Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

Bild:
<< vorherige Seite



inquiriren, so ist es ein gottloses Dicterium,
und billig zu disapprobiren. Wie manches
wäre von den Richtern ex officio zu untersu-
chen und zu bestraffen, welches sie so hingehen
lassen. Nehmen gemeine Leute, und sonder-
lich die gute Mittel haben, etwas laster hafftes
vor, so können die Beamten bald mit der Inqui-
sition
hinter ihnen her seyn, hingegen um die
Actiones der andern, die entweder ihre Gevat-
tern und sonst gute Freunde sind, oder auch sol-
chen, die ihnen helffen oder schaden können, las-
sen sie sich unbekümmert, sie mögen machen,
was sie wollen. Es heist denn hierbey auch:
Dat veniam corvis, vexat censura columbas:
Gleichwie aber die Richter überhaupt von
GOtt und der hohen Landes-Obrigkeit dazu
gesetzt, daß sie alles böse, so in der Republic
vorgehet, und ihnen zu Ohren gebracht wird,
so viel als möglich, untersuchen und bestraf-
fen; Also solten alle, die hierunter ihre Pflicht
nicht sattsam wahrnehmen, und dasjenige, was
zur Beförderung der Justiz gereicht, es mag ih-
nen ordentlich denunciret worden seyn oder
nicht, recht examiniren, und nach Befindung
der Umstände bestraffen, mit der Remotion
und auf andere Art bestrafft werden.

§. 25. Es stehen zwar einige in den Ge-
dancken, es sey nicht nöthig, daß ein Richter die

ratio-



inquiriren, ſo iſt es ein gottloſes Dicterium,
und billig zu disapprobiren. Wie manches
waͤre von den Richtern ex officio zu unterſu-
chen und zu beſtraffen, welches ſie ſo hingehen
laſſen. Nehmen gemeine Leute, und ſonder-
lich die gute Mittel haben, etwas laſter hafftes
vor, ſo koͤnnen die Beamten bald mit der Inqui-
ſition
hinter ihnen her ſeyn, hingegen um die
Actiones der andern, die entweder ihre Gevat-
tern und ſonſt gute Freunde ſind, oder auch ſol-
chen, die ihnen helffen oder ſchaden koͤnnen, laſ-
ſen ſie ſich unbekuͤmmert, ſie moͤgen machen,
was ſie wollen. Es heiſt denn hierbey auch:
Dat veniam corvis, vexat cenſura columbas:
Gleichwie aber die Richter uͤberhaupt von
GOtt und der hohen Landes-Obrigkeit dazu
geſetzt, daß ſie alles boͤſe, ſo in der Republic
vorgehet, und ihnen zu Ohren gebracht wird,
ſo viel als moͤglich, unterſuchen und beſtraf-
fen; Alſo ſolten alle, die hierunter ihre Pflicht
nicht ſattſam wahrnehmen, und dasjenige, was
zur Befoͤrderung der Juſtiz gereicht, es mag ih-
nen ordentlich denunciret worden ſeyn oder
nicht, recht examiniren, und nach Befindung
der Umſtaͤnde beſtraffen, mit der Remotion
und auf andere Art beſtrafft werden.

§. 25. Es ſtehen zwar einige in den Ge-
dancken, es ſey nicht noͤthig, daß ein Richter die

