Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gustav Rose: Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere. Band 1. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

N001
1261 Nicolo und Maffio Poli, Vater und Oheim des N002
berühmten Marco Polo, ein ganzes Jahr auf, wo da- N003
mals Bercke Chan herrschte l ), sowie die Winter-Resi- N004
denz Serai ein anderer berühmter Reisender, Wilhelm N005
Rubruquis 1253 besuchte, der schon der Baschkiren N006
(Pascatir) erwähnt.

N001
Nach dem Aussterben der Dschingisiden gegen N002
das Ende des vierzehnten Jahrhunderts brachen im N003
Kaptschakischen Reiche innere Unruhen aus, in Folge N004
deren Timurlenk (Tamerlan) dasselbe mit Krieg über- N005
zog, eroberte und verwüstete. Serai wurde zerstört; N006
Bulghar scheint indessen der völligen Zerstörung ent- N007
gangen zu sein und dieselbe erst später von dem Rus- N008
sischen Grossfürsten Wassili Dimitrijewitsch oder Joann N009
Wassiljewitsch dem Grossen erlitten zu haben 2).

[footnote reference] [footnote reference] [footnote reference]
[footnote reference] N001
1) Il Millione di Marco Polo, ed. del Conte Baldelli, T. II, p. 5. N002
2 ) Herr Frähn hat, seitdem Erdmanns Werk erschienen ist, N003
seine interessanten Untersuchungen über die Ruinen von Bulghar und N004
über das einst so mächtige Bulgharen-Volk fortgesetzt (*). Des Ara- N005
bischen Reisenden Ibn-Foszlans Berichte (er begleitete im Jahre N006
921 eine von Bagdad kommende Gesandschaft an den König der Wolga- N007
Bulgharen) haben den Stoff zu Bemerkungen gegeben, von denen wir N008
hier nur einige wenige ausheben. Nordlichte, welche jetzt in jener N009
Breite so selten sind, waren damals im Lande der Bulgharen sehr N010
häufig. Abu-Hamid Andalusy erzählt, dass zu seiner Zeit, in der N011
Mitte des zwölften Jahrhunderts in Bulgharien die Erde selbst im N012
Sommer nicht von Schnee frei geworden sei. Nach Ibn-Batuta (**), N013
dem Maroccaner, der 1332 in Bulghar war, fuhr man von Bulghar N014
nach Jugrien damals, wie jetzt im nördlichsten Sibirien, auf Schlitten, N015
die mit Hunden bespannt waren. Doch Sommerfrüchte gediehen gut, N016
Weizen, Gerste und Hirse. Das Milderwerden des Klimas ist nach N017
diesen Arabischen Berichten unläugbar, aber am auffallendsten wäre N018
die Abhängigkeit der Nordlichte von diesen klimatischen Veränderun- N019
gen. Herr Frähn beweist, dass die Bulgharen vor dem Jahre 922 N020
noch keine eigentlichen Städte gehabt, und dass die Stadt Bulghar N021
die Festung selbst gewesen, zu deren Bau die Chalifen von Bagdad dem
[footnote reference] N001
(*) Memoires de l' Acad. imp. des sciences de St. Petersbourg. N002
Sixieme Serie, T. I, (1832) p. 527-577.
[footnote reference] N001
(**) The Travels of Ibn-Batuta transated by Lee, 1829, p. 77.

N001
1261 Nicolo und Maffio Poli, Vater und Oheim des N002
berühmten Marco Polo, ein ganzes Jahr auf, wo da- N003
mals Bercke Chan herrschte l ), sowie die Winter-Resi- N004
denz Serai ein anderer berühmter Reisender, Wilhelm N005
Rubruquis 1253 besuchte, der schon der Baschkiren N006
(Pascatir) erwähnt.

N001
Nach dem Aussterben der Dschingisiden gegen N002
das Ende des vierzehnten Jahrhunderts brachen im N003
Kaptschakischen Reiche innere Unruhen aus, in Folge N004
deren Timurlenk (Tamerlan) dasselbe mit Krieg über- N005
zog, eroberte und verwüstete. Serai wurde zerstört; N006
Bulghar scheint indessen der völligen Zerstörung ent- N007
gangen zu sein und dieselbe erst später von dem Rus- N008
sischen Grossfürsten Wassili Dimitrijewitsch oder Joann N009
Wassiljewitsch dem Grossen erlitten zu haben 2).

