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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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under werde ich, wie viele andere meiner Lands-
leute, frei. Viele Andere haben der Heimat zuge-
strebt. Ich weiß von einer Heimat nichts; darf
nichts wissen. Blutarme Narren, wie ich einer bin,
sind in der Heimat übler daran, als anderswo.
Und als Empörer, der ich nun bin, kehre ich schon
gar nicht heim. Ich will das arge Fehl sühnen,
daß ich gegen den großen Feldherrn rechtlos die
Waffen geführt, ich will mit seinen Schaaren zie-
hen, um die Völker des Morgenlandes befreien
und der Hut des Abendlandes unterordnen zu
helfen. -- Ein großes Ziel, Andreas, aber ein
weiter Weg! Die Deutschen haben uns den Weg
schwer gemacht, aber der Feldherr ist wie ein Blitz
hingefahren in die zerrissenen Völkerfetzen, die kei-
nen großen Gedanken gehabt und keine große That.
Und das Heer der Russen haben wir vor uns hin-
geschoben über die wilden Steppen und endlosen
Schneeheiden, viele Wochen lang. Aber zu Moskau
hat der Russe den Feuerbrand geschleudert zwischen
sich und uns, mitten in seine eigene Hauptstadt
hinein. -- Jetztund stehen wir zutiefst im Lande
des ewigen Winters, und sind ohne Halt und
Stätte und Mittel. Mensch und Schöpfung allmit-
sammt ist unser Feind gewesen. Da hat's der
Feldherr gesehen, es geht bös' in die Brüch', und
wir haben uns zur Umkehr gewendet. -- O, die

under werde ich, wie viele andere meiner Lands-
leute, frei. Viele Andere haben der Heimat zuge-
ſtrebt. Ich weiß von einer Heimat nichts; darf
nichts wiſſen. Blutarme Narren, wie ich einer bin,
ſind in der Heimat übler daran, als anderswo.
Und als Empörer, der ich nun bin, kehre ich ſchon
gar nicht heim. Ich will das arge Fehl ſühnen,
daß ich gegen den großen Feldherrn rechtlos die
Waffen geführt, ich will mit ſeinen Schaaren zie-
hen, um die Völker des Morgenlandes befreien
und der Hut des Abendlandes unterordnen zu
helfen. — Ein großes Ziel, Andreas, aber ein
weiter Weg! Die Deutſchen haben uns den Weg
ſchwer gemacht, aber der Feldherr iſt wie ein Blitz
hingefahren in die zerriſſenen Völkerfetzen, die kei-
nen großen Gedanken gehabt und keine große That.
Und das Heer der Ruſſen haben wir vor uns hin-
geſchoben über die wilden Steppen und endloſen
Schneeheiden, viele Wochen lang. Aber zu Moskau
hat der Ruſſe den Feuerbrand geſchleudert zwiſchen
ſich und uns, mitten in ſeine eigene Hauptſtadt
hinein. — Jetztund ſtehen wir zutiefſt im Lande
des ewigen Winters, und ſind ohne Halt und
Stätte und Mittel. Menſch und Schöpfung allmit-
ſammt iſt unſer Feind geweſen. Da hat’s der
Feldherr geſehen, es geht böſ’ in die Brüch’, und
wir haben uns zur Umkehr gewendet. — O, die

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[54/0064] under werde ich, wie viele andere meiner Lands- leute, frei. Viele Andere haben der Heimat zuge- ſtrebt. Ich weiß von einer Heimat nichts; darf nichts wiſſen. Blutarme Narren, wie ich einer bin, ſind in der Heimat übler daran, als anderswo. Und als Empörer, der ich nun bin, kehre ich ſchon gar nicht heim. Ich will das arge Fehl ſühnen, daß ich gegen den großen Feldherrn rechtlos die Waffen geführt, ich will mit ſeinen Schaaren zie- hen, um die Völker des Morgenlandes befreien und der Hut des Abendlandes unterordnen zu helfen. — Ein großes Ziel, Andreas, aber ein weiter Weg! Die Deutſchen haben uns den Weg ſchwer gemacht, aber der Feldherr iſt wie ein Blitz hingefahren in die zerriſſenen Völkerfetzen, die kei- nen großen Gedanken gehabt und keine große That. Und das Heer der Ruſſen haben wir vor uns hin- geſchoben über die wilden Steppen und endloſen Schneeheiden, viele Wochen lang. Aber zu Moskau hat der Ruſſe den Feuerbrand geſchleudert zwiſchen ſich und uns, mitten in ſeine eigene Hauptſtadt hinein. — Jetztund ſtehen wir zutiefſt im Lande des ewigen Winters, und ſind ohne Halt und Stätte und Mittel. Menſch und Schöpfung allmit- ſammt iſt unſer Feind geweſen. Da hat’s der Feldherr geſehen, es geht böſ’ in die Brüch’, und wir haben uns zur Umkehr gewendet. — O, die

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/64>, abgerufen am 27.11.2024.