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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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seinen Zeichnungen zum Homer den Thersites fortgelassen
hatte. Schiller in seiner Abhandlung über den Gebrauch
des Gemeinen und Niedrigen in der Kunst geht, den Lessing¬
schen Fußtapfen folgend, schon weiter, indem er behauptet,
den von Homer als Bettler vorgestellten Odysseus würden
wir gemalt nicht ertragen können, weil mit einer solchen
Anschauung zu viel niedrige Nebenvorstellungen verknüpft
wären. Eine ganz grundlose Meinung, an welche sich die
Malerei glücklicherweise niemals gekehrt hat.

Das wahrhaft Schöne ist die glückliche Mitte zwischen
dem Erhabenen und Gefälligen; die glückliche Mitte, die sich
nämlich mit der Unendlichkeit des Erhabenen und mit der
Endlichkeit des Gefälligen gleichmäßig erfüllt. Das erhabene
Schöne ist eine Form des Schönen, die an und für sich bestimmt
ist. Kant hat in der Kritik der Urtheilskraft die Definition
des Erhabenen ganz in's Subjective gespielt, weil es nach
ihm dasjenige sein soll, was auch nur denken zu können
eine Macht des Gemüths beweist, die alles Sinnliche über¬
steigt. Diese Theorie ist dann nicht blos dahin ausgebildet
worden, daß man, wie Schiller in jenem bekannten Disti¬
chon, das Erhabene des unendlichen Raums leugnete, sondern
bis so weit, daß man, wie von Ruge und K. Fischer ge¬
schehen (37), der Natur das Erhabene überhaupt absprach.
Dies ist ein Irrthum, denn die Natur ist, unter Anderm,
auch an sich selbst erhaben. Wir wissen sehr wohl, wo das
Erhabene in ihr existirt; wir suchen es auf, es zu genießen;
wir machen es zum Ziel beschwerlicher Reisen. Wenn wir
auf dem schneebedeckten Gipfel des rauchenden Aetna stehen
und nun Sicilien zwischen den Küsten Calabriens und Afrika's
von den Wellen des Meeres umfluthet erblicken, so ist das
Erhabene dieses Anblicks nicht unsere subjective That, viel¬

ſeinen Zeichnungen zum Homer den Therſites fortgelaſſen
hatte. Schiller in ſeiner Abhandlung über den Gebrauch
des Gemeinen und Niedrigen in der Kunſt geht, den Leſſing¬
ſchen Fußtapfen folgend, ſchon weiter, indem er behauptet,
den von Homer als Bettler vorgeſtellten Odyſſeus würden
wir gemalt nicht ertragen können, weil mit einer ſolchen
Anſchauung zu viel niedrige Nebenvorſtellungen verknüpft
wären. Eine ganz grundloſe Meinung, an welche ſich die
Malerei glücklicherweiſe niemals gekehrt hat.

Das wahrhaft Schöne iſt die glückliche Mitte zwiſchen
dem Erhabenen und Gefälligen; die glückliche Mitte, die ſich
nämlich mit der Unendlichkeit des Erhabenen und mit der
Endlichkeit des Gefälligen gleichmäßig erfüllt. Das erhabene
Schöne iſt eine Form des Schönen, die an und für ſich beſtimmt
iſt. Kant hat in der Kritik der Urtheilskraft die Definition
des Erhabenen ganz in's Subjective geſpielt, weil es nach
ihm dasjenige ſein ſoll, was auch nur denken zu können
eine Macht des Gemüths beweiſt, die alles Sinnliche über¬
ſteigt. Dieſe Theorie iſt dann nicht blos dahin ausgebildet
worden, daß man, wie Schiller in jenem bekannten Diſti¬
chon, das Erhabene des unendlichen Raums leugnete, ſondern
bis ſo weit, daß man, wie von Ruge und K. Fiſcher ge¬
ſchehen (37), der Natur das Erhabene überhaupt abſprach.
Dies iſt ein Irrthum, denn die Natur iſt, unter Anderm,
auch an ſich ſelbſt erhaben. Wir wiſſen ſehr wohl, wo das
Erhabene in ihr exiſtirt; wir ſuchen es auf, es zu genießen;
wir machen es zum Ziel beſchwerlicher Reiſen. Wenn wir
auf dem ſchneebedeckten Gipfel des rauchenden Aetna ſtehen
und nun Sicilien zwiſchen den Küſten Calabriens und Afrika's
von den Wellen des Meeres umfluthet erblicken, ſo iſt das
Erhabene dieſes Anblicks nicht unſere ſubjective That, viel¬

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[178/0200] ſeinen Zeichnungen zum Homer den Therſites fortgelaſſen hatte. Schiller in ſeiner Abhandlung über den Gebrauch des Gemeinen und Niedrigen in der Kunſt geht, den Leſſing¬ ſchen Fußtapfen folgend, ſchon weiter, indem er behauptet, den von Homer als Bettler vorgeſtellten Odyſſeus würden wir gemalt nicht ertragen können, weil mit einer ſolchen Anſchauung zu viel niedrige Nebenvorſtellungen verknüpft wären. Eine ganz grundloſe Meinung, an welche ſich die Malerei glücklicherweiſe niemals gekehrt hat. Das wahrhaft Schöne iſt die glückliche Mitte zwiſchen dem Erhabenen und Gefälligen; die glückliche Mitte, die ſich nämlich mit der Unendlichkeit des Erhabenen und mit der Endlichkeit des Gefälligen gleichmäßig erfüllt. Das erhabene Schöne iſt eine Form des Schönen, die an und für ſich beſtimmt iſt. Kant hat in der Kritik der Urtheilskraft die Definition des Erhabenen ganz in's Subjective geſpielt, weil es nach ihm dasjenige ſein ſoll, was auch nur denken zu können eine Macht des Gemüths beweiſt, die alles Sinnliche über¬ ſteigt. Dieſe Theorie iſt dann nicht blos dahin ausgebildet worden, daß man, wie Schiller in jenem bekannten Diſti¬ chon, das Erhabene des unendlichen Raums leugnete, ſondern bis ſo weit, daß man, wie von Ruge und K. Fiſcher ge¬ ſchehen (37), der Natur das Erhabene überhaupt abſprach. Dies iſt ein Irrthum, denn die Natur iſt, unter Anderm, auch an ſich ſelbſt erhaben. Wir wiſſen ſehr wohl, wo das Erhabene in ihr exiſtirt; wir ſuchen es auf, es zu genießen; wir machen es zum Ziel beſchwerlicher Reiſen. Wenn wir auf dem ſchneebedeckten Gipfel des rauchenden Aetna ſtehen und nun Sicilien zwiſchen den Küſten Calabriens und Afrika's von den Wellen des Meeres umfluthet erblicken, ſo iſt das Erhabene dieſes Anblicks nicht unſere ſubjective That, viel¬

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/200>, abgerufen am 21.11.2024.