Gebirge einen unermeßlichen Schatz von Edelgestein bewacht. Wenn das Waldland noch eine Weile be- steht, so muß ein heldenhafter Mann kommen, der das Ungeheuer besiegt und die Schätze hebt. Bis- lang ist noch kein solcher dagewesen.
Ich meine, ich wollte es erkennen und nennen, das Ungeheuer . . . .
Den finsteren Sagen angepaßt ist die Gegend. Sie ist ein todtes Thal, in welchem kein Finklein will singen, keine Wildtaube will glucken, kein Specht will schnattern, in welchem die Einsamkeit selbst ist eingeschlummert. Auf dem grauen Laub- moosboden liegen zerstreut wuchtige Felsblöcke um- her, wie sie von dem hohen Gewände niedergebro- chen sind. Dort und da ist ein vorwitziges Fichten- bäumchen hinangeklettert auf einen solchen wetter- grauen Klotz, und blickt stolz um sich, und meint, es sei nun besser, als die andern, halbverkommenen Gewächse unten auf dem Sandboden. -- Wird nicht lange dauern, so wirst du verhungern und verdursten auf dem dürren Felsboden und hernieder- fallen. Hierum kann der Wald nicht gedeihen, und steigt doch wo eine schlanke, kerzengerade Fichte empor, so sind ihre Tage gezählt. Jählings kommt ein Sturmwind niedergefahren von den Felsmulden und legt den schönen jungen Stamm mitsammt der losgelösten Wurzel fast sanft hin über den Boden.
Gebirge einen unermeßlichen Schatz von Edelgeſtein bewacht. Wenn das Waldland noch eine Weile be- ſteht, ſo muß ein heldenhafter Mann kommen, der das Ungeheuer beſiegt und die Schätze hebt. Bis- lang iſt noch kein ſolcher dageweſen.
Ich meine, ich wollte es erkennen und nennen, das Ungeheuer . . . .
Den finſteren Sagen angepaßt iſt die Gegend. Sie iſt ein todtes Thal, in welchem kein Finklein will ſingen, keine Wildtaube will glucken, kein Specht will ſchnattern, in welchem die Einſamkeit ſelbſt iſt eingeſchlummert. Auf dem grauen Laub- moosboden liegen zerſtreut wuchtige Felsblöcke um- her, wie ſie von dem hohen Gewände niedergebro- chen ſind. Dort und da iſt ein vorwitziges Fichten- bäumchen hinangeklettert auf einen ſolchen wetter- grauen Klotz, und blickt ſtolz um ſich, und meint, es ſei nun beſſer, als die andern, halbverkommenen Gewächſe unten auf dem Sandboden. — Wird nicht lange dauern, ſo wirſt du verhungern und verdurſten auf dem dürren Felsboden und hernieder- fallen. Hierum kann der Wald nicht gedeihen, und ſteigt doch wo eine ſchlanke, kerzengerade Fichte empor, ſo ſind ihre Tage gezählt. Jählings kommt ein Sturmwind niedergefahren von den Felsmulden und legt den ſchönen jungen Stamm mitſammt der losgelöſten Wurzel faſt ſanft hin über den Boden.
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Gebirge einen unermeßlichen Schatz von Edelgeſtein
bewacht. Wenn das Waldland noch eine Weile be-
ſteht, ſo muß ein heldenhafter Mann kommen, der
das Ungeheuer beſiegt und die Schätze hebt. Bis-
lang iſt noch kein ſolcher dageweſen.
Ich meine, ich wollte es erkennen und nennen,
das Ungeheuer . . . .
Den finſteren Sagen angepaßt iſt die Gegend.
Sie iſt ein todtes Thal, in welchem kein Finklein
will ſingen, keine Wildtaube will glucken, kein
Specht will ſchnattern, in welchem die Einſamkeit
ſelbſt iſt eingeſchlummert. Auf dem grauen Laub-
moosboden liegen zerſtreut wuchtige Felsblöcke um-
her, wie ſie von dem hohen Gewände niedergebro-
chen ſind. Dort und da iſt ein vorwitziges Fichten-
bäumchen hinangeklettert auf einen ſolchen wetter-
grauen Klotz, und blickt ſtolz um ſich, und meint,
es ſei nun beſſer, als die andern, halbverkommenen
Gewächſe unten auf dem Sandboden. — Wird
nicht lange dauern, ſo wirſt du verhungern und
verdurſten auf dem dürren Felsboden und hernieder-
fallen. Hierum kann der Wald nicht gedeihen, und
ſteigt doch wo eine ſchlanke, kerzengerade Fichte
empor, ſo ſind ihre Tage gezählt. Jählings kommt
ein Sturmwind niedergefahren von den Felsmulden
und legt den ſchönen jungen Stamm mitſammt der
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/121>, abgerufen am 27.11.2024.
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