, daß auf allen Univerſitaͤten ſo viele Profeſſores beſtellet ſind, die die auslaͤndiſchen Roͤmiſchen und Paͤb- ſtiſchen Rechte denen Zuhoͤrern erklaͤren muͤſ- ſen, die doch nicht eher Statt haben, als wenn die Landes-Rechte bey gewiſſen Faͤllen gantz und gar nichts verordnen, und hingegen fehlet es auf vielen an Profeſſoribus juris provincia- lis. Es koͤnten ſolche denen Landes-Fuͤrſten allerhand Obſervationen pradentiæ Legisla- toriæ an die Hand geben, von welchen Mate- rien noch gewiſſe Deciſiones noͤthig waͤren, wo ſich die Landes-Geſetze in einem und andern ent- weder contradicirten oder doch zu widerſpre- chen ſchienen, und daher einer avthentiſchen Er- klaͤꝛung vonnoͤthen haͤtten, was bey denſelben zu abrogiren ſey, ſie koͤnten die Statuta, Obſer- vancen und Gewohnheiten des Landes unterſu- chen und ihr Gutachten ſtellen, was hin und wieder bey denſelben zu aͤndern und zu verbeſ- ſern ſey. Geſchaͤhe dieſes, ſo wuͤrden die Roͤ- miſchen Geſetze nach und nach billig in deca- dence kommen, und hingegen das Land-Recht mehr und mehr ein Anſehen erlangen. Es koͤnte auch einer mit der Jurisprudenz weit e- her fertig werden, wenn er ſich die Landes- Ord-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/434>, abgerufen am 24.11.2024.