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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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sern, und den Nutzen des Landes-Herrn und
der Unterthanen befördern könne. Andrer
Leute facta, einige unbelebte Dinge, die leben-
digen Creaturen aus den dreyen Reichen der
Natur, gewisse jura und andere moralische
Verbindungen geben der Staats-Klugheit
die Materie, das Nachsinnen aber die Forme.
Je genauer nun dieses beydes mit einander
vereiniget wird, desto richtigere praxes kan
man sich auch hernach vermuthen, hingegen die
Regeln der Klugheit, die man nicht aus der
Natur der Sachen herausgenommen, sondern
nur selbst inventirt, passen bißweilen, wenn
man sie auf ein gewisses objectum appliciren
will, nur zufälliger Weise, eben als wie ein
Schuch, den ein Schuster nach seiner Phanta-
sie gemacht. Die durch meditation gefundene
Regeln der Staats-Klugheit sind zwar gar
gut, allein, wenn sie gleich in der Vernunfft
noch so wohl gegründet, so ist man doch nicht
recht sicher darbey, wenn sie sollen in praxi ap-
plici
rt werden, weil man nicht weiß, was et-
wan vor besondere Umstände, die man nicht al-
lezeit vorher sehen kan, sich ereignen könten, die
dem guten Effect, so man sich davon versprochen
hätte, hinderlich wären. Es gehet einem mit
dergleichen inventirten Staats-Klugheit biß-
weilen, als wie einem Mathematico und Me-

chanico,



ſern, und den Nutzen des Landes-Herrn und
der Unterthanen befoͤrdern koͤnne. Andrer
Leute facta, einige unbelebte Dinge, die leben-
digen Creaturen aus den dreyen Reichen der
Natur, gewiſſe jura und andere moraliſche
Verbindungen geben der Staats-Klugheit
die Materie, das Nachſinnen aber die Forme.
Je genauer nun dieſes beydes mit einander
vereiniget wird, deſto richtigere praxes kan
man ſich auch hernach vermuthen, hingegen die
Regeln der Klugheit, die man nicht aus der
Natur der Sachen herausgenommen, ſondern
nur ſelbſt inventirt, paſſen bißweilen, wenn
man ſie auf ein gewiſſes objectum appliciren
will, nur zufaͤlliger Weiſe, eben als wie ein
Schuch, den ein Schuſter nach ſeiner Phanta-
ſie gemacht. Die durch meditation gefundene
Regeln der Staats-Klugheit ſind zwar gar
gut, allein, wenn ſie gleich in der Vernunfft
noch ſo wohl gegruͤndet, ſo iſt man doch nicht
recht ſicher darbey, wenn ſie ſollen in praxi ap-
plici
rt werden, weil man nicht weiß, was et-
wan vor beſondere Umſtaͤnde, die man nicht al-
lezeit vorher ſehen kan, ſich ereignen koͤnten, die
dem guten Effect, ſo man ſich davon verſprochen
haͤtte, hinderlich waͤren. Es gehet einem mit
dergleichen inventirten Staats-Klugheit biß-
weilen, als wie einem Mathematico und Me-

chanico,
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[28/0048] ſern, und den Nutzen des Landes-Herrn und der Unterthanen befoͤrdern koͤnne. Andrer Leute facta, einige unbelebte Dinge, die leben- digen Creaturen aus den dreyen Reichen der Natur, gewiſſe jura und andere moraliſche Verbindungen geben der Staats-Klugheit die Materie, das Nachſinnen aber die Forme. Je genauer nun dieſes beydes mit einander vereiniget wird, deſto richtigere praxes kan man ſich auch hernach vermuthen, hingegen die Regeln der Klugheit, die man nicht aus der Natur der Sachen herausgenommen, ſondern nur ſelbſt inventirt, paſſen bißweilen, wenn man ſie auf ein gewiſſes objectum appliciren will, nur zufaͤlliger Weiſe, eben als wie ein Schuch, den ein Schuſter nach ſeiner Phanta- ſie gemacht. Die durch meditation gefundene Regeln der Staats-Klugheit ſind zwar gar gut, allein, wenn ſie gleich in der Vernunfft noch ſo wohl gegruͤndet, ſo iſt man doch nicht recht ſicher darbey, wenn ſie ſollen in praxi ap- plicirt werden, weil man nicht weiß, was et- wan vor beſondere Umſtaͤnde, die man nicht al- lezeit vorher ſehen kan, ſich ereignen koͤnten, die dem guten Effect, ſo man ſich davon verſprochen haͤtte, hinderlich waͤren. Es gehet einem mit dergleichen inventirten Staats-Klugheit biß- weilen, als wie einem Mathematico und Me- chanico,

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/48>, abgerufen am 21.11.2024.