zwischen seinen Unterthanen ist, die etwa mit einander zu streiten haben, aber noch nothwen- diger und löblicher ist es, wenn er seine eigne Handlungen, Vorhaben und Beginnen nach der Richt-Schnur des Rechts und der Billig- keit selbst überleget. Ob er gleich nicht ver- bunden ist, der Vorschrifft der von ihm anbe- fohlnen und publicirten Gesetze zu folgen; so ist doch, wenn er solchen selbst nachgehet, dieses viel kräfftiger, die Unterthanen zu Beobach- tung und Folge-Leistung dieser Gesetze anzu- treiben, als wenn er unter den schärffsten Be- drohungen und härtesten Straff-Praeceptis zu deren Beobachtung sie anhalten wolte. Es pflegen auch wohl gerechte Regenten in gewissen Jrrungen, so zwischen ihnen und ihren Unterthanen sich entspinnen, vor ihren eignen Gerichten und Collegiis zu stehen, und densel- bigen die Decision dieses oder jenes streitigen Punctes aufzutragen, auch sie deßhalben ihrer Pflicht, was denselbigen Punct anlanget, zu er- lassen. Es erklären sich auch bey Erb-Hul- digungen in den meisten Orten die Landes- Herren, uhralten Herkommen nach, gegen die Unterthanen fürstlich und kräfftiglich, nicht allein, daß sie sie bey Gleich und Recht unter- einander schützen, sondern auch für sich selbst den Gesetzen und Rechten gemäß handeln und
sich
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zwiſchen ſeinen Unterthanen iſt, die etwa mit einander zu ſtreiten haben, aber noch nothwen- diger und loͤblicher iſt es, wenn er ſeine eigne Handlungen, Vorhaben und Beginnen nach der Richt-Schnur des Rechts und der Billig- keit ſelbſt uͤberleget. Ob er gleich nicht ver- bunden iſt, der Vorſchrifft der von ihm anbe- fohlnen und publicirten Geſetze zu folgen; ſo iſt doch, wenn er ſolchen ſelbſt nachgehet, dieſes viel kraͤfftiger, die Unterthanen zu Beobach- tung und Folge-Leiſtung dieſer Geſetze anzu- treiben, als wenn er unter den ſchaͤrffſten Be- drohungen und haͤrteſten Straff-Præceptis zu deren Beobachtung ſie anhalten wolte. Es pflegen auch wohl gerechte Regenten in gewiſſen Jrrungen, ſo zwiſchen ihnen und ihren Unterthanen ſich entſpinnen, vor ihren eignen Gerichten und Collegiis zu ſtehen, und denſel- bigen die Deciſion dieſes oder jenes ſtreitigen Punctes aufzutragen, auch ſie deßhalben ihrer Pflicht, was denſelbigen Punct anlanget, zu er- laſſen. Es erklaͤren ſich auch bey Erb-Hul- digungen in den meiſten Orten die Landes- Herren, uhralten Herkommen nach, gegen die Unterthanen fuͤrſtlich und kraͤfftiglich, nicht allein, daß ſie ſie bey Gleich und Recht unter- einander ſchuͤtzen, ſondern auch fuͤr ſich ſelbſt den Geſetzen und Rechten gemaͤß handeln und
ſich
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zwiſchen ſeinen Unterthanen iſt, die etwa mit
einander zu ſtreiten haben, aber noch nothwen-
diger und loͤblicher iſt es, wenn er ſeine eigne
Handlungen, Vorhaben und Beginnen nach
der Richt-Schnur des Rechts und der Billig-
keit ſelbſt uͤberleget. Ob er gleich nicht ver-
bunden iſt, der Vorſchrifft der von ihm anbe-
fohlnen und publicirten Geſetze zu folgen; ſo
iſt doch, wenn er ſolchen ſelbſt nachgehet, dieſes
viel kraͤfftiger, die Unterthanen zu Beobach-
tung und Folge-Leiſtung dieſer Geſetze anzu-
treiben, als wenn er unter den ſchaͤrffſten Be-
drohungen und haͤrteſten Straff-Præceptis
zu deren Beobachtung ſie anhalten wolte.
Es pflegen auch wohl gerechte Regenten in
gewiſſen Jrrungen, ſo zwiſchen ihnen und ihren
Unterthanen ſich entſpinnen, vor ihren eignen
Gerichten und Collegiis zu ſtehen, und denſel-
bigen die Deciſion dieſes oder jenes ſtreitigen
Punctes aufzutragen, auch ſie deßhalben ihrer
Pflicht, was denſelbigen Punct anlanget, zu er-
laſſen. Es erklaͤren ſich auch bey Erb-Hul-
digungen in den meiſten Orten die Landes-
Herren, uhralten Herkommen nach, gegen die
Unterthanen fuͤrſtlich und kraͤfftiglich, nicht
allein, daß ſie ſie bey Gleich und Recht unter-
einander ſchuͤtzen, ſondern auch fuͤr ſich ſelbſt
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/59>, abgerufen am 21.11.2024.
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