§. 4. Jn wichtigen Sachen solte von Rechtswegen ein iedweder Rath sein Votum mit angeführten rationibus dubitandi und de- cidendi schrifftlich abfassen und dem Collegio vorlesen, es würde solches seinen sehr guten Nu- tzen haben. Denn es würde ein iedweder zum Fleisse angestrenget, daß er zu Hause in den Büchern nachschlagen und selbst nachsinnen müste, und sich nicht denen vorsitzenden Räthen, wie es so von ihrer vielen zu geschehen pflegt, nur conformiren dürffte. Es würde auch die gantze Sache besser ausgearbeitet, und der Prae- ses und Director des Collegii könten eher judi- ciren, wo die wichtigsten Argumenta hingien- gen, als so, da nur etwan ihrer etliche so viel hersagen, als sie aus dem Stegreif wissen. Es dürffte sodann manchmahl eine andere Resolu- tion ausfallen, als mancher, der in einem Ju- stiz-Collegio sich eine gewisse dictatorische Autorität zueignen will, gedencken würde.
§. 5. Es solte nicht der Director des Ju- stiz-Collegii, oder in dessen Abwesenheit der älteste Rath die Termine halten, sondern viel- mehr ein iedweder von denen Räthen, die die Relation der Sache gehabt, sintemahl dieser die beste Information des gantzen Negotii hat, und denen Partheyen hernach die Argumenta pro und contra weit besser vorstellen kan, als
ein
§. 4. Jn wichtigen Sachen ſolte von Rechtswegen ein iedweder Rath ſein Votum mit angefuͤhrten rationibus dubitandi und de- cidendi ſchrifftlich abfaſſen und dem Collegio vorleſen, es wuͤrde ſolches ſeinen ſehr guten Nu- tzen haben. Denn es wuͤrde ein iedweder zum Fleiſſe angeſtrenget, daß er zu Hauſe in den Buͤchern nachſchlagen und ſelbſt nachſinnen muͤſte, und ſich nicht denen vorſitzenden Raͤthen, wie es ſo von ihrer vielen zu geſchehen pflegt, nur conformiren duͤrffte. Es wuͤrde auch die gantze Sache beſſer ausgearbeitet, und der Præ- ſes und Director des Collegii koͤnten eher judi- ciren, wo die wichtigſten Argumenta hingien- gen, als ſo, da nur etwan ihrer etliche ſo viel herſagen, als ſie aus dem Stegreif wiſſen. Es duͤrffte ſodann manchmahl eine andere Reſolu- tion ausfallen, als mancher, der in einem Ju- ſtiz-Collegio ſich eine gewiſſe dictatoriſche Autoritaͤt zueignen will, gedencken wuͤrde.
§. 5. Es ſolte nicht der Director des Ju- ſtiz-Collegii, oder in deſſen Abweſenheit der aͤlteſte Rath die Termine halten, ſondern viel- mehr ein iedweder von denen Raͤthen, die die Relation der Sache gehabt, ſintemahl dieſer die beſte Information des gantzen Negotii hat, und denen Partheyen hernach die Argumenta pro und contra weit beſſer vorſtellen kan, als
ein
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0696"n="676"/><fwplace="top"type="header"><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></fw><p>§. 4. Jn wichtigen Sachen ſolte von<lb/>
Rechtswegen ein iedweder Rath ſein <hirendition="#aq">Votum</hi><lb/>
mit angefuͤhrten <hirendition="#aq">rationibus dubitandi</hi> und <hirendition="#aq">de-<lb/>
cidendi</hi>ſchrifftlich abfaſſen und dem <hirendition="#aq">Collegio</hi><lb/>
vorleſen, es wuͤrde ſolches ſeinen ſehr guten Nu-<lb/>
