winnen, als jenen rohen, der die Jovialität des Liedes gar zu Deutsch beendet.
Das unabsichtliche Vermischen der Stylarten, das be¬ wußtlose Ueberspringen von einer in die andere wird häßlich; komisch wird es nur, wenn es mit Ironie parodistisch her¬ vorgebracht wird. Im siebzehnten und achtzehnten Jahr¬ hundert hat man an und in den Gothischen Kirchen und Rathhäusern viel Reparaturen, Ergänzungen, Umbauten in einem antikisirenden Styl gemacht, dessen heitere Schön¬ heit mit der Tendenz zum Erhabenen im Deutschen Styl gar nicht im Einklang war; ein Widerspruch, den man nur häßlich, nicht komisch finden kann, zumal die meisten dieser supplementarischen Bauten in sich selbst oft Monstra des Styles waren, den sie ausdrücken sollten. Wenn aber das Herunterfallen aus einer Tonart in die andere mit Absicht hervorgebracht wird, kann es ein Hauptmittel der Komik werden. Der große Napoleon erinnerte seine Krieger in Aegypten daran, daß vierzig Jahrhunderte von den Pyra¬ miden auf sie herabschaueten. Auf einem Bilde erbicken wir FaustinI., wie er seine halbnackte Garde im spärlichen Schatten einiger Palmen mit den Worten haranguirt: "Sol¬ daten! Von der Höhe dieser Palmen schauen -- vierzig Affen auf Euch herab!" Der feierliche Beginn der Rede wider¬ spricht sich durch ihren Ausgang -- aber komisch.
Die allgemeinen Gesetze des ästhetischen Ideals werden aber durch den nationalen Styl zu einer charakteristischen Besonderung individualisirt, welche aus der Race, aus dem Local, aus der Religion und aus der Hauptbeschäftigung entspringt, der ein Volk sich widmet. Je mehr der Genius einer Nation in Thaten sich ausdrückt, um so mehr geistiger Gehalt tritt in ihr Selbstgefühl und um so individueller kann
winnen, als jenen rohen, der die Jovialität des Liedes gar zu Deutſch beendet.
Das unabſichtliche Vermiſchen der Stylarten, das be¬ wußtloſe Ueberſpringen von einer in die andere wird häßlich; komiſch wird es nur, wenn es mit Ironie parodiſtiſch her¬ vorgebracht wird. Im ſiebzehnten und achtzehnten Jahr¬ hundert hat man an und in den Gothiſchen Kirchen und Rathhäuſern viel Reparaturen, Ergänzungen, Umbauten in einem antikiſirenden Styl gemacht, deſſen heitere Schön¬ heit mit der Tendenz zum Erhabenen im Deutſchen Styl gar nicht im Einklang war; ein Widerſpruch, den man nur häßlich, nicht komiſch finden kann, zumal die meiſten dieſer ſupplementariſchen Bauten in ſich ſelbſt oft Monſtra des Styles waren, den ſie ausdrücken ſollten. Wenn aber das Herunterfallen aus einer Tonart in die andere mit Abſicht hervorgebracht wird, kann es ein Hauptmittel der Komik werden. Der große Napoleon erinnerte ſeine Krieger in Aegypten daran, daß vierzig Jahrhunderte von den Pyra¬ miden auf ſie herabſchaueten. Auf einem Bilde erbicken wir FauſtinI., wie er ſeine halbnackte Garde im ſpärlichen Schatten einiger Palmen mit den Worten haranguirt: „Sol¬ daten! Von der Höhe dieſer Palmen ſchauen — vierzig Affen auf Euch herab!“ Der feierliche Beginn der Rede wider¬ ſpricht ſich durch ihren Ausgang — aber komiſch.
