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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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er doch in den allgemeinen Zusammenhang sich auflösen; die
Andeutung dieses Ueberganges wird seine Ironisirung. Ohne
im epischen Sinn ernst und würdig, ohne im ironischen
komisch zu sein, wird die pittoreske wie die poetische Genre¬
bildlichkeit gemein und langweilig. Unserer dermaligen Genre¬
malerei wäre Lessings Rath für den komischen Dichter, von
dem Gewöhnlichen durch ein Abweichen von der puren, cru¬
den, alltäglichen Natur loszukommen, wohl auch zu empfehlen,
denn wir haben durch sie die ganz ideenlose Conterfeis
unserer beschränktesten empirischen Zustände, eine nur zu
getreue Abschilderung der Köchinnen, Obstverkäuferinnen,
Schulbuben, Strümpfe stopfenden Mütter, Stiefel flickenden
Schuster, im Schlaflock meditirenden Pastore, in Kneipen
herumlungernden Müssiggänger u. s. w. ohne die geringste
ideale Verklärung, ohne ein Atom von Witz erhalten. Da
wir Deutsche keine gemeinsame große Geschichte, keinen ein¬
heitlichen, himmelantragenden Enthusiasmus haben, so erklärt
sich, weshalb unsere Kunst so sehr um würdige Gegenstände
verlegen sein und so leicht in die gehaltloseste Tändelei und
Quängelei mit dem Gewöhnlichen verfallen kann. Hegel
und Hotho (41) haben allerdings an der Genremalerei mit
Recht hervorgehoben, daß die Unbedeutendheit der Objecte
um so mehr den Reiz einer glänzenden Ausführung gestatte,
allein man thut diesen Philosophen Unrecht, wenn man ihre
Begeisterung für das Genre in der Niederländischen Schule
als ein Zugeständniß dafür nimmt, daß auch der bloße
Abdruck einer empirischen Realität ihnen schon genügen
könnte und daß ideale Compositionen in ihrem Detail dem
Glanz der virtuosen Technik nicht eben so günstig seien.
Eine solche Vorstellung, zum allgemeinen Vorurtheil gemacht,
würde den Kunstsinn der Nation vollends ruiniren, denn sie

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er doch in den allgemeinen Zuſammenhang ſich auflöſen; die
Andeutung dieſes Ueberganges wird ſeine Ironiſirung. Ohne
im epiſchen Sinn ernſt und würdig, ohne im ironiſchen
komiſch zu ſein, wird die pittoreske wie die poetiſche Genre¬
bildlichkeit gemein und langweilig. Unſerer dermaligen Genre¬
malerei wäre Leſſings Rath für den komiſchen Dichter, von
dem Gewöhnlichen durch ein Abweichen von der puren, cru¬
den, alltäglichen Natur loszukommen, wohl auch zu empfehlen,
denn wir haben durch ſie die ganz ideenloſe Conterfeis
unſerer beſchränkteſten empiriſchen Zuſtände, eine nur zu
getreue Abſchilderung der Köchinnen, Obſtverkäuferinnen,
Schulbuben, Strümpfe ſtopfenden Mütter, Stiefel flickenden
Schuſter, im Schlaflock meditirenden Paſtore, in Kneipen
herumlungernden Müſſiggänger u. ſ. w. ohne die geringſte
ideale Verklärung, ohne ein Atom von Witz erhalten. Da
wir Deutſche keine gemeinſame große Geſchichte, keinen ein¬
heitlichen, himmelantragenden Enthuſiasmus haben, ſo erklärt
ſich, weshalb unſere Kunſt ſo ſehr um würdige Gegenſtände
verlegen ſein und ſo leicht in die gehaltloſeſte Tändelei und
Quängelei mit dem Gewöhnlichen verfallen kann. Hegel
und Hotho (41) haben allerdings an der Genremalerei mit
Recht hervorgehoben, daß die Unbedeutendheit der Objecte
um ſo mehr den Reiz einer glänzenden Ausführung geſtatte,
allein man thut dieſen Philoſophen Unrecht, wenn man ihre
Begeiſterung für das Genre in der Niederländiſchen Schule
als ein Zugeſtändniß dafür nimmt, daß auch der bloße
Abdruck einer empiriſchen Realität ihnen ſchon genügen
könnte und daß ideale Compoſitionen in ihrem Detail dem
Glanz der virtuoſen Technik nicht eben ſo günſtig ſeien.
Eine ſolche Vorſtellung, zum allgemeinen Vorurtheil gemacht,
würde den Kunſtſinn der Nation vollends ruiniren, denn ſie

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[211/0233] er doch in den allgemeinen Zuſammenhang ſich auflöſen; die Andeutung dieſes Ueberganges wird ſeine Ironiſirung. Ohne im epiſchen Sinn ernſt und würdig, ohne im ironiſchen komiſch zu ſein, wird die pittoreske wie die poetiſche Genre¬ bildlichkeit gemein und langweilig. Unſerer dermaligen Genre¬ malerei wäre Leſſings Rath für den komiſchen Dichter, von dem Gewöhnlichen durch ein Abweichen von der puren, cru¬ den, alltäglichen Natur loszukommen, wohl auch zu empfehlen, denn wir haben durch ſie die ganz ideenloſe Conterfeis unſerer beſchränkteſten empiriſchen Zuſtände, eine nur zu getreue Abſchilderung der Köchinnen, Obſtverkäuferinnen, Schulbuben, Strümpfe ſtopfenden Mütter, Stiefel flickenden Schuſter, im Schlaflock meditirenden Paſtore, in Kneipen herumlungernden Müſſiggänger u. ſ. w. ohne die geringſte ideale Verklärung, ohne ein Atom von Witz erhalten. Da wir Deutſche keine gemeinſame große Geſchichte, keinen ein¬ heitlichen, himmelantragenden Enthuſiasmus haben, ſo erklärt ſich, weshalb unſere Kunſt ſo ſehr um würdige Gegenſtände verlegen ſein und ſo leicht in die gehaltloſeſte Tändelei und Quängelei mit dem Gewöhnlichen verfallen kann. Hegel und Hotho (41) haben allerdings an der Genremalerei mit Recht hervorgehoben, daß die Unbedeutendheit der Objecte um ſo mehr den Reiz einer glänzenden Ausführung geſtatte, allein man thut dieſen Philoſophen Unrecht, wenn man ihre Begeiſterung für das Genre in der Niederländiſchen Schule als ein Zugeſtändniß dafür nimmt, daß auch der bloße Abdruck einer empiriſchen Realität ihnen ſchon genügen könnte und daß ideale Compoſitionen in ihrem Detail dem Glanz der virtuoſen Technik nicht eben ſo günſtig ſeien. Eine ſolche Vorſtellung, zum allgemeinen Vorurtheil gemacht, würde den Kunſtſinn der Nation vollends ruiniren, denn ſie 14 *

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/233>, abgerufen am 25.11.2024.