§. 21. Es sind denen Studiosis billig alle Ergötzlichkeiten zu gönnen, die nur zuläßlich, und von GOtt nicht verbothen sind, auch die Socialität nicht turbiren, theils weil die Studia und Gemüths-Arbeiten einige Veränderungen und Divertissemens erfordern, theils auch, weil die Jahre der grünenden Jugend eine ca- tonische Ernsthafftigkeit und eingezogene Le- bens-Art nicht gar wohl vertragen können. Jedoch müssen sie sich auch der Ergötzlich keiten so bedienen, daß sie sich und andern kein Leids darbey zufügen, denn sonst sind sie sowohl straff- würdig, denn andere, und verdienen fast noch härtere Straffe, weil sie ehe wissen oder doch zum wenigsten wissen solten und könten, denn andere, was recht oder unrecht zu thun oder zu unterlassen sey.
§. 22. Manche Eltern pflegen ihre Söhne mit grossen Kosten auf Universitäten zu schicken, in der Hoffnung, daß sie daselbst Wissenschaff- ten erlernen und solche Leute werden sollen, die dem Landes-Fürsten und dem Vater-Lande in öffentlichen Aemtern geschickte Dienste leisten solten. Wenn sie aber dieselben wieder nach Hause bekommen, so erfahren sie bißweilen mit ihrer grossen Betrübniß, daß sie nicht in den Wissenschafften, sondern in der Boßheit zuge- nommen, und entweder nichts mehr gelernet,
als
§. 21. Es ſind denen Studioſis billig alle Ergoͤtzlichkeiten zu goͤnnen, die nur zulaͤßlich, und von GOtt nicht verbothen ſind, auch die Socialitaͤt nicht turbiren, theils weil die Studia und Gemuͤths-Arbeiten einige Veraͤnderungen und Divertiſſemens erfordern, theils auch, weil die Jahre der gruͤnenden Jugend eine ca- toniſche Ernſthafftigkeit und eingezogene Le- bens-Art nicht gar wohl vertragen koͤnnen. Jedoch muͤſſen ſie ſich auch der Ergoͤtzlich keiten ſo bedienen, daß ſie ſich und andern kein Leids darbey zufuͤgen, denn ſonſt ſind ſie ſowohl ſtraff- wuͤrdig, denn andere, und verdienen faſt noch haͤrtere Straffe, weil ſie ehe wiſſen oder doch zum wenigſten wiſſen ſolten und koͤnten, denn andere, was recht oder unrecht zu thun oder zu unterlaſſen ſey.
§. 22. Manche Eltern pflegen ihre Soͤhne mit groſſen Koſten auf Univerſitaͤten zu ſchicken, in der Hoffnung, daß ſie daſelbſt Wiſſenſchaff- ten erlernen und ſolche Leute werden ſollen, die dem Landes-Fuͤrſten und dem Vater-Lande in oͤffentlichen Aemtern geſchickte Dienſte leiſten ſolten. Wenn ſie aber dieſelben wieder nach Hauſe bekommen, ſo erfahren ſie bißweilen mit ihrer groſſen Betruͤbniß, daß ſie nicht in den Wiſſenſchafften, ſondern in der Boßheit zuge- nommen, und entweder nichts mehr gelernet,
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§. 21. Es ſind denen Studioſis billig alle
Ergoͤtzlichkeiten zu goͤnnen, die nur zulaͤßlich,
und von GOtt nicht verbothen ſind, auch die
Socialitaͤt nicht turbiren, theils weil die Studia
und Gemuͤths-Arbeiten einige Veraͤnderungen
und Divertiſſemens erfordern, theils auch,
weil die Jahre der gruͤnenden Jugend eine ca-
toniſche Ernſthafftigkeit und eingezogene Le-
bens-Art nicht gar wohl vertragen koͤnnen.
Jedoch muͤſſen ſie ſich auch der Ergoͤtzlich keiten
ſo bedienen, daß ſie ſich und andern kein Leids
darbey zufuͤgen, denn ſonſt ſind ſie ſowohl ſtraff-
wuͤrdig, denn andere, und verdienen faſt noch
haͤrtere Straffe, weil ſie ehe wiſſen oder doch
zum wenigſten wiſſen ſolten und koͤnten, denn
andere, was recht oder unrecht zu thun oder zu
unterlaſſen ſey.
§. 22. Manche Eltern pflegen ihre Soͤhne
mit groſſen Koſten auf Univerſitaͤten zu ſchicken,
in der Hoffnung, daß ſie daſelbſt Wiſſenſchaff-
ten erlernen und ſolche Leute werden ſollen, die
dem Landes-Fuͤrſten und dem Vater-Lande in
oͤffentlichen Aemtern geſchickte Dienſte leiſten
ſolten. Wenn ſie aber dieſelben wieder nach
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/438>, abgerufen am 24.11.2024.
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