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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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kann sich daher hier gerade in witzigen Analogien recht her¬
vorthun. Man erwäge, was Schopenhauer über das
Verhältniß der beiden Geschlechter sagt (50), so wird man
begreiflich finden, weshalb durch alle Culturen und Stände
hindurch in allen Zeitaltern die sexuelle Zweideutigkeit als die
Amphibolie par excellence eine Lieblingsbeschäftigung der
Menschheit gewesen ist. Mit der Civilisation vermehrt sich
das Wohlgefallen daran so lange bis aus ihr die noch höhere,
reine, ideale Bildung geboren wird. Die Religionen in ihrer
Obscönität sind ohne alle Verschleierung der Geschlechtsver¬
hältnisse und, was ein Phallus, Lingam, Priap, ist nicht
erst durch symbolische Deutung auszumachen. Die Religionen
erkennen darin die göttliche, heilige Kraft der Natur und
entkräften durch ihre Offenheit den Versuch, damit zu spielen.
In den Bildern, Reliefs und Gemmen aus dem Alter¬
thum (51), die uns Opfer darstellen, welche junge Frauen
dem Priap darbringen, wird man nichts Wollüstiges, viel¬
mehr eine strenge Haltung finden. Sculptur und Malerei
können nun allerdings wollüstig und obscön werden, allein
der Corruption der Zweideutigkeit erliegen sie weit weniger,
als die Mimik und die Poesie. Die Musik ist ihrer gar
nicht fähig Die Zweideutigkeit beschäftigt unsere Phantasie
und unsern Verstand zugleich und ist durch ihre Allusion nicht
ganz dasselbe mit der Zote, die ihrerseits auch eine Zwei¬
deutigkeit sein kann, während umgekehrt eine Zweideutigkeit
nicht auch schon eine Zote zu sein braucht. Die Zote be¬
sitzt eine Derbheit, Dreistigkeit, Grobheit, von welcher die
Zweideutigkeit als dem Witz verpflichtet sich entfernt. Die
Zote, ein Hauptelement des sogenannten Niedrigkomischen,
spielt am liebsten mit den Entäußerungen der Nothdurft.
Sie lacht über den Menschen, daß er als ein so privile¬

kann ſich daher hier gerade in witzigen Analogien recht her¬
vorthun. Man erwäge, was Schopenhauer über das
Verhältniß der beiden Geſchlechter ſagt (50), ſo wird man
begreiflich finden, weshalb durch alle Culturen und Stände
hindurch in allen Zeitaltern die ſexuelle Zweideutigkeit als die
Amphibolie par excellence eine Lieblingsbeſchäftigung der
Menſchheit geweſen iſt. Mit der Civiliſation vermehrt ſich
das Wohlgefallen daran ſo lange bis aus ihr die noch höhere,
reine, ideale Bildung geboren wird. Die Religionen in ihrer
Obscönität ſind ohne alle Verſchleierung der Geſchlechtsver¬
hältniſſe und, was ein Phallus, Lingam, Priap, iſt nicht
erſt durch ſymboliſche Deutung auszumachen. Die Religionen
erkennen darin die göttliche, heilige Kraft der Natur und
entkräften durch ihre Offenheit den Verſuch, damit zu ſpielen.
In den Bildern, Reliefs und Gemmen aus dem Alter¬
thum (51), die uns Opfer darſtellen, welche junge Frauen
dem Priap darbringen, wird man nichts Wollüſtiges, viel¬
mehr eine ſtrenge Haltung finden. Sculptur und Malerei
können nun allerdings wollüſtig und obscön werden, allein
der Corruption der Zweideutigkeit erliegen ſie weit weniger,
als die Mimik und die Poeſie. Die Muſik iſt ihrer gar
nicht fähig Die Zweideutigkeit beſchäftigt unſere Phantaſie
und unſern Verſtand zugleich und iſt durch ihre Alluſion nicht
ganz daſſelbe mit der Zote, die ihrerſeits auch eine Zwei¬
deutigkeit ſein kann, während umgekehrt eine Zweideutigkeit
nicht auch ſchon eine Zote zu ſein braucht. Die Zote be¬
ſitzt eine Derbheit, Dreiſtigkeit, Grobheit, von welcher die
Zweideutigkeit als dem Witz verpflichtet ſich entfernt. Die
Zote, ein Hauptelement des ſogenannten Niedrigkomiſchen,
ſpielt am liebſten mit den Entäußerungen der Nothdurft.
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[240/0262] kann ſich daher hier gerade in witzigen Analogien recht her¬ vorthun. Man erwäge, was Schopenhauer über das Verhältniß der beiden Geſchlechter ſagt (50), ſo wird man begreiflich finden, weshalb durch alle Culturen und Stände hindurch in allen Zeitaltern die ſexuelle Zweideutigkeit als die Amphibolie par excellence eine Lieblingsbeſchäftigung der Menſchheit geweſen iſt. Mit der Civiliſation vermehrt ſich das Wohlgefallen daran ſo lange bis aus ihr die noch höhere, reine, ideale Bildung geboren wird. Die Religionen in ihrer Obscönität ſind ohne alle Verſchleierung der Geſchlechtsver¬ hältniſſe und, was ein Phallus, Lingam, Priap, iſt nicht erſt durch ſymboliſche Deutung auszumachen. Die Religionen erkennen darin die göttliche, heilige Kraft der Natur und entkräften durch ihre Offenheit den Verſuch, damit zu ſpielen. In den Bildern, Reliefs und Gemmen aus dem Alter¬ thum (51), die uns Opfer darſtellen, welche junge Frauen dem Priap darbringen, wird man nichts Wollüſtiges, viel¬ mehr eine ſtrenge Haltung finden. Sculptur und Malerei können nun allerdings wollüſtig und obscön werden, allein der Corruption der Zweideutigkeit erliegen ſie weit weniger, als die Mimik und die Poeſie. Die Muſik iſt ihrer gar nicht fähig Die Zweideutigkeit beſchäftigt unſere Phantaſie und unſern Verſtand zugleich und iſt durch ihre Alluſion nicht ganz daſſelbe mit der Zote, die ihrerſeits auch eine Zwei¬ deutigkeit ſein kann, während umgekehrt eine Zweideutigkeit nicht auch ſchon eine Zote zu ſein braucht. Die Zote be¬ ſitzt eine Derbheit, Dreiſtigkeit, Grobheit, von welcher die Zweideutigkeit als dem Witz verpflichtet ſich entfernt. Die Zote, ein Hauptelement des ſogenannten Niedrigkomiſchen, ſpielt am liebſten mit den Entäußerungen der Nothdurft. Sie lacht über den Menſchen, daß er als ein ſo privile¬

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/262>, abgerufen am 21.11.2024.