den Welschen haben sie erzählt, die in Ewigkeit keine Ruh' geben wollen, und von den Kriegs- zeiten und dem lustigen Soldatenleben; und gleich darauf fragen sie wieder, wie das Korn gerathen, was das Schäffel koste. Ich bin lustig worden, hab' meine Freud' gehabt, daß sich mit den weltfremden Leuten so schön über allerhand schwätzen läßt. Da hebt Einer das Glas: Unser König soll leben! -- Wir stoßen an, daß schier die Gläser springen; ich schrei dreimal lauter, als die Andern: Der König soll leben!" -- Der Kranke bricht ab, es zittern ihm die Lippen. Nach einer Weile murmelt er dumpf: "Mit diesem Ruf ist mein Unglück ange- gangen. -- Wie ich wieder fort will, springen sie auf, halten mich fest: Oho, Bursch, du bist unser! -- Unter die Werber bin ich gerathen. Fortgeführt haben sie den jungen, noch gar nicht ausgewach- senen Menschen; -- unter die Soldaten haben sie mich gesteckt und verkauft bin ich gewesen."
Mit den knochigen Fingern zerballt der Mathes eine Moosflocke.
"Gräm' dich nicht, Weib," stößt er hervor, "bin schon besser. Mit meinen letzten Worten will ich das Gezücht' noch niederschlagen. Das kann ich wol sagen: auf weitem breitem Feld bin ich nicht so wild gewesen, wie auf dem Todten- bette hier. -- Heim hätt' ich mögen, heim hat's
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den Welſchen haben ſie erzählt, die in Ewigkeit keine Ruh’ geben wollen, und von den Kriegs- zeiten und dem luſtigen Soldatenleben; und gleich darauf fragen ſie wieder, wie das Korn gerathen, was das Schäffel koſte. Ich bin luſtig worden, hab’ meine Freud’ gehabt, daß ſich mit den weltfremden Leuten ſo ſchön über allerhand ſchwätzen läßt. Da hebt Einer das Glas: Unſer König ſoll leben! — Wir ſtoßen an, daß ſchier die Gläſer ſpringen; ich ſchrei dreimal lauter, als die Andern: Der König ſoll leben!“ — Der Kranke bricht ab, es zittern ihm die Lippen. Nach einer Weile murmelt er dumpf: „Mit dieſem Ruf iſt mein Unglück ange- gangen. — Wie ich wieder fort will, ſpringen ſie auf, halten mich feſt: Oho, Burſch, du biſt unſer! — Unter die Werber bin ich gerathen. Fortgeführt haben ſie den jungen, noch gar nicht ausgewach- ſenen Menſchen; — unter die Soldaten haben ſie mich geſteckt und verkauft bin ich geweſen.“
Mit den knochigen Fingern zerballt der Mathes eine Moosflocke.
„Gräm’ dich nicht, Weib,“ ſtößt er hervor, „bin ſchon beſſer. Mit meinen letzten Worten will ich das Gezücht’ noch niederſchlagen. Das kann ich wol ſagen: auf weitem breitem Feld bin ich nicht ſo wild geweſen, wie auf dem Todten- bette hier. — Heim hätt’ ich mögen, heim hat’s
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den Welſchen haben ſie erzählt, die in Ewigkeit
keine Ruh’ geben wollen, und von den Kriegs-
zeiten und dem luſtigen Soldatenleben; und gleich
darauf fragen ſie wieder, wie das Korn gerathen,
was das Schäffel koſte. Ich bin luſtig worden, hab’
meine Freud’ gehabt, daß ſich mit den weltfremden
Leuten ſo ſchön über allerhand ſchwätzen läßt. Da
hebt Einer das Glas: Unſer König ſoll leben! —
Wir ſtoßen an, daß ſchier die Gläſer ſpringen; ich
ſchrei dreimal lauter, als die Andern: Der König
ſoll leben!“ — Der Kranke bricht ab, es zittern
ihm die Lippen. Nach einer Weile murmelt er
dumpf: „Mit dieſem Ruf iſt mein Unglück ange-
gangen. — Wie ich wieder fort will, ſpringen ſie
auf, halten mich feſt: Oho, Burſch, du biſt unſer!
— Unter die Werber bin ich gerathen. Fortgeführt
haben ſie den jungen, noch gar nicht ausgewach-
ſenen Menſchen; — unter die Soldaten haben ſie
mich geſteckt und verkauft bin ich geweſen.“
Mit den knochigen Fingern zerballt der Mathes
eine Moosflocke.
„Gräm’ dich nicht, Weib,“ ſtößt er hervor,
„bin ſchon beſſer. Mit meinen letzten Worten
will ich das Gezücht’ noch niederſchlagen. Das
kann ich wol ſagen: auf weitem breitem Feld
bin ich nicht ſo wild geweſen, wie auf dem Todten-
bette hier. — Heim hätt’ ich mögen, heim hat’s
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/141>, abgerufen am 23.11.2024.
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