Hauswirthin heute gar aufgebracht ist. Die Sache soll so gewesen sein: Am Försterhause geht der Einspanig vorüber. Die Haushälterin schaut just zur Thür hinaus und denkt: ei, wenn sich nur mit diesem seltsamen Menschen einmal ein kleines Plau- dern anheben ließ, daß Eins doch ein bischen was von ihm erfahren könnt'. Und kaum er so zufällig sein Haupt gegen die Thür wendet, lädt sie ihn artig ein, an der Bank ein wenig abzurasten. Er thut's, sie bringt ihm eilig Milch und Brot herbei und frägt in ihrer Weise: "Ihr guter Mann Gottes, wo kommt ihr denn her?"
"Von dem Felsenthale hernieder," ist die Antwort.
"Ihr Närrchen!" ruft das Weib aus, "das soll ja so viel eine böse Gegend sein. Da oben im Felsenthal ist die Welt mit Brettern ver- schlagen."
Darauf der Einspanig: "Wo ist die Welt mit Brettern verschlagen? Gar auf keinem Fleck. Die Berge gehen weit, weit zurück hinter den Hoch- zahn, dann kommen die Hügelländer, dann kommen die Ebenen, dann kommt das Wasser. Viele tau- send Stunden breitet sich das Wasser, dann kommt wieder Land mit Berg und Thal und Hügeln, und wieder Wasser, und wieder Land und Wasser und Land und Land --"
8*
Hauswirthin heute gar aufgebracht iſt. Die Sache ſoll ſo geweſen ſein: Am Förſterhauſe geht der Einſpanig vorüber. Die Haushälterin ſchaut juſt zur Thür hinaus und denkt: ei, wenn ſich nur mit dieſem ſeltſamen Menſchen einmal ein kleines Plau- dern anheben ließ, daß Eins doch ein bischen was von ihm erfahren könnt’. Und kaum er ſo zufällig ſein Haupt gegen die Thür wendet, lädt ſie ihn artig ein, an der Bank ein wenig abzuraſten. Er thut’s, ſie bringt ihm eilig Milch und Brot herbei und frägt in ihrer Weiſe: „Ihr guter Mann Gottes, wo kommt ihr denn her?“
„Von dem Felſenthale hernieder,“ iſt die Antwort.
„Ihr Närrchen!“ ruft das Weib aus, „das ſoll ja ſo viel eine böſe Gegend ſein. Da oben im Felſenthal iſt die Welt mit Brettern ver- ſchlagen.“
Darauf der Einſpanig: „Wo iſt die Welt mit Brettern verſchlagen? Gar auf keinem Fleck. Die Berge gehen weit, weit zurück hinter den Hoch- zahn, dann kommen die Hügelländer, dann kommen die Ebenen, dann kommt das Waſſer. Viele tau- ſend Stunden breitet ſich das Waſſer, dann kommt wieder Land mit Berg und Thal und Hügeln, und wieder Waſſer, und wieder Land und Waſſer und Land und Land —“
8*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0125"n="115"/>
Hauswirthin heute gar aufgebracht iſt. Die Sache<lb/>ſoll ſo geweſen ſein: Am Förſterhauſe geht der<lb/>
Einſpanig vorüber. Die Haushälterin ſchaut juſt<lb/>
zur Thür hinaus und denkt: ei, wenn ſich nur mit<lb/>
dieſem ſeltſamen Menſchen einmal ein kleines Plau-<lb/>
dern anheben ließ, daß Eins doch ein bischen was<lb/>
von ihm erfahren könnt’. Und kaum er ſo zufällig<lb/>ſein Haupt gegen die Thür wendet, lädt ſie ihn<lb/>
artig ein, an der Bank ein wenig abzuraſten. Er<lb/>
thut’s, ſie bringt ihm eilig Milch und Brot herbei<lb/>
und frägt in ihrer Weiſe: „Ihr guter Mann<lb/>
Gottes, wo kommt ihr denn her?“</p><lb/><p>„Von dem Felſenthale hernieder,“ iſt die<lb/>
Antwort.</p><lb/><p>„Ihr Närrchen!“ ruft das Weib aus, „das<lb/>ſoll ja ſo viel eine böſe Gegend ſein. Da<lb/>
oben im Felſenthal iſt die Welt mit Brettern ver-<lb/>ſchlagen.“</p><lb/><p>Darauf der Einſpanig: „Wo iſt die Welt<lb/>
mit Brettern verſchlagen? Gar auf keinem Fleck.<lb/>
Die Berge gehen weit, weit zurück hinter den Hoch-<lb/>
zahn, dann kommen die Hügelländer, dann kommen<lb/>
die Ebenen, dann kommt das Waſſer. Viele tau-<lb/>ſend Stunden breitet ſich das Waſſer, dann kommt<lb/>
wieder Land mit Berg und Thal und Hügeln, und<lb/>
wieder Waſſer, und wieder Land und Waſſer und<lb/>
Land und Land —“</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">8*</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[115/0125]
Hauswirthin heute gar aufgebracht iſt. Die Sache
ſoll ſo geweſen ſein: Am Förſterhauſe geht der
Einſpanig vorüber. Die Haushälterin ſchaut juſt
zur Thür hinaus und denkt: ei, wenn ſich nur mit
dieſem ſeltſamen Menſchen einmal ein kleines Plau-
dern anheben ließ, daß Eins doch ein bischen was
von ihm erfahren könnt’. Und kaum er ſo zufällig
ſein Haupt gegen die Thür wendet, lädt ſie ihn
artig ein, an der Bank ein wenig abzuraſten. Er
thut’s, ſie bringt ihm eilig Milch und Brot herbei
und frägt in ihrer Weiſe: „Ihr guter Mann
Gottes, wo kommt ihr denn her?“
„Von dem Felſenthale hernieder,“ iſt die
Antwort.
„Ihr Närrchen!“ ruft das Weib aus, „das
ſoll ja ſo viel eine böſe Gegend ſein. Da
oben im Felſenthal iſt die Welt mit Brettern ver-
ſchlagen.“
Darauf der Einſpanig: „Wo iſt die Welt
mit Brettern verſchlagen? Gar auf keinem Fleck.
Die Berge gehen weit, weit zurück hinter den Hoch-
zahn, dann kommen die Hügelländer, dann kommen
die Ebenen, dann kommt das Waſſer. Viele tau-
ſend Stunden breitet ſich das Waſſer, dann kommt
wieder Land mit Berg und Thal und Hügeln, und
wieder Waſſer, und wieder Land und Waſſer und
Land und Land —“
8*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/125>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.