werth in ihrer Thätigkeit; werden sie aber durch dieselbe verschönt?
Wir haben uns überzeugt, wie die Möglichkeit des Häßlichen zunächst darin liegt, daß die allgemeine Maa߬ bestimmtheit der Einheit, des Unterschiedes, der Harmonie verletzt wird; eine Negation, die als solche mit dem Gegen¬ satz von Natur und Geist, von Gutem und Bösem, noch nichts zu thun hat. -- Wir haben uns ferner überzeugt, wie das Häßliche dadurch entstehen kann, daß die besondere Formbestimmtheit, welche dem Natürlichen und Geistigen nothwendigerweise zukommt, negirt wird. Die Correctheit einer Erscheinung besteht in der ungehemmten Uebereinstim¬ mung des Einzelnen mit der Gattung, in der Vollstän¬ digkeit und Richtigkeit, mit welchen die Erscheinung ihrem Wesen entspricht. Wird diese Norm verletzt, so ergibt sich die Incorrectheit, eine Häßlichkeit, die viele Einschränkungen leidet, weil die bloße Richtigkeit sich der idealen Wahrheit unterzuordnen hat. -- Der letzte Grund der Schönheit näm¬ lich ist erst die Freiheit; dies Wort hier nicht blos in dem ausschließend ethischen, sondern in dem allgemeinen Sinn der Spontaneität genommen, die ihre absolute Vollendung freilich in der sittlichen Selbstbestimmung findet, die aber auch im Spiel des Lebens, im dynamischen und organischen Processe, ästhetisches Object wird. Einheit, Regelmäßigkeit, Symmetrie, Ordnung, Naturwahrheit, psychologische und historische Richtigkeit allein vermögen dem Begriff des Schönen noch nicht vollkommen zu genügen. Dies erfordert noch die Beseelung durch Selbstthätigkeit, durch ein ihm selber entströmendes Leben. Diese Selbstthätigkeit kann in ästhetischer Hinsicht, wie wir zugeben müssen, eine Wahrheit und in realer ein bloßer Schein sein. Die Aesthetik darf
werth in ihrer Thätigkeit; werden ſie aber durch dieſelbe verſchönt?
Wir haben uns überzeugt, wie die Möglichkeit des Häßlichen zunächſt darin liegt, daß die allgemeine Maa߬ beſtimmtheit der Einheit, des Unterſchiedes, der Harmonie verletzt wird; eine Negation, die als ſolche mit dem Gegen¬ ſatz von Natur und Geiſt, von Gutem und Böſem, noch nichts zu thun hat. — Wir haben uns ferner überzeugt, wie das Häßliche dadurch entſtehen kann, daß die beſondere Formbeſtimmtheit, welche dem Natürlichen und Geiſtigen nothwendigerweiſe zukommt, negirt wird. Die Correctheit einer Erſcheinung beſteht in der ungehemmten Uebereinſtim¬ mung des Einzelnen mit der Gattung, in der Vollſtän¬ digkeit und Richtigkeit, mit welchen die Erſcheinung ihrem Weſen entſpricht. Wird dieſe Norm verletzt, ſo ergibt ſich die Incorrectheit, eine Häßlichkeit, die viele Einſchränkungen leidet, weil die bloße Richtigkeit ſich der idealen Wahrheit unterzuordnen hat. — Der letzte Grund der Schönheit näm¬ lich iſt erſt die Freiheit; dies Wort hier nicht blos in dem ausſchließend ethiſchen, ſondern in dem allgemeinen Sinn der Spontaneität genommen, die ihre abſolute Vollendung freilich in der ſittlichen Selbſtbeſtimmung findet, die aber auch im Spiel des Lebens, im dynamiſchen und organiſchen Proceſſe, äſthetiſches Object wird. Einheit, Regelmäßigkeit, Symmetrie, Ordnung, Naturwahrheit, pſychologiſche und hiſtoriſche Richtigkeit allein vermögen dem Begriff des Schönen noch nicht vollkommen zu genügen. Dies erfordert noch die Beſeelung durch Selbſtthätigkeit, durch ein ihm ſelber entſtrömendes Leben. Dieſe Selbſtthätigkeit kann in äſthetiſcher Hinſicht, wie wir zugeben müſſen, eine Wahrheit und in realer ein bloßer Schein ſein. Die Aeſthetik darf
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werth in ihrer Thätigkeit; werden ſie aber durch dieſelbe
verſchönt?
Wir haben uns überzeugt, wie die Möglichkeit des
Häßlichen zunächſt darin liegt, daß die allgemeine Maa߬
beſtimmtheit der Einheit, des Unterſchiedes, der Harmonie
verletzt wird; eine Negation, die als ſolche mit dem Gegen¬
ſatz von Natur und Geiſt, von Gutem und Böſem, noch
nichts zu thun hat. — Wir haben uns ferner überzeugt,
wie das Häßliche dadurch entſtehen kann, daß die beſondere
Formbeſtimmtheit, welche dem Natürlichen und Geiſtigen
nothwendigerweiſe zukommt, negirt wird. Die Correctheit
einer Erſcheinung beſteht in der ungehemmten Uebereinſtim¬
mung des Einzelnen mit der Gattung, in der Vollſtän¬
digkeit und Richtigkeit, mit welchen die Erſcheinung ihrem
Weſen entſpricht. Wird dieſe Norm verletzt, ſo ergibt ſich
die Incorrectheit, eine Häßlichkeit, die viele Einſchränkungen
leidet, weil die bloße Richtigkeit ſich der idealen Wahrheit
unterzuordnen hat. — Der letzte Grund der Schönheit näm¬
lich iſt erſt die Freiheit; dies Wort hier nicht blos in dem
ausſchließend ethiſchen, ſondern in dem allgemeinen Sinn
der Spontaneität genommen, die ihre abſolute Vollendung
freilich in der ſittlichen Selbſtbeſtimmung findet, die aber
auch im Spiel des Lebens, im dynamiſchen und organiſchen
Proceſſe, äſthetiſches Object wird. Einheit, Regelmäßigkeit,
Symmetrie, Ordnung, Naturwahrheit, pſychologiſche und
hiſtoriſche Richtigkeit allein vermögen dem Begriff des
Schönen noch nicht vollkommen zu genügen. Dies erfordert
noch die Beſeelung durch Selbſtthätigkeit, durch ein ihm
ſelber entſtrömendes Leben. Dieſe Selbſtthätigkeit kann in
äſthetiſcher Hinſicht, wie wir zugeben müſſen, eine Wahrheit
und in realer ein bloßer Schein ſein. Die Aeſthetik darf
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/188>, abgerufen am 21.11.2024.
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