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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Ich mag unter dem Schachen sitzen, so lange
ich will, kein Mensch ruft mich.

Wenn die Todten nur nicht gar so fest schliefen!



Ich bin ein alter Späher. Meine Augen sind
krank und müd' und gucken doch zuweilen was aus.

Durch den Bretterzaun habe ich es gesehen,
wie der Reiter Peter das Schirmtannermädchen an
der Hand gefaßt und nicht mehr lassen hat wollen.
Durch tausend Geberden hat er ihr was erzählt,
das Blut ist ihm in die Wangen gestiegen, aber das
Mädchen hat fortweg gesagt: "Nein, Peter, nein."

Da hat der Junge jählings die Geige bei der
Hand und spielt der Rosa ein Stück vor, das ich
ihm nicht gelehrt hab. Wundersam ist es gewesen,
wie ich es meiner Tag nimmer hätt' gemeint, daß
der Peter spielen könnt'.

Ja, und so lang hat er's getrieben, bis ihm
die Rosa ist an den Hals gefallen: "Hör' auf,
mir thut's bitterlich weh! Peter, ich hab' dich
ja gern!"

's ist ein Gescherr mit den jungen Leuten.
Hat so ein Bursch' keine Stimm' zum Schwätzen,
so hebt er seine Liebschaften gar mit der Geige an.



Ich mag unter dem Schachen ſitzen, ſo lange
ich will, kein Menſch ruft mich.

Wenn die Todten nur nicht gar ſo feſt ſchliefen!



Ich bin ein alter Späher. Meine Augen ſind
krank und müd’ und gucken doch zuweilen was aus.

Durch den Bretterzaun habe ich es geſehen,
wie der Reiter Peter das Schirmtannermädchen an
der Hand gefaßt und nicht mehr laſſen hat wollen.
Durch tauſend Geberden hat er ihr was erzählt,
das Blut iſt ihm in die Wangen geſtiegen, aber das
Mädchen hat fortweg geſagt: „Nein, Peter, nein.“

Da hat der Junge jählings die Geige bei der
Hand und ſpielt der Roſa ein Stück vor, das ich
ihm nicht gelehrt hab. Wunderſam iſt es geweſen,
wie ich es meiner Tag nimmer hätt’ gemeint, daß
der Peter ſpielen könnt’.

Ja, und ſo lang hat er’s getrieben, bis ihm
die Roſa iſt an den Hals gefallen: „Hör’ auf,
mir thut’s bitterlich weh! Peter, ich hab’ dich
ja gern!“

’s iſt ein Geſcherr mit den jungen Leuten.
Hat ſo ein Burſch’ keine Stimm’ zum Schwätzen,
ſo hebt er ſeine Liebſchaften gar mit der Geige an.



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[427/0437] Ich mag unter dem Schachen ſitzen, ſo lange ich will, kein Menſch ruft mich. Wenn die Todten nur nicht gar ſo feſt ſchliefen! Ich bin ein alter Späher. Meine Augen ſind krank und müd’ und gucken doch zuweilen was aus. Durch den Bretterzaun habe ich es geſehen, wie der Reiter Peter das Schirmtannermädchen an der Hand gefaßt und nicht mehr laſſen hat wollen. Durch tauſend Geberden hat er ihr was erzählt, das Blut iſt ihm in die Wangen geſtiegen, aber das Mädchen hat fortweg geſagt: „Nein, Peter, nein.“ Da hat der Junge jählings die Geige bei der Hand und ſpielt der Roſa ein Stück vor, das ich ihm nicht gelehrt hab. Wunderſam iſt es geweſen, wie ich es meiner Tag nimmer hätt’ gemeint, daß der Peter ſpielen könnt’. Ja, und ſo lang hat er’s getrieben, bis ihm die Roſa iſt an den Hals gefallen: „Hör’ auf, mir thut’s bitterlich weh! Peter, ich hab’ dich ja gern!“ ’s iſt ein Geſcherr mit den jungen Leuten. Hat ſo ein Burſch’ keine Stimm’ zum Schwätzen, ſo hebt er ſeine Liebſchaften gar mit der Geige an.

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/437>, abgerufen am 21.11.2024.