tzen haben. Denn es wuͤrde ein iedweder zum<lb/>
Fleiſſe angeſtrenget, daß er zu Hauſe in den<lb/>
Buͤchern nachſchlagen und ſelbſt nachſinnen<lb/>
muͤſte, und ſich nicht denen vorſitzenden Raͤthen,<lb/>
wie es ſo von ihrer vielen zu geſchehen pflegt,<lb/>
nur <hirendition="#aq">conformi</hi>ren duͤrffte. Es wuͤrde auch die<lb/>
gantze Sache beſſer ausgearbeitet, und der <hirendition="#aq">Præ-<lb/>ſes</hi> und <hirendition="#aq">Director</hi> des <hirendition="#aq">Collegii</hi> koͤnten eher <hirendition="#aq">judi-<lb/>
ci</hi>ren, wo die wichtigſten <hirendition="#aq">Argumenta</hi> hingien-<lb/>
gen, als ſo, da nur etwan ihrer etliche ſo viel<lb/>
herſagen, als ſie aus dem Stegreif wiſſen. Es<lb/>
duͤrffte ſodann manchmahl eine andere <hirendition="#aq">Reſolu-<lb/>
tion</hi> ausfallen, als mancher, der in einem <hirendition="#aq">Ju-<lb/>ſtiz-Collegio</hi>ſich eine gewiſſe <hirendition="#aq">dictatori</hi>ſche<lb/><hirendition="#aq">Autori</hi>taͤt zueignen will, gedencken wuͤrde.</p><lb/><p>§. 5. Es ſolte nicht der <hirendition="#aq">Director</hi> des <hirendition="#aq">Ju-<lb/>ſtiz-Collegii,</hi> oder in deſſen Abweſenheit der<lb/>
aͤlteſte Rath die Termine halten, ſondern viel-<lb/>
mehr ein iedweder von denen Raͤthen, die die<lb/><hirendition="#aq">Relation</hi> der Sache gehabt, ſintemahl dieſer<lb/>
die beſte <hirendition="#aq">Information</hi> des gantzen <hirendition="#aq">Negotii</hi> hat,<lb/>
und denen Partheyen hernach die <hirendition="#aq">Argumenta<lb/>
pro</hi> und <hirendition="#aq">contra</hi> weit beſſer vorſtellen kan, als<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ein</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[676/0696]
§. 4. Jn wichtigen Sachen ſolte von
Rechtswegen ein iedweder Rath ſein Votum
mit angefuͤhrten rationibus dubitandi und de-
cidendi ſchrifftlich abfaſſen und dem Collegio
vorleſen, es wuͤrde ſolches ſeinen ſehr guten Nu-
tzen haben. Denn es wuͤrde ein iedweder zum
Fleiſſe angeſtrenget, daß er zu Hauſe in den
Buͤchern nachſchlagen und ſelbſt nachſinnen
muͤſte, und ſich nicht denen vorſitzenden Raͤthen,
wie es ſo von ihrer vielen zu geſchehen pflegt,
nur conformiren duͤrffte. Es wuͤrde auch die
gantze Sache beſſer ausgearbeitet, und der Præ-
ſes und Director des Collegii koͤnten eher judi-
ciren, wo die wichtigſten Argumenta hingien-
gen, als ſo, da nur etwan ihrer etliche ſo viel
herſagen, als ſie aus dem Stegreif wiſſen. Es
duͤrffte ſodann manchmahl eine andere Reſolu-
tion ausfallen, als mancher, der in einem Ju-
ſtiz-Collegio ſich eine gewiſſe dictatoriſche
Autoritaͤt zueignen will, gedencken wuͤrde.
§. 5. Es ſolte nicht der Director des Ju-
ſtiz-Collegii, oder in deſſen Abweſenheit der
aͤlteſte Rath die Termine halten, ſondern viel-
mehr ein iedweder von denen Raͤthen, die die
Relation der Sache gehabt, ſintemahl dieſer
die beſte Information des gantzen Negotii hat,
und denen Partheyen hernach die Argumenta
pro und contra weit beſſer vorſtellen kan, als
ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/696>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.