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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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der Straffen, daß nemlich andere Leute von
dergleichen Verbrechen abgehalten werden,
bey denenjenigen, die den Tod scheuen, eben so
wohl erhalten, als wenn die Delinquenten auf
eine noch so grausame Art vom Leben zum Tode
gebracht werden. Der aber einmahl zu ster-
ben gelernet, wird sich auch durch die schmertz-
haffteste Art des Todes von seinen bösen We-
gen nicht abbringen lassen, zudem so ist auch bey
den erstern angeführten Arten des Todes gar zu
besorgen, daß solche Leute aus Desperation,
wegen der unsäglichen und abscheulichen
Schmertzen, nicht allein das zeitliche Leben
verlieren, sondern auch in Gefahr gerathen, ih-
rer ewigen Seeligkeit selbst verlustig zu wer-
den.

§. 19. Zum vierdten spüret man auch den
Mißbrauch der Straffen, wenn entweder ge-
wisse Personen oder einige Verbrechen gantz
und gar nicht bestrafft werden. Also ist es
wahr gnung, daß bißweilen kleine Diebe, die
dreyßig, viertzig, u. s. w. Thaler stehlen, an den
Galgen gehencket, und hingegen vor grosse, die
ihren Landes-Fürsten zwantzig, dreyßig tausend
Thaler und noch mehr entziehen, Reverence
gemacht werden. Wenn iemand aus dem ge-
meinen Pöbel einen um das Leben bringt, so ist
das Rach-Schwerd der weltlichen Obrigkeit

und



der Straffen, daß nemlich andere Leute von
dergleichen Verbrechen abgehalten werden,
bey denenjenigen, die den Tod ſcheuen, eben ſo
wohl erhalten, als wenn die Delinquenten auf
eine noch ſo grauſame Art vom Leben zum Tode
gebracht werden. Der aber einmahl zu ſter-
ben gelernet, wird ſich auch durch die ſchmertz-
haffteſte Art des Todes von ſeinen boͤſen We-
gen nicht abbringen laſſen, zudem ſo iſt auch bey
den erſtern angefuͤhrten Arten des Todes gar zu
beſorgen, daß ſolche Leute aus Deſperation,
wegen der unſaͤglichen und abſcheulichen
Schmertzen, nicht allein das zeitliche Leben
verlieren, ſondern auch in Gefahr gerathen, ih-
rer ewigen Seeligkeit ſelbſt verluſtig zu wer-
den.

§. 19. Zum vierdten ſpuͤret man auch den
Mißbrauch der Straffen, wenn entweder ge-
wiſſe Perſonen oder einige Verbrechen gantz
und gar nicht beſtrafft werden. Alſo iſt es
wahr gnung, daß bißweilen kleine Diebe, die
dreyßig, viertzig, u. ſ. w. Thaler ſtehlen, an den
Galgen gehencket, und hingegen vor groſſe, die
ihren Landes-Fuͤrſten zwantzig, dreyßig tauſend
Thaler und noch mehr entziehen, Reverence
gemacht werden. Wenn iemand aus dem ge-
meinen Poͤbel einen um das Leben bringt, ſo iſt
das Rach-Schwerd der weltlichen Obrigkeit

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[536/0556] der Straffen, daß nemlich andere Leute von dergleichen Verbrechen abgehalten werden, bey denenjenigen, die den Tod ſcheuen, eben ſo wohl erhalten, als wenn die Delinquenten auf eine noch ſo grauſame Art vom Leben zum Tode gebracht werden. Der aber einmahl zu ſter- ben gelernet, wird ſich auch durch die ſchmertz- haffteſte Art des Todes von ſeinen boͤſen We- gen nicht abbringen laſſen, zudem ſo iſt auch bey den erſtern angefuͤhrten Arten des Todes gar zu beſorgen, daß ſolche Leute aus Deſperation, wegen der unſaͤglichen und abſcheulichen Schmertzen, nicht allein das zeitliche Leben verlieren, ſondern auch in Gefahr gerathen, ih- rer ewigen Seeligkeit ſelbſt verluſtig zu wer- den. §. 19. Zum vierdten ſpuͤret man auch den Mißbrauch der Straffen, wenn entweder ge- wiſſe Perſonen oder einige Verbrechen gantz und gar nicht beſtrafft werden. Alſo iſt es wahr gnung, daß bißweilen kleine Diebe, die dreyßig, viertzig, u. ſ. w. Thaler ſtehlen, an den Galgen gehencket, und hingegen vor groſſe, die ihren Landes-Fuͤrſten zwantzig, dreyßig tauſend Thaler und noch mehr entziehen, Reverence gemacht werden. Wenn iemand aus dem ge- meinen Poͤbel einen um das Leben bringt, ſo iſt das Rach-Schwerd der weltlichen Obrigkeit und

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/556>, abgerufen am 22.11.2024.