rationes decidendi dem Urtheil einverleibe, und wären auch die Juristen-Collegia nicht verbunden, denen Urtheilen, wenn die Acta zum Spruch Rechtens an sie überschickt würden, dieselben beyzufügen, außer wenn die Par- theyen darum Ansuchung thäten, oder auch der Richter vor sich solche begehret. Allein ich bin fest persvadirt, daß es wohl gethan sey, wenn dieselben den Bescheiden und Urtheilen mit an- gehängt werden. Es solte auch von der ho- hen Landes-Obrigkeit den Juristen-Facultäten und Schöppen-Stühlen anbefohlen werden, daß sie diese Rationes den Partheyen allezeit communicirten, sie möchten darum ansuchen oder nicht. Es hat die Beyfügung solcher Ra- tionum ihren guten Nutzen, sowohl in Anse- hung der Richter als der Advocaten. Die Richter erwerben sich hierdurch eine gute Opi- nion ihres Fleisses und Gelehrsamkeit, und er- weisen, daß sie die Acta mit Fleiß durchgangen, und alle bey dem facto vorfallende Umstände in genaue Betrachtung gezogen. Es wird dem Ober-Richter, an dem die Sache in der Leu- terations- oder Appellations-Justanz gebracht wird, die Arbeit verringert, daß er desto eher se- hen kan, ob der Part Raison gehabt, das Urtheil a viribus rei judicatae zu suspendiren, und darff hernach in der andern Instanz nicht alle Puncte
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rationes decidendi dem Urtheil einverleibe, und waͤren auch die Juriſten-Collegia nicht verbunden, denen Urtheilen, wenn die Acta zum Spruch Rechtens an ſie uͤberſchickt wuͤrden, dieſelben beyzufuͤgen, außer wenn die Par- theyen darum Anſuchung thaͤten, oder auch der Richter vor ſich ſolche begehret. Allein ich bin feſt perſvadirt, daß es wohl gethan ſey, wenn dieſelben den Beſcheiden und Urtheilen mit an- gehaͤngt werden. Es ſolte auch von der ho- hen Landes-Obrigkeit den Juriſten-Facultaͤten und Schoͤppen-Stuͤhlen anbefohlen werden, daß ſie dieſe Rationes den Partheyen allezeit communicirten, ſie moͤchten darum anſuchen oder nicht. Es hat die Beyfuͤgung ſolcher Ra- tionum ihren guten Nutzen, ſowohl in Anſe- hung der Richter als der Advocaten. Die Richter erwerben ſich hierdurch eine gute Opi- nion ihres Fleiſſes und Gelehrſamkeit, und er- weiſen, daß ſie die Acta mit Fleiß durchgangen, und alle bey dem facto vorfallende Umſtaͤnde in genaue Betrachtung gezogen. Es wird dem Ober-Richter, an dem die Sache in der Leu- terations- oder Appellations-Juſtanz gebracht wird, die Arbeit verringert, daß er deſto eher ſe- hen kan, ob der Part Raiſon gehabt, das Urtheil a viribus rei judicatæ zu ſuſpendiren, und darff hernach in der andern Inſtanz nicht alle Puncte
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rationes decidendi dem Urtheil einverleibe,
und waͤren auch die Juriſten-Collegia nicht
verbunden, denen Urtheilen, wenn die Acta zum
Spruch Rechtens an ſie uͤberſchickt wuͤrden,
dieſelben beyzufuͤgen, außer wenn die Par-
theyen darum Anſuchung thaͤten, oder auch der
Richter vor ſich ſolche begehret. Allein ich bin
feſt perſvadirt, daß es wohl gethan ſey, wenn
dieſelben den Beſcheiden und Urtheilen mit an-
gehaͤngt werden. Es ſolte auch von der ho-
hen Landes-Obrigkeit den Juriſten-Facultaͤten
und Schoͤppen-Stuͤhlen anbefohlen werden,
daß ſie dieſe Rationes den Partheyen allezeit
communicirten, ſie moͤchten darum anſuchen
oder nicht. Es hat die Beyfuͤgung ſolcher Ra-
tionum ihren guten Nutzen, ſowohl in Anſe-
hung der Richter als der Advocaten. Die
Richter erwerben ſich hierdurch eine gute Opi-
nion ihres Fleiſſes und Gelehrſamkeit, und er-
weiſen, daß ſie die Acta mit Fleiß durchgangen,
und alle bey dem facto vorfallende Umſtaͤnde in
genaue Betrachtung gezogen. Es wird dem
Ober-Richter, an dem die Sache in der Leu-
terations- oder Appellations-Juſtanz gebracht
wird, die Arbeit verringert, daß er deſto eher ſe-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 693. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/713>, abgerufen am 22.11.2024.
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