Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

meiner Jugend herumgeworfen in Irren und Wir-
ren, von einem Land in das andere, und in der
Völker Noth. Herr, ich kenne die Welt und ich
bin ihrer satt."

"Sie sind kaum an die vierundzwanzig
Jahre und noch nicht auf der Höhe Ihrer Kraft;
und Sie wollen verzichten auf die Dienste, die Sie
den Mitmenschen würden leisten können?"

Da horche ich auf; das Wort faßt mich an.

"Wenn Sie meinen, Sie haben bislang nur
Uebles gestiftet, warum wollen Sie sich aus dem
Staube machen, ohne der Welt, dem Gemeinsamen
auch das Gute zu geben, das gewiß in reichem
Maße in Ihnen schlummert?"

Da erhebe ich mich von meinem Sitze:
"Herr, so weisen Sie mir die Wege dazu!"

"Wohlan," sagt der Herr von Schranken-
heim, "vielleicht kann ich es, wenn Sie wieder
Platz nehmen und mich anhören wollen. --
Erdmann, ich wüßte eine tiefe und wahrhaftige
Einsiedelei, in welcher man den Menschen dienen
und vielleicht Großes für das Gemeinsame wirken
könnte. Weit von hier, tief drin in den Alpen,
dehnen sich zwischen Felsgebirgen große Waldun-
gen, in welchen Hirten, Schützen, Holzschläger,
Kohlenbrenner beschäftigt sind, in welchen auch
andere Menschen wohnen, wie sie sich etwa redlich

meiner Jugend herumgeworfen in Irren und Wir-
ren, von einem Land in das andere, und in der
Völker Noth. Herr, ich kenne die Welt und ich
bin ihrer ſatt.“

„Sie ſind kaum an die vierundzwanzig
Jahre und noch nicht auf der Höhe Ihrer Kraft;
und Sie wollen verzichten auf die Dienſte, die Sie
den Mitmenſchen würden leiſten können?“

Da horche ich auf; das Wort faßt mich an.

„Wenn Sie meinen, Sie haben bislang nur
Uebles geſtiftet, warum wollen Sie ſich aus dem
Staube machen, ohne der Welt, dem Gemeinſamen
auch das Gute zu geben, das gewiß in reichem
Maße in Ihnen ſchlummert?“

Da erhebe ich mich von meinem Sitze:
„Herr, ſo weiſen Sie mir die Wege dazu!“

„Wohlan,“ ſagt der Herr von Schranken-
heim, „vielleicht kann ich es, wenn Sie wieder
Platz nehmen und mich anhören wollen. —
Erdmann, ich wüßte eine tiefe und wahrhaftige
Einſiedelei, in welcher man den Menſchen dienen
und vielleicht Großes für das Gemeinſame wirken
könnte. Weit von hier, tief drin in den Alpen,
dehnen ſich zwiſchen Felsgebirgen große Waldun-
gen, in welchen Hirten, Schützen, Holzſchläger,
Kohlenbrenner beſchäftigt ſind, in welchen auch
andere Menſchen wohnen, wie ſie ſich etwa redlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0071" n="61"/>
meiner Jugend herumgeworfen in Irren und Wir-<lb/>
ren, von einem Land in das andere, und in der<lb/>
Völker Noth. Herr, ich kenne die Welt und ich<lb/>
bin ihrer &#x017F;att.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie &#x017F;ind kaum an die vierundzwanzig<lb/>
Jahre und noch nicht auf der Höhe Ihrer Kraft;<lb/>
und Sie wollen verzichten auf die Dien&#x017F;te, die Sie<lb/>
den Mitmen&#x017F;chen würden lei&#x017F;ten können?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Da horche ich auf; das Wort faßt mich an.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn Sie meinen, Sie haben bislang nur<lb/>
Uebles ge&#x017F;tiftet, warum wollen Sie &#x017F;ich aus dem<lb/>
Staube machen, ohne der Welt, dem Gemein&#x017F;amen<lb/>
auch das Gute zu geben, das gewiß in reichem<lb/>
Maße in Ihnen &#x017F;chlummert?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Da erhebe ich mich von meinem Sitze:<lb/>
&#x201E;Herr, &#x017F;o wei&#x017F;en Sie mir die Wege dazu!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wohlan,&#x201C; &#x017F;agt der Herr von Schranken-<lb/>
heim, <choice><sic>vielleicht &#x201E;kann</sic><corr>&#x201E;vielleicht kann</corr></choice> ich es, wenn Sie wieder<lb/>
Platz nehmen und mich anhören wollen. &#x2014;<lb/>
Erdmann, ich wüßte eine tiefe und wahrhaftige<lb/>
Ein&#x017F;iedelei, in welcher man den Men&#x017F;chen dienen<lb/>
und vielleicht Großes für das Gemein&#x017F;ame wirken<lb/>
könnte. Weit von hier, tief drin in den Alpen,<lb/>
dehnen &#x017F;ich zwi&#x017F;chen Felsgebirgen große Waldun-<lb/>
gen, in welchen Hirten, Schützen, Holz&#x017F;chläger,<lb/>
Kohlenbrenner be&#x017F;chäftigt &#x017F;ind, in welchen auch<lb/>
andere Men&#x017F;chen wohnen, wie &#x017F;ie &#x017F;ich etwa redlich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0071] meiner Jugend herumgeworfen in Irren und Wir- ren, von einem Land in das andere, und in der Völker Noth. Herr, ich kenne die Welt und ich bin ihrer ſatt.“ „Sie ſind kaum an die vierundzwanzig Jahre und noch nicht auf der Höhe Ihrer Kraft; und Sie wollen verzichten auf die Dienſte, die Sie den Mitmenſchen würden leiſten können?“ Da horche ich auf; das Wort faßt mich an. „Wenn Sie meinen, Sie haben bislang nur Uebles geſtiftet, warum wollen Sie ſich aus dem Staube machen, ohne der Welt, dem Gemeinſamen auch das Gute zu geben, das gewiß in reichem Maße in Ihnen ſchlummert?“ Da erhebe ich mich von meinem Sitze: „Herr, ſo weiſen Sie mir die Wege dazu!“ „Wohlan,“ ſagt der Herr von Schranken- heim, „vielleicht kann ich es, wenn Sie wieder Platz nehmen und mich anhören wollen. — Erdmann, ich wüßte eine tiefe und wahrhaftige Einſiedelei, in welcher man den Menſchen dienen und vielleicht Großes für das Gemeinſame wirken könnte. Weit von hier, tief drin in den Alpen, dehnen ſich zwiſchen Felsgebirgen große Waldun- gen, in welchen Hirten, Schützen, Holzſchläger, Kohlenbrenner beſchäftigt ſind, in welchen auch andere Menſchen wohnen, wie ſie ſich etwa redlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/71
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/71>, abgerufen am 15.05.2024.