Weiber bauschige Sammtspenser und wunderspaß- hafte Drahthauben mit Vergoldung und Bänder- werk. Das ist keine Kleidung mehr, wie sie im Walde wächst. Sonst haben sie die Leinwand von ihren Flachsäckern, den Loden von ihren Schafen, das Schuhleder von ihren Rindern, die Felle und Pelze von ihrem Wildstande getragen; heute strei- chen Hausirer in den Winkelwäldern um, schleppen werthvolle Rohstoffe fort und lassen Prunk und Flitter dafür da. "Aus Spaß" haben die Leute anfangs die neuen unzweckmäßigen Dinge genommen, heute haben sie sich hineingelebt und die Sach' ist zum Bedürfniß geworden.
Die Jungen sind wol weit vielseitiger, als die Alten, aber auch weit anspruchsvoller; auch haben sie mir zu wenig Sinn und Ehrfurcht für das Alte, aus dem sie hervorgegangen sind. Nur den Tabak rauchen sie, und den Branntwein trinken sie noch, wie es die Alten haben gethan.
Was kann der alte Schulmeister allein machen? Ach, lebte der alte Pfarrer noch!
Der kleine Reiter Peter, mein Pathenkind, ist ein ganz holder Junge; aber es ist ein großes Unglück mit ihm geschehen, er hat durch einen Fall aus dem Bette die Stimme verloren.
Weiber bauſchige Sammtſpenſer und wunderſpaß- hafte Drahthauben mit Vergoldung und Bänder- werk. Das iſt keine Kleidung mehr, wie ſie im Walde wächſt. Sonſt haben ſie die Leinwand von ihren Flachsäckern, den Loden von ihren Schafen, das Schuhleder von ihren Rindern, die Felle und Pelze von ihrem Wildſtande getragen; heute ſtrei- chen Hauſirer in den Winkelwäldern um, ſchleppen werthvolle Rohſtoffe fort und laſſen Prunk und Flitter dafür da. „Aus Spaß“ haben die Leute anfangs die neuen unzweckmäßigen Dinge genommen, heute haben ſie ſich hineingelebt und die Sach’ iſt zum Bedürfniß geworden.
Die Jungen ſind wol weit vielſeitiger, als die Alten, aber auch weit anſpruchsvoller; auch haben ſie mir zu wenig Sinn und Ehrfurcht für das Alte, aus dem ſie hervorgegangen ſind. Nur den Tabak rauchen ſie, und den Branntwein trinken ſie noch, wie es die Alten haben gethan.
Was kann der alte Schulmeiſter allein machen? Ach, lebte der alte Pfarrer noch!
Der kleine Reiter Peter, mein Pathenkind, iſt ein ganz holder Junge; aber es iſt ein großes Unglück mit ihm geſchehen, er hat durch einen Fall aus dem Bette die Stimme verloren.
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Weiber bauſchige Sammtſpenſer und wunderſpaß-
hafte Drahthauben mit Vergoldung und Bänder-
werk. Das iſt keine Kleidung mehr, wie ſie im
Walde wächſt. Sonſt haben ſie die Leinwand von
ihren Flachsäckern, den Loden von ihren Schafen,
das Schuhleder von ihren Rindern, die Felle und
Pelze von ihrem Wildſtande getragen; heute ſtrei-
chen Hauſirer in den Winkelwäldern um, ſchleppen
werthvolle Rohſtoffe fort und laſſen Prunk und
Flitter dafür da. „Aus Spaß“ haben die Leute
anfangs die neuen unzweckmäßigen Dinge genommen,
heute haben ſie ſich hineingelebt und die Sach’ iſt
zum Bedürfniß geworden.
Die Jungen ſind wol weit vielſeitiger, als die
Alten, aber auch weit anſpruchsvoller; auch haben
ſie mir zu wenig Sinn und Ehrfurcht für das
Alte, aus dem ſie hervorgegangen ſind. Nur den
Tabak rauchen ſie, und den Branntwein trinken ſie
noch, wie es die Alten haben gethan.
Was kann der alte Schulmeiſter allein machen?
Ach, lebte der alte Pfarrer noch!
Der kleine Reiter Peter, mein Pathenkind, iſt
ein ganz holder Junge; aber es iſt ein großes
Unglück mit ihm geſchehen, er hat durch einen Fall
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/425>, abgerufen am 21.11.2024.
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