[footnote reference] [footnote reference] [footnote reference]
[footnote reference] N001
1) Il Millione di Marco Polo, ed. del Conte Baldelli, T. II, p. 5. N002
2 ) Herr Frähn hat, seitdem Erdmanns Werk erschienen ist, N003
seine interessanten Untersuchungen über die Ruinen von Bulghar und N004
über das einst so mächtige Bulgharen-Volk fortgesetzt (*). Des Ara- N005
bischen Reisenden Ibn-Foszlans Berichte (er begleitete im Jahre N006
921 eine von Bagdad kommende Gesandschaft an den König der Wolga- N007
Bulgharen) haben den Stoff zu Bemerkungen gegeben, von denen wir N008
hier nur einige wenige ausheben. Nordlichte, welche jetzt in jener N009
Breite so selten sind, waren damals im Lande der Bulgharen sehr N010
häufig. Abu-Hamid Andalusy erzählt, dass zu seiner Zeit, in der N011
Mitte des zwölften Jahrhunderts in Bulgharien die Erde selbst im N012
Sommer nicht von Schnee frei geworden sei. Nach Ibn-Batuta (**), N013
dem Maroccaner, der 1332 in Bulghar war, fuhr man von Bulghar N014
nach Jugrien damals, wie jetzt im nördlichsten Sibirien, auf Schlitten, N015
die mit Hunden bespannt waren. Doch Sommerfrüchte gediehen gut, N016
Weizen, Gerste und Hirse. Das Milderwerden des Klimas ist nach N017
diesen Arabischen Berichten unläugbar, aber am auffallendsten wäre N018
die Abhängigkeit der Nordlichte von diesen klimatischen Veränderun- N019
gen. Herr Frähn beweist, dass die Bulgharen vor dem Jahre 922 N020
noch keine eigentlichen Städte gehabt, und dass die Stadt Bulghar N021
die Festung selbst gewesen, zu deren Bau die Chalifen von Bagdad dem
[footnote reference] N001
(*) Mémoires de l’ Acad. imp. des sciences de St. Petersbourg. N002
Sixième Serie, T. I, (1832) p. 527-577.
[footnote reference] N001
(**) The Travels of Ibn-Batuta transated by Lee, 1829, p. 77.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0136" xml:id="img_0136" n="102"/>
        <p><lb n="N001"/>
1261 Nicolo und Maffio Poli, Vater und Oheim des             <lb n="N002"/>
berühmten Marco Polo, ein ganzes Jahr auf, wo da-             <lb n="N003"/>
mals Bercke Chan herrschte l ), sowie die Winter-Resi-             <lb n="N004"/>
denz Serai ein anderer berühmter Reisender, Wilhelm             <lb n="N005"/>
Rubruquis 1253 besuchte, der schon der Baschkiren             <lb n="N006"/>
(Pascatir) erwähnt.</p>
        <p><lb n="N001"/>
Nach dem Aussterben der Dschingisiden gegen             <lb n="N002"/>
das Ende des vierzehnten Jahrhunderts brachen im             <lb n="N003"/>
Kaptschakischen Reiche innere Unruhen aus, in Folge             <lb n="N004"/>
deren Timurlenk (Tamerlan) dasselbe mit Krieg über-             <lb n="N005"/>
zog, eroberte und verwüstete. Serai wurde zerstört;             <lb n="N006"/>
Bulghar scheint indessen der völligen Zerstörung ent-             <lb n="N007"/>
gangen zu sein und dieselbe erst später von dem Rus-             <lb n="N008"/>
sischen Grossfürsten Wassili Dimitrijewitsch oder Joann             <lb n="N009"/>
Wassiljewitsch dem Grossen erlitten zu haben 2).</p>
        <note place="foot" n="[footnote reference]"><lb n="N001"/>
1) Il Millione di Marco Polo, ed. del Conte Baldelli, T. II, p. 5. <lb n="N002"/>
2 ) Herr Frähn hat, seitdem Erdmanns Werk erschienen ist, <lb n="N003"/>
seine interessanten Untersuchungen über die Ruinen von Bulghar und             <lb n="N004"/>
über das einst so mächtige Bulgharen-Volk fortgesetzt (*). Des Ara-             <lb n="N005"/>
bischen Reisenden Ibn-Foszlans Berichte (er begleitete im Jahre <lb n="N006"/>
921 eine von Bagdad kommende Gesandschaft an den König der Wolga- <lb n="N007"/>
Bulgharen) haben den Stoff zu Bemerkungen gegeben, von denen wir             <lb n="N008"/>
hier nur einige wenige ausheben. Nordlichte, welche jetzt in jener             <lb n="N009"/>
Breite so selten sind, waren damals im Lande der Bulgharen sehr             <lb n="N010"/>
häufig. Abu-Hamid Andalusy erzählt, dass zu seiner Zeit, in der <lb n="N011"/>
Mitte des zwölften Jahrhunderts in Bulgharien die Erde selbst im             <lb n="N012"/>
Sommer nicht von Schnee frei geworden sei. Nach Ibn-Batuta (**),             <lb n="N013"/>
dem Maroccaner, der 1332 in Bulghar war, fuhr man von Bulghar             <lb n="N014"/>
nach Jugrien damals, wie jetzt im nördlichsten Sibirien, auf Schlitten,             <lb n="N015"/>
die mit Hunden bespannt waren. Doch Sommerfrüchte gediehen gut,             <lb n="N016"/>
Weizen, Gerste und Hirse. Das Milderwerden des Klimas ist nach             <lb n="N017"/>
