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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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ches eine sehr wunderliche Art der Straffe ist.
Uber dieses wenn die betrügliche Uberredung
bey der Entführung mit dem Zwange gleich ge-
strafft werden soll, so muß auch, wo keine Ent-
führung geschehen, die Hurerey, da man die
Weibes-Person betrüglich überredet, mit glei-
cher Straffe als die Noth-Zucht angesehen wer-
den, so anders die Analogie in den Gesetzen be-
obachtet werden soll. Endlich ist in solchen
Fällen gemeiniglich sehr schwer abzusehen, wel-
che von beyden Personen die andere am meisten
verführet habe, wenn zumahl der Handel nicht
auf einmahl richtig worden, sondern nach und
nach eines um das andere einen Schritt gethan,
biß sie endlich in ein so nahes Verbündnis zu-
sammen getreten, da denn offt die verbrechen-
den Personen selbst nicht wissen, wer das meiste
darzu contribuiret habe. Ubrigens ist in der
Constitution des Käysers Justiniani von der
Entführung eine so grosse Animosität und un-
billige Härte durchgehends zu befinden, daß
man wohl siehet, der Angeber dieses Gesetzes
müsse nicht unpartheyisch gewesen seyn, auch die
Sache gar wenig überleget haben. Siehe die
Gedancken vom teutschen Justiz-Wesen, p. 28.

§. 17. Die Vertheidiger der so grausa-
men und scharffen Arten der Bestraffungen be-
haupten, daß dieselbigen nur Platz finden, wenn

ent-



ches eine ſehr wunderliche Art der Straffe iſt.
Uber dieſes wenn die betruͤgliche Uberredung
bey der Entfuͤhrung mit dem Zwange gleich ge-
ſtrafft werden ſoll, ſo muß auch, wo keine Ent-
fuͤhrung geſchehen, die Hurerey, da man die
Weibes-Perſon betruͤglich uͤberredet, mit glei-
cher Straffe als die Noth-Zucht angeſehen wer-
den, ſo anders die Analogie in den Geſetzen be-
obachtet werden ſoll. Endlich iſt in ſolchen
Faͤllen gemeiniglich ſehr ſchwer abzuſehen, wel-
che von beyden Perſonen die andere am meiſten
verfuͤhret habe, wenn zumahl der Handel nicht
auf einmahl richtig worden, ſondern nach und
nach eines um das andere einen Schritt gethan,
biß ſie endlich in ein ſo nahes Verbuͤndnis zu-
ſammen getreten, da denn offt die verbrechen-
den Perſonen ſelbſt nicht wiſſen, wer das meiſte
darzu contribuiret habe. Ubrigens iſt in der
Conſtitution des Kaͤyſers Juſtiniani von der
Entfuͤhrung eine ſo groſſe Animoſitaͤt und un-
billige Haͤrte durchgehends zu befinden, daß
man wohl ſiehet, der Angeber dieſes Geſetzes
muͤſſe nicht unpartheyiſch geweſen ſeyn, auch die
Sache gar wenig uͤberleget haben. Siehe die
Gedancken vom teutſchen Juſtiz-Weſen, p. 28.

§. 17. Die Vertheidiger der ſo grauſa-
men und ſcharffen Arten der Beſtraffungen be-
haupten, daß dieſelbigen nur Platz finden, wenn

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[534/0554] ches eine ſehr wunderliche Art der Straffe iſt. Uber dieſes wenn die betruͤgliche Uberredung bey der Entfuͤhrung mit dem Zwange gleich ge- ſtrafft werden ſoll, ſo muß auch, wo keine Ent- fuͤhrung geſchehen, die Hurerey, da man die Weibes-Perſon betruͤglich uͤberredet, mit glei- cher Straffe als die Noth-Zucht angeſehen wer- den, ſo anders die Analogie in den Geſetzen be- obachtet werden ſoll. Endlich iſt in ſolchen Faͤllen gemeiniglich ſehr ſchwer abzuſehen, wel- che von beyden Perſonen die andere am meiſten verfuͤhret habe, wenn zumahl der Handel nicht auf einmahl richtig worden, ſondern nach und nach eines um das andere einen Schritt gethan, biß ſie endlich in ein ſo nahes Verbuͤndnis zu- ſammen getreten, da denn offt die verbrechen- den Perſonen ſelbſt nicht wiſſen, wer das meiſte darzu contribuiret habe. Ubrigens iſt in der Conſtitution des Kaͤyſers Juſtiniani von der Entfuͤhrung eine ſo groſſe Animoſitaͤt und un- billige Haͤrte durchgehends zu befinden, daß man wohl ſiehet, der Angeber dieſes Geſetzes muͤſſe nicht unpartheyiſch geweſen ſeyn, auch die Sache gar wenig uͤberleget haben. Siehe die Gedancken vom teutſchen Juſtiz-Weſen, p. 28. §. 17. Die Vertheidiger der ſo grauſa- men und ſcharffen Arten der Beſtraffungen be- haupten, daß dieſelbigen nur Platz finden, wenn ent-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/554>, abgerufen am 26.06.2024.