Herr von Schrankenheim steht vor mir, der Vater meines einstigen Zöglings.
Ich bin mit ihm zwischen den Hügeln auf und ab gegangen, hab' ihm Alles erzählt. Mit nassen Augen drückt mir der Mann Geld in die Hand: "Da, schaffen Sie sich zu essen und Klei- der und kommen Sie dann in mein Haus. -- Einsiedler werden, pah, das ist kein Gedanke für einen jungen, braven Burschen. Ihre Kleinmut müssen Sie überwinden, ein Weiteres wird sich geben."
Mit großer Angst bin ich in sein Haus ge- gangen; denn die eine Narrheit hab ich noch nicht überwunden gehabt.
Der Herr von Schrankenheim hat mich sei- nem Sohne vorgestellt. Ei, das ist schon ein recht hochgewachsener, zierlicher Herr geworden. Die Hände am Rücken hat er eine stille Verbeugung vor mir gemacht und nach kurzer Weile noch eine, und ist abgetreten. Hierauf hat mich der Vater in sein Arbeitsgemach geführt, hat mich auf den weichsten Sessel niedersitzen geheißen.
"Erdmann," hebt er nachher an zu reden, "ist es Ihr wahrhaftiger Ernst, daß Sie in die Wildniß gehen und Einsiedler werden wollen?"
"Das ist für mich das Beste," antworte ich, "ich tauge nicht unter die Menschen, die in Lust und Freuden leben; mich haben die wenigen Jahre
Herr von Schrankenheim ſteht vor mir, der Vater meines einſtigen Zöglings.
Ich bin mit ihm zwiſchen den Hügeln auf und ab gegangen, hab’ ihm Alles erzählt. Mit naſſen Augen drückt mir der Mann Geld in die Hand: „Da, ſchaffen Sie ſich zu eſſen und Klei- der und kommen Sie dann in mein Haus. — Einſiedler werden, pah, das iſt kein Gedanke für einen jungen, braven Burſchen. Ihre Kleinmut müſſen Sie überwinden, ein Weiteres wird ſich geben.“
Mit großer Angſt bin ich in ſein Haus ge- gangen; denn die eine Narrheit hab ich noch nicht überwunden gehabt.
Der Herr von Schrankenheim hat mich ſei- nem Sohne vorgeſtellt. Ei, das iſt ſchon ein recht hochgewachſener, zierlicher Herr geworden. Die Hände am Rücken hat er eine ſtille Verbeugung vor mir gemacht und nach kurzer Weile noch eine, und iſt abgetreten. Hierauf hat mich der Vater in ſein Arbeitsgemach geführt, hat mich auf den weichſten Seſſel niederſitzen geheißen.
„Erdmann,“ hebt er nachher an zu reden, „iſt es Ihr wahrhaftiger Ernſt, daß Sie in die Wildniß gehen und Einſiedler werden wollen?“
„Das iſt für mich das Beſte,“ antworte ich, „ich tauge nicht unter die Menſchen, die in Luſt und Freuden leben; mich haben die wenigen Jahre
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Herr von Schrankenheim ſteht vor mir, der
Vater meines einſtigen Zöglings.
Ich bin mit ihm zwiſchen den Hügeln auf
und ab gegangen, hab’ ihm Alles erzählt. Mit
naſſen Augen drückt mir der Mann Geld in die
Hand: „Da, ſchaffen Sie ſich zu eſſen und Klei-
der und kommen Sie dann in mein Haus. —
Einſiedler werden, pah, das iſt kein Gedanke für
einen jungen, braven Burſchen. Ihre Kleinmut
müſſen Sie überwinden, ein Weiteres wird ſich geben.“
Mit großer Angſt bin ich in ſein Haus ge-
gangen; denn die eine Narrheit hab ich noch nicht
überwunden gehabt.
Der Herr von Schrankenheim hat mich ſei-
nem Sohne vorgeſtellt. Ei, das iſt ſchon ein recht
hochgewachſener, zierlicher Herr geworden. Die Hände
am Rücken hat er eine ſtille Verbeugung vor mir
gemacht und nach kurzer Weile noch eine, und iſt
abgetreten. Hierauf hat mich der Vater in ſein
Arbeitsgemach geführt, hat mich auf den weichſten
Seſſel niederſitzen geheißen.
„Erdmann,“ hebt er nachher an zu reden,
„iſt es Ihr wahrhaftiger Ernſt, daß Sie in die
Wildniß gehen und Einſiedler werden wollen?“
„Das iſt für mich das Beſte,“ antworte ich,
„ich tauge nicht unter die Menſchen, die in Luſt
und Freuden leben; mich haben die wenigen Jahre
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/70>, abgerufen am 23.11.2024.
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