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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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was er als ein relativ Todtes von sich ausscheidet, was
ein vom Organismus producirtes Unorganisches, ein vom
Leben getödtetes Dasein ist. Diese Entäußerung ist, wie
nothwendig sie sei, häßlich, weil sie den Menschen in der
niedrigsten Abhängigkeit von der Natur erscheinen läßt. Er
sucht daher auch die Verrichtung der Nothdurft, so viel er
kann, zu verbergen. Das Thier ist natürlich in Ansehung
auch dieses Actes sorglos und nur die reinliche, sich immer
beleckende und putzende Katze verscharrt ihren an heimlichen
Orten entleerten Koth. Das Kind thut anfänglich wie das
Thier und die Unschicklichkeit der lieben Kleinen kann der
Geschlossenheit conventioneller Formen gegenüber sehr unan¬
genehm ergötzliche Contraste hervorbringen. Die Darstellung
der Nothdurft ist daher unter allen Umständen unästhetisch
und nur die Komik kann sie erträglich machen. Potter hat
eine "pissende Kuh" gemalt, die zuletzt nach Petersburg hin
um einen ungeheuern Preis verkauft ist; wäre Potter aber
nicht ein so guter Thiermaler gewesen, so würde auch die
exacteste Copirung der Kuh in jenem Zustand gerade den
Werth des Kunstwerks wohl nicht gesteigert haben. Wir
gestehen uns, daß wir das Pissen der Kuh wohl missen
könnten und daß aus ihm heraus uns keine ästhetische Be¬
friedigung erwächst. Dennoch dürfen wir an das Thier
nicht den Maaßstab des Menschen legen und dies ist der
Grund, weshalb eine "pissende Kuh" uns nicht verletzt. Wir
müssen hier umgekehrt sagen: quod licet bovi, non licet Jovi.
In Brüssel heißt eine bekannte Fontaine, an welcher die
Fluth der fashionabeln Welt vorüberströmt, Mannekenpiss,
weil ein derber Junge das Wasser pißt. Aber diese Nieder¬
ländische Komik ist kaum noch komisch, denn Wasser soll
rein, soll eben Wasser sein und es mischt sich etwas Widriges

was er als ein relativ Todtes von ſich ausſcheidet, was
ein vom Organismus producirtes Unorganiſches, ein vom
Leben getödtetes Daſein iſt. Dieſe Entäußerung iſt, wie
nothwendig ſie ſei, häßlich, weil ſie den Menſchen in der
niedrigſten Abhängigkeit von der Natur erſcheinen läßt. Er
ſucht daher auch die Verrichtung der Nothdurft, ſo viel er
kann, zu verbergen. Das Thier iſt natürlich in Anſehung
auch dieſes Actes ſorglos und nur die reinliche, ſich immer
beleckende und putzende Katze verſcharrt ihren an heimlichen
Orten entleerten Koth. Das Kind thut anfänglich wie das
Thier und die Unſchicklichkeit der lieben Kleinen kann der
Geſchloſſenheit conventioneller Formen gegenüber ſehr unan¬
genehm ergötzliche Contraſte hervorbringen. Die Darſtellung
der Nothdurft iſt daher unter allen Umſtänden unäſthetiſch
und nur die Komik kann ſie erträglich machen. Potter hat
eine „piſſende Kuh“ gemalt, die zuletzt nach Petersburg hin
um einen ungeheuern Preis verkauft iſt; wäre Potter aber
nicht ein ſo guter Thiermaler geweſen, ſo würde auch die
exacteſte Copirung der Kuh in jenem Zuſtand gerade den
Werth des Kunſtwerks wohl nicht geſteigert haben. Wir
geſtehen uns, daß wir das Piſſen der Kuh wohl miſſen
könnten und daß aus ihm heraus uns keine äſthetiſche Be¬
friedigung erwächſt. Dennoch dürfen wir an das Thier
nicht den Maaßſtab des Menſchen legen und dies iſt der
Grund, weshalb eine „piſſende Kuh“ uns nicht verletzt. Wir
müſſen hier umgekehrt ſagen: quod licet bovi, non licet Jovi.
In Brüſſel heißt eine bekannte Fontaine, an welcher die
Fluth der faſhionabeln Welt vorüberſtrömt, Mannekenpiss,
weil ein derber Junge das Waſſer pißt. Aber dieſe Nieder¬
ländiſche Komik iſt kaum noch komiſch, denn Waſſer ſoll
rein, ſoll eben Waſſer ſein und es miſcht ſich etwas Widriges

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[231/0253] was er als ein relativ Todtes von ſich ausſcheidet, was ein vom Organismus producirtes Unorganiſches, ein vom Leben getödtetes Daſein iſt. Dieſe Entäußerung iſt, wie nothwendig ſie ſei, häßlich, weil ſie den Menſchen in der niedrigſten Abhängigkeit von der Natur erſcheinen läßt. Er ſucht daher auch die Verrichtung der Nothdurft, ſo viel er kann, zu verbergen. Das Thier iſt natürlich in Anſehung auch dieſes Actes ſorglos und nur die reinliche, ſich immer beleckende und putzende Katze verſcharrt ihren an heimlichen Orten entleerten Koth. Das Kind thut anfänglich wie das Thier und die Unſchicklichkeit der lieben Kleinen kann der Geſchloſſenheit conventioneller Formen gegenüber ſehr unan¬ genehm ergötzliche Contraſte hervorbringen. Die Darſtellung der Nothdurft iſt daher unter allen Umſtänden unäſthetiſch und nur die Komik kann ſie erträglich machen. Potter hat eine „piſſende Kuh“ gemalt, die zuletzt nach Petersburg hin um einen ungeheuern Preis verkauft iſt; wäre Potter aber nicht ein ſo guter Thiermaler geweſen, ſo würde auch die exacteſte Copirung der Kuh in jenem Zuſtand gerade den Werth des Kunſtwerks wohl nicht geſteigert haben. Wir geſtehen uns, daß wir das Piſſen der Kuh wohl miſſen könnten und daß aus ihm heraus uns keine äſthetiſche Be¬ friedigung erwächſt. Dennoch dürfen wir an das Thier nicht den Maaßſtab des Menſchen legen und dies iſt der Grund, weshalb eine „piſſende Kuh“ uns nicht verletzt. Wir müſſen hier umgekehrt ſagen: quod licet bovi, non licet Jovi. In Brüſſel heißt eine bekannte Fontaine, an welcher die Fluth der faſhionabeln Welt vorüberſtrömt, Mannekenpiss, weil ein derber Junge das Waſſer pißt. Aber dieſe Nieder¬ ländiſche Komik iſt kaum noch komiſch, denn Waſſer ſoll rein, ſoll eben Waſſer ſein und es miſcht ſich etwas Widriges

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/253>, abgerufen am 22.11.2024.