diesen Arabischen Berichten unläugbar, aber am auffallendsten wäre             <lb n="N018"/>
die Abhängigkeit der Nordlichte von diesen klimatischen Veränderun-             <lb n="N019"/>
gen. Herr Frähn beweist, dass die Bulgharen vor dem Jahre 922             <lb n="N020"/>
noch keine eigentlichen Städte gehabt, und dass die Stadt Bulghar             <lb n="N021"/>
die Festung selbst gewesen, zu deren Bau die Chalifen von Bagdad dem</note>
        <note place="foot" n="[footnote reference]"><lb n="N001"/>
(*) Mémoires de l&#x2019; Acad. imp. des sciences de St. Petersbourg. <lb n="N002"/>
Sixième Serie, T. I, (1832) p. 527-577.</note>
        <note place="foot" n="[footnote reference]"><lb n="N001"/>
(**) The Travels of Ibn-Batuta transated by Lee, 1829, p. 77.</note>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0136] N001 1261 Nicolo und Maffio Poli, Vater und Oheim des N002 berühmten Marco Polo, ein ganzes Jahr auf, wo da- N003 mals Bercke Chan herrschte l ), sowie die Winter-Resi- N004 denz Serai ein anderer berühmter Reisender, Wilhelm N005 Rubruquis 1253 besuchte, der schon der Baschkiren N006 (Pascatir) erwähnt. N001 Nach dem Aussterben der Dschingisiden gegen N002 das Ende des vierzehnten Jahrhunderts brachen im N003 Kaptschakischen Reiche innere Unruhen aus, in Folge N004 deren Timurlenk (Tamerlan) dasselbe mit Krieg über- N005 zog, eroberte und verwüstete. Serai wurde zerstört; N006 Bulghar scheint indessen der völligen Zerstörung ent- N007 gangen zu sein und dieselbe erst später von dem Rus- N008 sischen Grossfürsten Wassili Dimitrijewitsch oder Joann N009 Wassiljewitsch dem Grossen erlitten zu haben 2). [footnote reference] [footnote reference] [footnote reference] [footnote reference] N001 1) Il Millione di Marco Polo, ed. del Conte Baldelli, T. II, p. 5. N002 2 ) Herr Frähn hat, seitdem Erdmanns Werk erschienen ist, N003 seine interessanten Untersuchungen über die Ruinen von Bulghar und N004 über das einst so mächtige Bulgharen-Volk fortgesetzt (*). Des Ara- N005 bischen Reisenden Ibn-Foszlans Berichte (er begleitete im Jahre N006 921 eine von Bagdad kommende Gesandschaft an den König der Wolga- N007 Bulgharen) haben den Stoff zu Bemerkungen gegeben, von denen wir N008 hier nur einige wenige ausheben. Nordlichte, welche jetzt in jener N009 Breite so selten sind, waren damals im Lande der Bulgharen sehr N010 häufig. Abu-Hamid Andalusy erzählt, dass zu seiner Zeit, in der N011 Mitte des zwölften Jahrhunderts in Bulgharien die Erde selbst im N012 Sommer nicht von Schnee frei geworden sei. Nach Ibn-Batuta (**), N013 dem Maroccaner, der 1332 in Bulghar war, fuhr man von Bulghar N014 nach Jugrien damals, wie jetzt im nördlichsten Sibirien, auf Schlitten, N015 die mit Hunden bespannt waren. Doch Sommerfrüchte gediehen gut, N016 Weizen, Gerste und Hirse. Das Milderwerden des Klimas ist nach N017 diesen Arabischen Berichten unläugbar, aber am auffallendsten wäre N018 die Abhängigkeit der Nordlichte von diesen klimatischen Veränderun- N019 gen. Herr Frähn beweist, dass die Bulgharen vor dem Jahre 922 N020 noch keine eigentlichen Städte gehabt, und dass die Stadt Bulghar N021 die Festung selbst gewesen, zu deren Bau die Chalifen von Bagdad dem [footnote reference] N001 (*) Mémoires de l’ Acad. imp. des sciences de St. Petersbourg. N002 Sixième Serie, T. I, (1832) p. 527-577. [footnote reference] N001 (**) The Travels of Ibn-Batuta transated by Lee, 1829, p. 77.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

OCR-D: Bereitstellung der Texttranskription. (2019-10-24T14:49:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Dennis Dietrich, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2019-10-24T14:49:29Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR ohne Nachkorrektur.

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.ocr-d.de/gt_guidelines formulierten Richtlinien und wurde in Richtung des Zielformats DTABf angepasst.

Der Textinhalt einzelner Tabellen wurde von der OCR nur teilweise erfasst.

Weitere Textphänomene wurden wie folgt behandelt:

  • Bogensignaturen: gekennzeichnet;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: dokumentiert;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: wie Vorlage;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rose_ural01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rose_ural01_1837/136
Zitationshilfe: Gustav Rose: Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere. Band 1. Berlin, 1837, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rose_ural01_1837/136>, abgerufen am 21.11.2024.