die nachdrücklicher und schärffer abgefast, denn die in den meisten Judiciis ietzund recipiret sind, und die sie nach dem Unterscheid der Personen denen Schwerenden vorlesen müssen, vorschrie- be; Es würde solches gewiß zu Verhütung mancher Meineyde gereichen.
§. 24. Es ist das Dicterium in der Welt bekandt, wo kein Kläger, da ist auch kein Rich- ter. Nun ist es freylich wohl auf gewisse Maas- se gegründet, wenn man es in dem Verstande annimmt, daß das Richterliche Amt nicht nö- thig habe, sich in alle Disputen und Differentien zu mischen, die sich unter den Unterthanen ent- spinnen, und dieselben zu einer Klage anzuhe- tzen, als welches einem Richter schlecht anstän- dig seyn würde, und hierbey heist es denn gar recht: Judex non subvenit nisi imploratus. Es hat ein Richter genung zu thun, wenn er die bey ihm klagende Partheyen auseinander se- tzen will, geschweige denn, daß er sich um andere noch dazu bekümmern solte und könte. Wenn man es aber in dem Verstande sagt, wie sol- ches von vielen Richterlichen Personen zu ge- schehen pflegt, daß die Richter nicht schuldig wären, wider allerhand Gebrechen, die sich so- wohl in dem Policey-Wesen zu ereignen pfleg- ten, als auch wider andere Begünstigungen, wenn sie nicht prave Sportulen einbringen, zu
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die nachdruͤcklicher und ſchaͤrffer abgefaſt, denn die in den meiſten Judiciis ietzund recipiret ſind, und die ſie nach dem Unterſcheid der Perſonen denen Schwerenden vorleſen muͤſſen, vorſchrie- be; Es wuͤrde ſolches gewiß zu Verhuͤtung mancher Meineyde gereichen.
§. 24. Es iſt das Dicterium in der Welt bekandt, wo kein Klaͤger, da iſt auch kein Rich- ter. Nun iſt es freylich wohl auf gewiſſe Maaſ- ſe gegruͤndet, wenn man es in dem Verſtande annimmt, daß das Richterliche Amt nicht noͤ- thig habe, ſich in alle Diſputen und Differentien zu miſchen, die ſich unter den Unterthanen ent- ſpinnen, und dieſelben zu einer Klage anzuhe- tzen, als welches einem Richter ſchlecht anſtaͤn- dig ſeyn wuͤrde, und hierbey heiſt es denn gar recht: Judex non ſubvenit niſi imploratus. Es hat ein Richter genung zu thun, wenn er die bey ihm klagende Partheyen auseinander ſe- tzen will, geſchweige denn, daß er ſich um andere noch dazu bekuͤmmern ſolte und koͤnte. Wenn man es aber in dem Verſtande ſagt, wie ſol- ches von vielen Richterlichen Perſonen zu ge- ſchehen pflegt, daß die Richter nicht ſchuldig waͤren, wider allerhand Gebrechen, die ſich ſo- wohl in dem Policey-Weſen zu ereignen pfleg- ten, als auch wider andere Beguͤnſtigungen, wenn ſie nicht prave Sportulen einbringen, zu
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die nachdruͤcklicher und ſchaͤrffer abgefaſt, denn
die in den meiſten Judiciis ietzund recipiret ſind,
und die ſie nach dem Unterſcheid der Perſonen
denen Schwerenden vorleſen muͤſſen, vorſchrie-
be; Es wuͤrde ſolches gewiß zu Verhuͤtung
mancher Meineyde gereichen.
§. 24. Es iſt das Dicterium in der Welt
bekandt, wo kein Klaͤger, da iſt auch kein Rich-
ter. Nun iſt es freylich wohl auf gewiſſe Maaſ-
ſe gegruͤndet, wenn man es in dem Verſtande
annimmt, daß das Richterliche Amt nicht noͤ-
thig habe, ſich in alle Diſputen und Differentien
zu miſchen, die ſich unter den Unterthanen ent-
ſpinnen, und dieſelben zu einer Klage anzuhe-
tzen, als welches einem Richter ſchlecht anſtaͤn-
dig ſeyn wuͤrde, und hierbey heiſt es denn gar
recht: Judex non ſubvenit niſi imploratus.
Es hat ein Richter genung zu thun, wenn er die
bey ihm klagende Partheyen auseinander ſe-
tzen will, geſchweige denn, daß er ſich um andere
noch dazu bekuͤmmern ſolte und koͤnte. Wenn
man es aber in dem Verſtande ſagt, wie ſol-
ches von vielen Richterlichen Perſonen zu ge-
ſchehen pflegt, daß die Richter nicht ſchuldig
waͤren, wider allerhand Gebrechen, die ſich ſo-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/711>, abgerufen am 22.11.2024.
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