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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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hierüber im Allgemeinen etwas ein für alle mal festzusetzen;
für ein bestimmtes Urtheil, ob die Malerei ihre Grenzen
schon überschreitet oder nicht, wird man sich an den concreten
Fall halten müssen. Das schlechthin Innerliche, Lyrische,
wohl gar Intellectuelle, hört auf, malerisch zu sein; die
Malerei muß das Subjective in eine Situation verlegen,
um es malerisch zu machen. Ein Pariser Maler, de Le¬
mud
, malt uns einen Maler, der düster blickend auf einer
Bank vor einer Kruke sitzt, die neben Pinseln und anderm Ge¬
räth auf einer Erhöhung sich befindet; neben ihm steht mit
ermuthigender Gebärde, einen Schlüssel in der Hand, ein
ältliches Frauenzimmer; beide in mittelaltrigem Costüm. Was
in aller Welt soll dies Bild? Ohne die Inspiration des
Katalogs würden wir es nimmer errathen. Es soll Johann
von Eyck und seine Schwester Margarethe darstellen, wie
sie die Oelmalerei nach vielem Kopfzerbrechen erfinden. Hätte
Herr de Leumud doch Lessing's Laokoon gelesen gehabt!
Die Erfindung oder vielmehr Entdeckung des Schießpulvers
kann man malen, denn man kann den Mönch B. Schwarz
darstellen, wie er vor dem explodirenden Mörser erschreckt
zurücktritt. Die Explosion macht hier die Scene klar; die
Entdeckung der Oelmalerei aber kann man nicht malen, nur
erzählen, wie die Schopenhauer es gethan hat.

Die Incorrectheit innerhalb der einzelnen Künste kann,
wie jede Bestimmung des Häßlichen, sofort in's Komische
gewandt werden, als sie vom Künstler mit Absicht geübt
wird. In der Architektur und Sculptur wird dies jedoch
wegen der Strenge und Einfachheit dieser Künste, in der
Musik wegen ihrer arithmetischen Grundlage wenig möglich
sein, mehr in der Malerei, am meisten in der Poesie. Da
die letztere durch die Sprache darstellt, so wird die Incor¬

hierüber im Allgemeinen etwas ein für alle mal feſtzuſetzen;
für ein beſtimmtes Urtheil, ob die Malerei ihre Grenzen
ſchon überſchreitet oder nicht, wird man ſich an den concreten
Fall halten müſſen. Das ſchlechthin Innerliche, Lyriſche,
wohl gar Intellectuelle, hört auf, maleriſch zu ſein; die
Malerei muß das Subjective in eine Situation verlegen,
um es maleriſch zu machen. Ein Pariſer Maler, de Le¬
mud
, malt uns einen Maler, der düſter blickend auf einer
Bank vor einer Kruke ſitzt, die neben Pinſeln und anderm Ge¬
räth auf einer Erhöhung ſich befindet; neben ihm ſteht mit
ermuthigender Gebärde, einen Schlüſſel in der Hand, ein
ältliches Frauenzimmer; beide in mittelaltrigem Coſtüm. Was
in aller Welt ſoll dies Bild? Ohne die Inſpiration des
Katalogs würden wir es nimmer errathen. Es ſoll Johann
von Eyck und ſeine Schweſter Margarethe darſtellen, wie
ſie die Oelmalerei nach vielem Kopfzerbrechen erfinden. Hätte
Herr de Leumud doch Leſſing's Laokoon geleſen gehabt!
Die Erfindung oder vielmehr Entdeckung des Schießpulvers
kann man malen, denn man kann den Mönch B. Schwarz
darſtellen, wie er vor dem explodirenden Mörſer erſchreckt
zurücktritt. Die Exploſion macht hier die Scene klar; die
Entdeckung der Oelmalerei aber kann man nicht malen, nur
erzählen, wie die Schopenhauer es gethan hat.

Die Incorrectheit innerhalb der einzelnen Künſte kann,
wie jede Beſtimmung des Häßlichen, ſofort in's Komiſche
gewandt werden, als ſie vom Künſtler mit Abſicht geübt
wird. In der Architektur und Sculptur wird dies jedoch
wegen der Strenge und Einfachheit dieſer Künſte, in der
Muſik wegen ihrer arithmetiſchen Grundlage wenig möglich
ſein, mehr in der Malerei, am meiſten in der Poeſie. Da
die letztere durch die Sprache darſtellt, ſo wird die Incor¬

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[160/0182] hierüber im Allgemeinen etwas ein für alle mal feſtzuſetzen; für ein beſtimmtes Urtheil, ob die Malerei ihre Grenzen ſchon überſchreitet oder nicht, wird man ſich an den concreten Fall halten müſſen. Das ſchlechthin Innerliche, Lyriſche, wohl gar Intellectuelle, hört auf, maleriſch zu ſein; die Malerei muß das Subjective in eine Situation verlegen, um es maleriſch zu machen. Ein Pariſer Maler, de Le¬ mud, malt uns einen Maler, der düſter blickend auf einer Bank vor einer Kruke ſitzt, die neben Pinſeln und anderm Ge¬ räth auf einer Erhöhung ſich befindet; neben ihm ſteht mit ermuthigender Gebärde, einen Schlüſſel in der Hand, ein ältliches Frauenzimmer; beide in mittelaltrigem Coſtüm. Was in aller Welt ſoll dies Bild? Ohne die Inſpiration des Katalogs würden wir es nimmer errathen. Es ſoll Johann von Eyck und ſeine Schweſter Margarethe darſtellen, wie ſie die Oelmalerei nach vielem Kopfzerbrechen erfinden. Hätte Herr de Leumud doch Leſſing's Laokoon geleſen gehabt! Die Erfindung oder vielmehr Entdeckung des Schießpulvers kann man malen, denn man kann den Mönch B. Schwarz darſtellen, wie er vor dem explodirenden Mörſer erſchreckt zurücktritt. Die Exploſion macht hier die Scene klar; die Entdeckung der Oelmalerei aber kann man nicht malen, nur erzählen, wie die Schopenhauer es gethan hat. Die Incorrectheit innerhalb der einzelnen Künſte kann, wie jede Beſtimmung des Häßlichen, ſofort in's Komiſche gewandt werden, als ſie vom Künſtler mit Abſicht geübt wird. In der Architektur und Sculptur wird dies jedoch wegen der Strenge und Einfachheit dieſer Künſte, in der Muſik wegen ihrer arithmetiſchen Grundlage wenig möglich ſein, mehr in der Malerei, am meiſten in der Poeſie. Da die letztere durch die Sprache darſtellt, ſo wird die Incor¬

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/182>, abgerufen am 21.11.2024.