Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.hause entgegen, man tanzte bereits. Vor der Thür, unter einigen schönen Bäumen, saßen Männer und Frauen bei Kaffee, Wein und Bier. Auch geschmückte, vom Tanze erhitzte Paare suchten das Freie und standen in Gruppen umher. Die Mädchen lachten und jubelten, wenn ausgelassene Burschen einander mit derben Scherzen verfolgten und herumjagten. Als wir uns dem Hause näherten, trat uns aus dem Kreise der älteren Leute der Brautvater zugleich mit dem Pfarrer entgegen. Dieser nahm mich nach der Begrüßung sogleich in Beschlag. Es war ein noch junger Mann, dessen Wesen mir vom ersten Augenblick an sehr wohl gefiel. Er kam mir wie einem alten Bekannten mit Herzlichkeit entgegen, und auch mir war's, als hätte ich längst mit ihm verkehrt. Die Schranken der Fremdheit und die Formen der Höflichkeit, welche einer neuen Bekanntschaft oft so hinderlich sind, fielen gleich zwischen uns nieder. Aber kaum hatten wir uns in ein Gespräch eingelassen, als Marie mit glühenden Wangen aus dem Hause stürzte. Hinter ihr her kam Victor, mit dem sie getanzt hatte. Der letztere begrüßte uns lebhaft, ja mit ausgelassener Freude. Marie sprach kaum ein paar Worte. Ihr Wesen war unstet, halb froh, halb verlegen, sie schlug die Augen nieder, wenn die seinigen sie trafen. Der Pfarrer strich ihr die Wangen. Marie, sagte er, jetzt wird eine Weile ausgeruht, du bist erhitzt. Bis ich mit unserem Gast zurückkehre, hause entgegen, man tanzte bereits. Vor der Thür, unter einigen schönen Bäumen, saßen Männer und Frauen bei Kaffee, Wein und Bier. Auch geschmückte, vom Tanze erhitzte Paare suchten das Freie und standen in Gruppen umher. Die Mädchen lachten und jubelten, wenn ausgelassene Burschen einander mit derben Scherzen verfolgten und herumjagten. Als wir uns dem Hause näherten, trat uns aus dem Kreise der älteren Leute der Brautvater zugleich mit dem Pfarrer entgegen. Dieser nahm mich nach der Begrüßung sogleich in Beschlag. Es war ein noch junger Mann, dessen Wesen mir vom ersten Augenblick an sehr wohl gefiel. Er kam mir wie einem alten Bekannten mit Herzlichkeit entgegen, und auch mir war's, als hätte ich längst mit ihm verkehrt. Die Schranken der Fremdheit und die Formen der Höflichkeit, welche einer neuen Bekanntschaft oft so hinderlich sind, fielen gleich zwischen uns nieder. Aber kaum hatten wir uns in ein Gespräch eingelassen, als Marie mit glühenden Wangen aus dem Hause stürzte. Hinter ihr her kam Victor, mit dem sie getanzt hatte. Der letztere begrüßte uns lebhaft, ja mit ausgelassener Freude. Marie sprach kaum ein paar Worte. Ihr Wesen war unstet, halb froh, halb verlegen, sie schlug die Augen nieder, wenn die seinigen sie trafen. Der Pfarrer strich ihr die Wangen. Marie, sagte er, jetzt wird eine Weile ausgeruht, du bist erhitzt. Bis ich mit unserem Gast zurückkehre, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="9"> <p><pb facs="#f0095"/> hause entgegen, man tanzte bereits. Vor der Thür, unter einigen schönen Bäumen, saßen Männer und Frauen bei Kaffee, Wein und Bier. Auch geschmückte, vom Tanze erhitzte Paare suchten das Freie und standen in Gruppen umher. Die Mädchen lachten und jubelten, wenn ausgelassene Burschen einander mit derben Scherzen verfolgten und herumjagten. Als wir uns dem Hause näherten, trat uns aus dem Kreise der älteren Leute der Brautvater zugleich mit dem Pfarrer entgegen. Dieser nahm mich nach der Begrüßung sogleich in Beschlag. Es war ein noch junger Mann, dessen Wesen mir vom ersten Augenblick an sehr wohl gefiel. Er kam mir wie einem alten Bekannten mit Herzlichkeit entgegen, und auch mir war's, als hätte ich längst mit ihm verkehrt. Die Schranken der Fremdheit und die Formen der Höflichkeit, welche einer neuen Bekanntschaft oft so hinderlich sind, fielen gleich zwischen uns nieder.</p><lb/> <p>Aber kaum hatten wir uns in ein Gespräch eingelassen, als Marie mit glühenden Wangen aus dem Hause stürzte. Hinter ihr her kam Victor, mit dem sie getanzt hatte. Der letztere begrüßte uns lebhaft, ja mit ausgelassener Freude. Marie sprach kaum ein paar Worte. Ihr Wesen war unstet, halb froh, halb verlegen, sie schlug die Augen nieder, wenn die seinigen sie trafen. Der Pfarrer strich ihr die Wangen.</p><lb/> <p>Marie, sagte er, jetzt wird eine Weile ausgeruht, du bist erhitzt. Bis ich mit unserem Gast zurückkehre,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0095]
hause entgegen, man tanzte bereits. Vor der Thür, unter einigen schönen Bäumen, saßen Männer und Frauen bei Kaffee, Wein und Bier. Auch geschmückte, vom Tanze erhitzte Paare suchten das Freie und standen in Gruppen umher. Die Mädchen lachten und jubelten, wenn ausgelassene Burschen einander mit derben Scherzen verfolgten und herumjagten. Als wir uns dem Hause näherten, trat uns aus dem Kreise der älteren Leute der Brautvater zugleich mit dem Pfarrer entgegen. Dieser nahm mich nach der Begrüßung sogleich in Beschlag. Es war ein noch junger Mann, dessen Wesen mir vom ersten Augenblick an sehr wohl gefiel. Er kam mir wie einem alten Bekannten mit Herzlichkeit entgegen, und auch mir war's, als hätte ich längst mit ihm verkehrt. Die Schranken der Fremdheit und die Formen der Höflichkeit, welche einer neuen Bekanntschaft oft so hinderlich sind, fielen gleich zwischen uns nieder.
Aber kaum hatten wir uns in ein Gespräch eingelassen, als Marie mit glühenden Wangen aus dem Hause stürzte. Hinter ihr her kam Victor, mit dem sie getanzt hatte. Der letztere begrüßte uns lebhaft, ja mit ausgelassener Freude. Marie sprach kaum ein paar Worte. Ihr Wesen war unstet, halb froh, halb verlegen, sie schlug die Augen nieder, wenn die seinigen sie trafen. Der Pfarrer strich ihr die Wangen.
Marie, sagte er, jetzt wird eine Weile ausgeruht, du bist erhitzt. Bis ich mit unserem Gast zurückkehre,
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