Die allgemeinen Geſetze des äſthetiſchen Ideals werden aber durch den nationalen Styl zu einer charakteriſtiſchen Beſonderung individualiſirt, welche aus der Raçe, aus dem Local, aus der Religion und aus der Hauptbeſchäftigung entſpringt, der ein Volk ſich widmet. Je mehr der Genius einer Nation in Thaten ſich ausdrückt, um ſo mehr geiſtiger Gehalt tritt in ihr Selbſtgefühl und um ſo individueller kann
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0163"n="141"/>
winnen, als jenen rohen, der die Jovialität des Liedes gar<lb/>
zu Deutſch beendet.</p><lb/><p>Das unabſichtliche Vermiſchen der Stylarten, das be¬<lb/>
wußtloſe Ueberſpringen von einer in die andere wird häßlich;<lb/>
komiſch wird es nur, wenn es mit Ironie parodiſtiſch her¬<lb/>
vorgebracht wird. Im ſiebzehnten und achtzehnten Jahr¬<lb/>
hundert hat man an und in den Gothiſchen Kirchen und<lb/>
Rathhäuſern viel Reparaturen, Ergänzungen, Umbauten in<lb/>
einem antikiſirenden Styl gemacht, deſſen heitere Schön¬<lb/>
heit mit der Tendenz zum Erhabenen im Deutſchen Styl gar<lb/>
nicht im Einklang war; ein Widerſpruch, den man nur<lb/>
häßlich, nicht komiſch finden kann, zumal die meiſten dieſer<lb/>ſupplementariſchen Bauten in ſich ſelbſt oft Monſtra des<lb/>
Styles waren, den ſie ausdrücken ſollten. Wenn aber das<lb/>
Herunterfallen aus einer Tonart in die andere mit Abſicht<lb/>
hervorgebracht wird, kann es ein Hauptmittel der Komik<lb/>
werden. Der große Napoleon erinnerte ſeine Krieger in<lb/>
Aegypten daran, daß vierzig Jahrhunderte von den Pyra¬<lb/>
miden auf ſie herabſchaueten. Auf einem Bilde erbicken wir<lb/><hirendition="#g">Fauſtin</hi><hirendition="#aq">I</hi>., wie er ſeine halbnackte Garde im ſpärlichen<lb/>
Schatten einiger Palmen mit den Worten haranguirt: „Sol¬<lb/>
daten! Von der Höhe dieſer Palmen ſchauen — vierzig Affen<lb/>
auf Euch herab!“ Der feierliche Beginn der Rede wider¬<lb/>ſpricht ſich durch ihren Ausgang — aber komiſch.</p><lb/><p>Die allgemeinen Geſetze des äſthetiſchen Ideals werden<lb/>
aber durch den <hirendition="#g">nationalen</hi> Styl zu einer charakteriſtiſchen<lb/>
Beſonderung individualiſirt, welche aus der Ra<hirendition="#aq">ç</hi>e, aus dem<lb/>
Local, aus der Religion und aus der Hauptbeſchäftigung<lb/>
entſpringt, der ein Volk ſich widmet. Je mehr der Genius<lb/>
einer Nation in Thaten ſich ausdrückt, um ſo mehr geiſtiger<lb/>
Gehalt tritt in ihr Selbſtgefühl und um ſo individueller kann<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[141/0163]
winnen, als jenen rohen, der die Jovialität des Liedes gar
zu Deutſch beendet.
Das unabſichtliche Vermiſchen der Stylarten, das be¬
wußtloſe Ueberſpringen von einer in die andere wird häßlich;
komiſch wird es nur, wenn es mit Ironie parodiſtiſch her¬
vorgebracht wird. Im ſiebzehnten und achtzehnten Jahr¬
hundert hat man an und in den Gothiſchen Kirchen und
Rathhäuſern viel Reparaturen, Ergänzungen, Umbauten in
einem antikiſirenden Styl gemacht, deſſen heitere Schön¬
heit mit der Tendenz zum Erhabenen im Deutſchen Styl gar
nicht im Einklang war; ein Widerſpruch, den man nur
häßlich, nicht komiſch finden kann, zumal die meiſten dieſer
ſupplementariſchen Bauten in ſich ſelbſt oft Monſtra des
Styles waren, den ſie ausdrücken ſollten. Wenn aber das
Herunterfallen aus einer Tonart in die andere mit Abſicht
hervorgebracht wird, kann es ein Hauptmittel der Komik
werden. Der große Napoleon erinnerte ſeine Krieger in
Aegypten daran, daß vierzig Jahrhunderte von den Pyra¬
miden auf ſie herabſchaueten. Auf einem Bilde erbicken wir
Fauſtin I., wie er ſeine halbnackte Garde im ſpärlichen
Schatten einiger Palmen mit den Worten haranguirt: „Sol¬
daten! Von der Höhe dieſer Palmen ſchauen — vierzig Affen
auf Euch herab!“ Der feierliche Beginn der Rede wider¬
ſpricht ſich durch ihren Ausgang — aber komiſch.
Die allgemeinen Geſetze des äſthetiſchen Ideals werden
aber durch den nationalen Styl zu einer charakteriſtiſchen
Beſonderung individualiſirt, welche aus der Raçe, aus dem
Local, aus der Religion und aus der Hauptbeſchäftigung
entſpringt, der ein Volk ſich widmet. Je mehr der Genius
einer Nation in Thaten ſich ausdrückt, um ſo mehr geiſtiger
Gehalt tritt in ihr Selbſtgefühl und um ſo individueller kann
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/163>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.