Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Das glaub ich dir ohne feierliche Versicherung, entgegnete Franz. Aber du wirst mir nicht so leicht ausreden, daß sie eine ernsthafte Neigung zu dir gefaßt habe. -- Das deutetest du mir schon neulich an, da ich zuerst mit dir über sie sprach. Damals verstand ich dich nicht. Woraus schließest du nun diese Neigung? Du hast mich seit jener Taufe am ersten Tage meines Hierseins nicht mit ihr zusammen gesehen.

Schon damals, als ich neben ihr und du uns gegenüber saßest, betraf ihr Gespräch nur dich. Der erste Anblick und Eindruck schien über ihr Herz entschieden zu haben. Ich merkte es aus ihren Worten, ihren Mienen, aus ihrem ganzen Wesen. -- Franz! Sind das alle deine Beweise?

Keineswegs. Sie war einige Tage darauf bei ihrem Bruder, dem Pfarrer in Burg, und hat ihm eine so enthusiastische Schilderung von dir entworfen, daß dieser mir neulich schrieb und es mir zur Pflicht machte, ihm meinen Gast zuzuführen. Sie kannte dich kaum, Alles, was sie zu deinen Gunsten sagte, konnte daher nur die Liebe ihr eingeben. Und dazu das gestrige Ereigniß! Ich habe dir noch nicht Alles gesagt. Sie drückte einen Kuß auf das Büchlein, ehe sie es neben den Strauß in das Fenster legte.

Franzens Stimme bebte. Es mochte ihn einen schweren Kampf kosten, während er selbst Marien liebte, mir ihre Liebe zu beweisen.

Nun gut, lieber Freund, entgegnete ich. Da ich

Das glaub ich dir ohne feierliche Versicherung, entgegnete Franz. Aber du wirst mir nicht so leicht ausreden, daß sie eine ernsthafte Neigung zu dir gefaßt habe. — Das deutetest du mir schon neulich an, da ich zuerst mit dir über sie sprach. Damals verstand ich dich nicht. Woraus schließest du nun diese Neigung? Du hast mich seit jener Taufe am ersten Tage meines Hierseins nicht mit ihr zusammen gesehen.

Schon damals, als ich neben ihr und du uns gegenüber saßest, betraf ihr Gespräch nur dich. Der erste Anblick und Eindruck schien über ihr Herz entschieden zu haben. Ich merkte es aus ihren Worten, ihren Mienen, aus ihrem ganzen Wesen. — Franz! Sind das alle deine Beweise?

Keineswegs. Sie war einige Tage darauf bei ihrem Bruder, dem Pfarrer in Burg, und hat ihm eine so enthusiastische Schilderung von dir entworfen, daß dieser mir neulich schrieb und es mir zur Pflicht machte, ihm meinen Gast zuzuführen. Sie kannte dich kaum, Alles, was sie zu deinen Gunsten sagte, konnte daher nur die Liebe ihr eingeben. Und dazu das gestrige Ereigniß! Ich habe dir noch nicht Alles gesagt. Sie drückte einen Kuß auf das Büchlein, ehe sie es neben den Strauß in das Fenster legte.

Franzens Stimme bebte. Es mochte ihn einen schweren Kampf kosten, während er selbst Marien liebte, mir ihre Liebe zu beweisen.

Nun gut, lieber Freund, entgegnete ich. Da ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="9">
        <pb facs="#f0092"/>
        <p>Das glaub ich dir ohne feierliche Versicherung, entgegnete Franz. Aber du wirst mir                nicht so leicht ausreden, daß sie eine ernsthafte Neigung zu dir gefaßt habe. &#x2014; Das                deutetest du mir schon neulich an, da ich zuerst mit dir über sie sprach. Damals                verstand ich dich nicht. Woraus schließest du nun diese Neigung? Du hast mich seit                jener Taufe am ersten Tage meines Hierseins nicht mit ihr zusammen gesehen.</p><lb/>
        <p>Schon damals, als ich neben ihr und du uns gegenüber saßest, betraf ihr Gespräch nur                dich. Der erste Anblick und Eindruck schien über ihr Herz entschieden zu haben. Ich                merkte es aus ihren Worten, ihren Mienen, aus ihrem ganzen Wesen. &#x2014; Franz! Sind das                alle deine Beweise?</p><lb/>
        <p>Keineswegs. Sie war einige Tage darauf bei ihrem Bruder, dem Pfarrer in Burg, und hat                ihm eine so enthusiastische Schilderung von dir entworfen, daß dieser mir neulich                schrieb und es mir zur Pflicht machte, ihm meinen Gast zuzuführen. Sie kannte dich                kaum, Alles, was sie zu deinen Gunsten sagte, konnte daher nur die Liebe ihr                eingeben. Und dazu das gestrige Ereigniß! Ich habe dir noch nicht Alles gesagt. Sie                drückte einen Kuß auf das Büchlein, ehe sie es neben den Strauß in das Fenster                legte.</p><lb/>
        <p>Franzens Stimme bebte. Es mochte ihn einen schweren Kampf kosten, während er selbst                Marien liebte, mir ihre Liebe zu beweisen.</p><lb/>
        <p>Nun gut, lieber Freund, entgegnete ich. Da ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0092] Das glaub ich dir ohne feierliche Versicherung, entgegnete Franz. Aber du wirst mir nicht so leicht ausreden, daß sie eine ernsthafte Neigung zu dir gefaßt habe. — Das deutetest du mir schon neulich an, da ich zuerst mit dir über sie sprach. Damals verstand ich dich nicht. Woraus schließest du nun diese Neigung? Du hast mich seit jener Taufe am ersten Tage meines Hierseins nicht mit ihr zusammen gesehen. Schon damals, als ich neben ihr und du uns gegenüber saßest, betraf ihr Gespräch nur dich. Der erste Anblick und Eindruck schien über ihr Herz entschieden zu haben. Ich merkte es aus ihren Worten, ihren Mienen, aus ihrem ganzen Wesen. — Franz! Sind das alle deine Beweise? Keineswegs. Sie war einige Tage darauf bei ihrem Bruder, dem Pfarrer in Burg, und hat ihm eine so enthusiastische Schilderung von dir entworfen, daß dieser mir neulich schrieb und es mir zur Pflicht machte, ihm meinen Gast zuzuführen. Sie kannte dich kaum, Alles, was sie zu deinen Gunsten sagte, konnte daher nur die Liebe ihr eingeben. Und dazu das gestrige Ereigniß! Ich habe dir noch nicht Alles gesagt. Sie drückte einen Kuß auf das Büchlein, ehe sie es neben den Strauß in das Fenster legte. Franzens Stimme bebte. Es mochte ihn einen schweren Kampf kosten, während er selbst Marien liebte, mir ihre Liebe zu beweisen. Nun gut, lieber Freund, entgegnete ich. Da ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:15:33Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/92
Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/92>, abgerufen am 21.11.2024.