ratio-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0712" n="692"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw><hi rendition="#aq">inquiri</hi>ren, &#x017F;o i&#x017F;t es ein gottlo&#x017F;es <hi rendition="#aq">Dicterium,</hi><lb/>
und billig zu <hi rendition="#aq">disapprobi</hi>ren. Wie manches<lb/>
wa&#x0364;re von den Richtern <hi rendition="#aq">ex officio</hi> zu unter&#x017F;u-<lb/>
chen und zu be&#x017F;traffen, welches &#x017F;ie &#x017F;o hingehen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Nehmen gemeine Leute, und &#x017F;onder-<lb/>
lich die gute Mittel haben, etwas la&#x017F;ter hafftes<lb/>
vor, &#x017F;o ko&#x0364;nnen die Beamten bald mit der <hi rendition="#aq">Inqui-<lb/>
&#x017F;ition</hi> hinter ihnen her &#x017F;eyn, hingegen um die<lb/><hi rendition="#aq">Actiones</hi> der andern, die entweder ihre Gevat-<lb/>
tern und &#x017F;on&#x017F;t gute Freunde &#x017F;ind, oder auch &#x017F;ol-<lb/>
chen, die ihnen helffen oder &#x017F;chaden ko&#x0364;nnen, la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich unbeku&#x0364;mmert, &#x017F;ie mo&#x0364;gen machen,<lb/>
was &#x017F;ie wollen. Es hei&#x017F;t denn hierbey auch:<lb/><hi rendition="#aq">Dat veniam corvis, vexat cen&#x017F;ura columbas:</hi><lb/>
Gleichwie aber die Richter u&#x0364;berhaupt von<lb/>
GOtt und der hohen Landes-Obrigkeit dazu<lb/>
ge&#x017F;etzt, daß &#x017F;ie alles bo&#x0364;&#x017F;e, &#x017F;o in der Republic<lb/>
vorgehet, und ihnen zu Ohren gebracht wird,<lb/>
&#x017F;o viel als mo&#x0364;glich, unter&#x017F;uchen und be&#x017F;traf-<lb/>
fen; Al&#x017F;o &#x017F;olten alle, die hierunter ihre Pflicht<lb/>
nicht &#x017F;att&#x017F;am wahrnehmen, und dasjenige, was<lb/>
zur Befo&#x0364;rderung der <hi rendition="#aq">Ju&#x017F;tiz</hi> gereicht, es mag ih-<lb/>
nen ordentlich <hi rendition="#aq">denunci</hi>ret worden &#x017F;eyn oder<lb/>
nicht, recht <hi rendition="#aq">examini</hi>ren, und nach Befindung<lb/>
der Um&#x017F;ta&#x0364;nde be&#x017F;traffen, mit der <hi rendition="#aq">Remotion</hi><lb/>
und auf andere Art be&#x017F;trafft werden.</p><lb/>
        <p>§. 25. Es &#x017F;tehen zwar einige in den Ge-<lb/>
dancken, es &#x017F;ey nicht no&#x0364;thig, daß ein Richter die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">ratio-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[692/0712] inquiriren, ſo iſt es ein gottloſes Dicterium, und billig zu disapprobiren. Wie manches waͤre von den Richtern ex officio zu unterſu- chen und zu beſtraffen, welches ſie ſo hingehen laſſen. Nehmen gemeine Leute, und ſonder- lich die gute Mittel haben, etwas laſter hafftes vor, ſo koͤnnen die Beamten bald mit der Inqui- ſition hinter ihnen her ſeyn, hingegen um die Actiones der andern, die entweder ihre Gevat- tern und ſonſt gute Freunde ſind, oder auch ſol- chen, die ihnen helffen oder ſchaden koͤnnen, laſ- ſen ſie ſich unbekuͤmmert, ſie moͤgen machen, was ſie wollen. Es heiſt denn hierbey auch: Dat veniam corvis, vexat cenſura columbas: Gleichwie aber die Richter uͤberhaupt von GOtt und der hohen Landes-Obrigkeit dazu geſetzt, daß ſie alles boͤſe, ſo in der Republic vorgehet, und ihnen zu Ohren gebracht wird, ſo viel als moͤglich, unterſuchen und beſtraf- fen; Alſo ſolten alle, die hierunter ihre Pflicht nicht ſattſam wahrnehmen, und dasjenige, was zur Befoͤrderung der Juſtiz gereicht, es mag ih- nen ordentlich denunciret worden ſeyn oder nicht, recht examiniren, und nach Befindung der Umſtaͤnde beſtraffen, mit der Remotion und auf andere Art beſtrafft werden. §. 25. Es ſtehen zwar einige in den Ge- dancken, es ſey nicht noͤthig, daß ein Richter die ratio-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/712
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 692. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/712>, abgerufen am 29.06.2024.