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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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liche Hausgeräthe, vom Stiefelzieher unter der
Bettstatt bis zu dem Kalender an der Wand. Die
Fenster waren bedeutend größer, als sie sonst bei
hölzernen Häusern zu sein pflegen und mit gefloch-
tenen Gittern versehen. In diesen Gittern steckten
verdorrte Birkenzweige.

Da ich einen der blauen Vorhänge bei Seite
geschoben hatte, blickte ich hinaus in das Freie.
Es war finster, nur von einer Ecke des Kirchhofes
her schimmerte es, wie ein verlorner Strahl des
Mondes. Das war wohl das Moderleuchten eines
zusammengebrochenen Grabkreuzes oder eines Sarg-
restes. Der Regen rieselte; es zog ein frostiger
Windhauch durch die Luft wie gewöhnlich nach
Hagelgewittern.

Ich hatte die Alpenfahrt für den nächsten
Tag aufgegeben. ich beschloß, entweder in Winkel-
steg schön Wetter abzuwarten, oder mittelst eines
Kohlenwagens wieder davon zu fahren. Brauen im
Gebirge selbst zur Sommerszeit ja doch oft wochen-
lang die feuchten finstern Nebel, während draußen
im Vorlande der milde Sonnenschein liegt.

Ehe ich mich ins Bette legte, wühlte ich noch
ein wenig in den alten Papieren der Schublade
herum. Da waren Musiknoten, Schreibübungen,
Aufmerkblätter und allerhand so Geschreibe auf
grobem, grauem, gelbem Papier. Es war theils

liche Hausgeräthe, vom Stiefelzieher unter der
Bettſtatt bis zu dem Kalender an der Wand. Die
Fenſter waren bedeutend größer, als ſie ſonſt bei
hölzernen Häuſern zu ſein pflegen und mit gefloch-
tenen Gittern verſehen. In dieſen Gittern ſteckten
verdorrte Birkenzweige.

Da ich einen der blauen Vorhänge bei Seite
geſchoben hatte, blickte ich hinaus in das Freie.
Es war finſter, nur von einer Ecke des Kirchhofes
her ſchimmerte es, wie ein verlorner Strahl des
Mondes. Das war wohl das Moderleuchten eines
zuſammengebrochenen Grabkreuzes oder eines Sarg-
reſtes. Der Regen rieſelte; es zog ein froſtiger
Windhauch durch die Luft wie gewöhnlich nach
Hagelgewittern.

Ich hatte die Alpenfahrt für den nächſten
Tag aufgegeben. ich beſchloß, entweder in Winkel-
ſteg ſchön Wetter abzuwarten, oder mittelſt eines
Kohlenwagens wieder davon zu fahren. Brauen im
Gebirge ſelbſt zur Sommerszeit ja doch oft wochen-
lang die feuchten finſtern Nebel, während draußen
im Vorlande der milde Sonnenſchein liegt.

Ehe ich mich ins Bette legte, wühlte ich noch
ein wenig in den alten Papieren der Schublade
herum. Da waren Muſiknoten, Schreibübungen,
Aufmerkblätter und allerhand ſo Geſchreibe auf
grobem, grauem, gelbem Papier. Es war theils

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[18/0028] liche Hausgeräthe, vom Stiefelzieher unter der Bettſtatt bis zu dem Kalender an der Wand. Die Fenſter waren bedeutend größer, als ſie ſonſt bei hölzernen Häuſern zu ſein pflegen und mit gefloch- tenen Gittern verſehen. In dieſen Gittern ſteckten verdorrte Birkenzweige. Da ich einen der blauen Vorhänge bei Seite geſchoben hatte, blickte ich hinaus in das Freie. Es war finſter, nur von einer Ecke des Kirchhofes her ſchimmerte es, wie ein verlorner Strahl des Mondes. Das war wohl das Moderleuchten eines zuſammengebrochenen Grabkreuzes oder eines Sarg- reſtes. Der Regen rieſelte; es zog ein froſtiger Windhauch durch die Luft wie gewöhnlich nach Hagelgewittern. Ich hatte die Alpenfahrt für den nächſten Tag aufgegeben. ich beſchloß, entweder in Winkel- ſteg ſchön Wetter abzuwarten, oder mittelſt eines Kohlenwagens wieder davon zu fahren. Brauen im Gebirge ſelbſt zur Sommerszeit ja doch oft wochen- lang die feuchten finſtern Nebel, während draußen im Vorlande der milde Sonnenſchein liegt. Ehe ich mich ins Bette legte, wühlte ich noch ein wenig in den alten Papieren der Schublade herum. Da waren Muſiknoten, Schreibübungen, Aufmerkblätter und allerhand ſo Geſchreibe auf grobem, grauem, gelbem Papier. Es war theils

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/28>, abgerufen am 21.11.2024.