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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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"So viel geschlagen ist er worden," hat mir
das betrübte Weib mitgetheilt.

Ich bin anfangs durch die Kinder eingeführt
worden und genieße im Hause des Mathes einiges
Vertrauen. Ich gehe öfters hinauf; ich will all-
zumal auch das Elend im Walde kennen lernen.

Einmal, als der Mathes in einem tiefen,
ruhigen Schlummer liegt, und ich neben dem Lager
sitze, athmet das Weib schwer auf, als trüge sie
eine Last. Dann sagt sie die Worte: "Ich ge-
trau' mir's wol zu sagen, auf der Welt gibt es
keine bessere Seel', als der Mathes ist. Aber wenn
ein Mensch einmal so gepeinigt worden von den
Leuten, und so niedergedrückt und so schwarz ge-
macht, wie er, so müßt' er kein frisch' Tröpfel
Blut im Leib haben, wollt' er nicht wild werden."

Und ein wenig später fährt sie fort: "Ich
wüßt' zu reden, ich hab' ihn von Kindeszeit auf
gekannt."

"So redet," habe ich entgegnet, "in mir habt
ihr einen Menschen vor euch, der Herzenskummer
niemalen böse deuten mag."

"Lustig ist er gewesen, wie ein Vöglein in
den Lüften; hell zuckt hat Alles an ihm vor lauter
Freud' und Lebendigkeit. Und er hat's damalen
noch gar nicht gewußt, daß er zwei großmächtige
Meierhöf' erben sollt'; hätt's wahrhaftig auch nicht

Rosegger: Waldschulmeister. 9

„So viel geſchlagen iſt er worden,“ hat mir
das betrübte Weib mitgetheilt.

Ich bin anfangs durch die Kinder eingeführt
worden und genieße im Hauſe des Mathes einiges
Vertrauen. Ich gehe öfters hinauf; ich will all-
zumal auch das Elend im Walde kennen lernen.

Einmal, als der Mathes in einem tiefen,
ruhigen Schlummer liegt, und ich neben dem Lager
ſitze, athmet das Weib ſchwer auf, als trüge ſie
eine Laſt. Dann ſagt ſie die Worte: „Ich ge-
trau’ mir’s wol zu ſagen, auf der Welt gibt es
keine beſſere Seel’, als der Mathes iſt. Aber wenn
ein Menſch einmal ſo gepeinigt worden von den
Leuten, und ſo niedergedrückt und ſo ſchwarz ge-
macht, wie er, ſo müßt’ er kein friſch’ Tröpfel
Blut im Leib haben, wollt’ er nicht wild werden.“

Und ein wenig ſpäter fährt ſie fort: „Ich
wüßt’ zu reden, ich hab’ ihn von Kindeszeit auf
gekannt.“

„So redet,“ habe ich entgegnet, „in mir habt
ihr einen Menſchen vor euch, der Herzenskummer
niemalen böſe deuten mag.“

„Luſtig iſt er geweſen, wie ein Vöglein in
den Lüften; hell zuckt hat Alles an ihm vor lauter
Freud’ und Lebendigkeit. Und er hat’s damalen
noch gar nicht gewußt, daß er zwei großmächtige
Meierhöf’ erben ſollt’; hätt’s wahrhaftig auch nicht

Roſegger: Waldſchulmeiſter. 9
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[129/0139] „So viel geſchlagen iſt er worden,“ hat mir das betrübte Weib mitgetheilt. Ich bin anfangs durch die Kinder eingeführt worden und genieße im Hauſe des Mathes einiges Vertrauen. Ich gehe öfters hinauf; ich will all- zumal auch das Elend im Walde kennen lernen. Einmal, als der Mathes in einem tiefen, ruhigen Schlummer liegt, und ich neben dem Lager ſitze, athmet das Weib ſchwer auf, als trüge ſie eine Laſt. Dann ſagt ſie die Worte: „Ich ge- trau’ mir’s wol zu ſagen, auf der Welt gibt es keine beſſere Seel’, als der Mathes iſt. Aber wenn ein Menſch einmal ſo gepeinigt worden von den Leuten, und ſo niedergedrückt und ſo ſchwarz ge- macht, wie er, ſo müßt’ er kein friſch’ Tröpfel Blut im Leib haben, wollt’ er nicht wild werden.“ Und ein wenig ſpäter fährt ſie fort: „Ich wüßt’ zu reden, ich hab’ ihn von Kindeszeit auf gekannt.“ „So redet,“ habe ich entgegnet, „in mir habt ihr einen Menſchen vor euch, der Herzenskummer niemalen böſe deuten mag.“ „Luſtig iſt er geweſen, wie ein Vöglein in den Lüften; hell zuckt hat Alles an ihm vor lauter Freud’ und Lebendigkeit. Und er hat’s damalen noch gar nicht gewußt, daß er zwei großmächtige Meierhöf’ erben ſollt’; hätt’s wahrhaftig auch nicht Roſegger: Waldſchulmeiſter. 9

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/139>, abgerufen am 23.11.2024.