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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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in uns aufkommt, eine mißrathene Tragödie vor uns zu
haben.

Ist der Widerspruch schon seinem Inhalt nach nicht
idealer Natur und fühlt das in ihm befangene Subject ihn
nicht als Widerspruch, sondern erscheint es vielmehr in ihm
vollkommen befriedigt, so ist eine solche Disharmonie komisch.
Erinnern wir uns z. B. des Strepsiades aus den Aristo¬
phanischen Wolken
, so will dieser ehrsame Athenienser
bei Sokrates Philosophie studiren. Doch wozu? Um sich
seine Gläubiger sophistisch vom Halse zu schaffen. Dieser
Zweck, den er der Philosophie setzt, widerspricht ihrem
Wesen. Wird sie aber so genommen, so ist das eben komisch.
Strepsiades befindet sich daher auch in der Ehrlichkeit seines
Zutrauens zur Philosophie, ihn von seinen Schulden zu
emancipiren, zunächst ganz gemüthlich, bis der Sohn ihn
übersophistet und ihm dialektisch sein Recht beweist, ihn schla¬
gen zu dürfen.


in uns aufkommt, eine mißrathene Tragödie vor uns zu
haben.

Iſt der Widerſpruch ſchon ſeinem Inhalt nach nicht
idealer Natur und fühlt das in ihm befangene Subject ihn
nicht als Widerſpruch, ſondern erſcheint es vielmehr in ihm
vollkommen befriedigt, ſo iſt eine ſolche Disharmonie komiſch.
Erinnern wir uns z. B. des Strepſiades aus den Ariſto¬
phaniſchen Wolken
, ſo will dieſer ehrſame Athenienſer
bei Sokrates Philoſophie ſtudiren. Doch wozu? Um ſich
ſeine Gläubiger ſophiſtiſch vom Halſe zu ſchaffen. Dieſer
Zweck, den er der Philoſophie ſetzt, widerſpricht ihrem
Weſen. Wird ſie aber ſo genommen, ſo iſt das eben komiſch.
Strepſiades befindet ſich daher auch in der Ehrlichkeit ſeines
Zutrauens zur Philoſophie, ihn von ſeinen Schulden zu
emancipiren, zunächſt ganz gemüthlich, bis der Sohn ihn
überſophiſtet und ihm dialektiſch ſein Recht beweiſt, ihn ſchla¬
gen zu dürfen.


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[114/0136] in uns aufkommt, eine mißrathene Tragödie vor uns zu haben. Iſt der Widerſpruch ſchon ſeinem Inhalt nach nicht idealer Natur und fühlt das in ihm befangene Subject ihn nicht als Widerſpruch, ſondern erſcheint es vielmehr in ihm vollkommen befriedigt, ſo iſt eine ſolche Disharmonie komiſch. Erinnern wir uns z. B. des Strepſiades aus den Ariſto¬ phaniſchen Wolken, ſo will dieſer ehrſame Athenienſer bei Sokrates Philoſophie ſtudiren. Doch wozu? Um ſich ſeine Gläubiger ſophiſtiſch vom Halſe zu ſchaffen. Dieſer Zweck, den er der Philoſophie ſetzt, widerſpricht ihrem Weſen. Wird ſie aber ſo genommen, ſo iſt das eben komiſch. Strepſiades befindet ſich daher auch in der Ehrlichkeit ſeines Zutrauens zur Philoſophie, ihn von ſeinen Schulden zu emancipiren, zunächſt ganz gemüthlich, bis der Sohn ihn überſophiſtet und ihm dialektiſch ſein Recht beweiſt, ihn ſchla¬ gen zu dürfen.

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/136>, abgerufen am 23.11.2024.