Der Pfarrer hat sich mehrmals an den Wald- herrn gewendet, auf daß den Kleinbauern hier, die sich den schlechten Boden mit vieler Mühe nutzbar gemacht haben, dieser Boden gegen Entgeld zu eigen überlassen werden möge. Es ist aber kein Bescheid zurückgekommen. Es heißt, der alte Herr sei auf Reisen und der junge in der Hauptstadt, und die Welt sei zu weit und die Hauptstadt zu laut, als daß so ein Wort aus dem Walde gehört werden könne.
Wir Winkelsteger bleiben denn Lehensleute.
Am 14. des Eismonats 1831.
Heute habe ich die Nachricht von dem Tode meiner Base, der Muhme-Lies, erhalten. Sie hat mich zu ihrem Erben eingesetzt. Alte Jugend- bekannte, die sich seit zwanzig Jahren nicht mehr um mich gekümmert haben, beglückwünschen mich zur Erbschaft. Ich weiß aber noch nichts Näheres. Wie viel kann die alte Frau denn besessen haben? Wol war sie reich gewesen, hat aber Alles in Glücksspielen versetzt.
Und wenn nur Ein Groschen ist, und wenn gar nichts ist -- bei meiner Seel', so freut es mich doch, daß sie meiner gedacht hat. Sie hat mir es stets wolgemeint. Jetzt hab ich gar keinen Ver- wandten mehr auf dieser Welt.
Der Pfarrer hat ſich mehrmals an den Wald- herrn gewendet, auf daß den Kleinbauern hier, die ſich den ſchlechten Boden mit vieler Mühe nutzbar gemacht haben, dieſer Boden gegen Entgeld zu eigen überlaſſen werden möge. Es iſt aber kein Beſcheid zurückgekommen. Es heißt, der alte Herr ſei auf Reiſen und der junge in der Hauptſtadt, und die Welt ſei zu weit und die Hauptſtadt zu laut, als daß ſo ein Wort aus dem Walde gehört werden könne.
Wir Winkelſteger bleiben denn Lehensleute.
Am 14. des Eismonats 1831.
Heute habe ich die Nachricht von dem Tode meiner Baſe, der Muhme-Lies, erhalten. Sie hat mich zu ihrem Erben eingeſetzt. Alte Jugend- bekannte, die ſich ſeit zwanzig Jahren nicht mehr um mich gekümmert haben, beglückwünſchen mich zur Erbſchaft. Ich weiß aber noch nichts Näheres. Wie viel kann die alte Frau denn beſeſſen haben? Wol war ſie reich geweſen, hat aber Alles in Glücksſpielen verſetzt.
Und wenn nur Ein Groſchen iſt, und wenn gar nichts iſt — bei meiner Seel’, ſo freut es mich doch, daß ſie meiner gedacht hat. Sie hat mir es ſtets wolgemeint. Jetzt hab ich gar keinen Ver- wandten mehr auf dieſer Welt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0354"n="344"/><p>Der Pfarrer hat ſich mehrmals an den Wald-<lb/>
herrn gewendet, auf daß den Kleinbauern hier, die<lb/>ſich den ſchlechten Boden mit vieler Mühe nutzbar<lb/>
gemacht haben, dieſer Boden gegen Entgeld zu eigen<lb/>
überlaſſen werden möge. Es iſt aber kein Beſcheid<lb/>
zurückgekommen. Es heißt, der alte Herr ſei auf<lb/>
Reiſen und der junge in der Hauptſtadt, und die<lb/>
Welt ſei zu weit und die Hauptſtadt zu laut, als daß<lb/>ſo ein Wort aus dem Walde gehört werden könne.</p><lb/><p>Wir Winkelſteger bleiben denn Lehensleute.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><date><hirendition="#et">Am 14. des Eismonats 1831.</hi></date></p><lb/><p>Heute habe ich die Nachricht von dem Tode<lb/>
meiner Baſe, der Muhme-Lies, erhalten. Sie hat<lb/>
mich zu ihrem Erben eingeſetzt. Alte Jugend-<lb/>
bekannte, die ſich ſeit zwanzig Jahren nicht mehr<lb/>
um mich gekümmert haben, beglückwünſchen mich<lb/>
zur Erbſchaft. Ich weiß aber noch nichts Näheres.<lb/>
Wie viel kann die alte Frau denn beſeſſen haben?<lb/>
Wol war ſie reich geweſen, hat aber Alles in<lb/>
Glücksſpielen verſetzt.</p><lb/><p>Und wenn nur Ein Groſchen iſt, und wenn<lb/>
gar nichts iſt — bei meiner Seel’, ſo freut es<lb/>
mich doch, daß ſie meiner gedacht hat. Sie hat mir<lb/>
es ſtets wolgemeint. Jetzt hab ich gar keinen Ver-<lb/>
wandten mehr auf dieſer Welt.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[344/0354]
Der Pfarrer hat ſich mehrmals an den Wald-
herrn gewendet, auf daß den Kleinbauern hier, die
ſich den ſchlechten Boden mit vieler Mühe nutzbar
gemacht haben, dieſer Boden gegen Entgeld zu eigen
überlaſſen werden möge. Es iſt aber kein Beſcheid
zurückgekommen. Es heißt, der alte Herr ſei auf
Reiſen und der junge in der Hauptſtadt, und die
Welt ſei zu weit und die Hauptſtadt zu laut, als daß
ſo ein Wort aus dem Walde gehört werden könne.
Wir Winkelſteger bleiben denn Lehensleute.
Am 14. des Eismonats 1831.
Heute habe ich die Nachricht von dem Tode
meiner Baſe, der Muhme-Lies, erhalten. Sie hat
mich zu ihrem Erben eingeſetzt. Alte Jugend-
bekannte, die ſich ſeit zwanzig Jahren nicht mehr
um mich gekümmert haben, beglückwünſchen mich
zur Erbſchaft. Ich weiß aber noch nichts Näheres.
Wie viel kann die alte Frau denn beſeſſen haben?
Wol war ſie reich geweſen, hat aber Alles in
Glücksſpielen verſetzt.
Und wenn nur Ein Groſchen iſt, und wenn
gar nichts iſt — bei meiner Seel’, ſo freut es
mich doch, daß ſie meiner gedacht hat. Sie hat mir
es ſtets wolgemeint. Jetzt hab ich gar keinen Ver-
wandten mehr auf dieſer Welt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/354>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.