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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Schatten des Dareios vom Chor aus der Unterwelt herauf¬
klagen lassen, und als er nun ihm und der Atossa erscheint,
läßt der Dichter den Chor (V. 690.) nur sagen:

Mich ergreift Scheu vor dem Anschaun,
Mich ergreift Scheu vor der Anred',
O Du alt ehrwürdiger König!
gibt aber durch kein Wort zu erkennen, daß in der Erschei¬
nung als solcher irgend etwas Widriges liege. So ist es der
Fall auch mit den Schatten, die in der Odyssee aus dem
Hades sich zur Opfergrube des Odysseus drängen. So mit
dem Schatten des Samuel, den die Todtenbeschwörerin von
Endor für den Saul erscheinen läßt. In einer für unsere
Aufgabe sehr wichtigen Betrachtung über: der Tänzerin
Grab
(Werke, 44, 194 ff.) hat Göthe das Wesen des
Schattenhaften, Lemurenhaften, so vortrefflich auseinander¬
gesetzt, daß wir uns nicht enthalten können, Folgendes her¬
auszuheben. Es sind drei Bilder, eine cyklische Trilogie.
"Das kunstreiche Mädchen erscheint in allen dreien, und
zwar im ersten die Gäste eines begüterten Mannes zum
Hochgenuß des Lebens entzückend; das zweite stellt sie vor,
wie sie im Tartarus, in der Region der Verwesung und
Halbvernichtung, kümmerlich ihre Künste fortsetzt; das dritte
zeigt sie uns, wie sie, dem Schein nach wieder hergestellt,
zu jener ewigen Schattenseligkeit gelangt ist." Die erste
Tafel stellt nun die Tänzerin bei einem Gastmahl in der
Rolle eines Bakchischen Mädchens dar, die Bewunderung
jeder Altersstufe erregend. Das zweite Bild faßt sie im
Uebergang von der Ober- zur Unterwelt auf. "Wenn auf
dem ersten die Künstlerin uns reich und lebensvoll, üppig,
beweglich, graciös, wellenhaft und fließend erschien, so sehen
wir hier, in dem traurigen lemurischen Reiche, von Allem

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Schatten des Dareios vom Chor aus der Unterwelt herauf¬
klagen laſſen, und als er nun ihm und der Atoſſa erſcheint,
läßt der Dichter den Chor (V. 690.) nur ſagen:

Mich ergreift Scheu vor dem Anſchaun,
Mich ergreift Scheu vor der Anred',
O Du alt ehrwürdiger König!
gibt aber durch kein Wort zu erkennen, daß in der Erſchei¬
nung als ſolcher irgend etwas Widriges liege. So iſt es der
Fall auch mit den Schatten, die in der Odyſſee aus dem
Hades ſich zur Opfergrube des Odyſſeus drängen. So mit
dem Schatten des Samuel, den die Todtenbeſchwörerin von
Endor für den Saul erſcheinen läßt. In einer für unſere
Aufgabe ſehr wichtigen Betrachtung über: der Tänzerin
Grab
(Werke, 44, 194 ff.) hat Göthe das Weſen des
Schattenhaften, Lemurenhaften, ſo vortrefflich auseinander¬
geſetzt, daß wir uns nicht enthalten können, Folgendes her¬
auszuheben. Es ſind drei Bilder, eine cykliſche Trilogie.
„Das kunſtreiche Mädchen erſcheint in allen dreien, und
zwar im erſten die Gäſte eines begüterten Mannes zum
Hochgenuß des Lebens entzückend; das zweite ſtellt ſie vor,
wie ſie im Tartarus, in der Region der Verweſung und
Halbvernichtung, kümmerlich ihre Künſte fortſetzt; das dritte
zeigt ſie uns, wie ſie, dem Schein nach wieder hergeſtellt,
zu jener ewigen Schattenſeligkeit gelangt iſt.“ Die erſte
Tafel ſtellt nun die Tänzerin bei einem Gaſtmahl in der
Rolle eines Bakchiſchen Mädchens dar, die Bewunderung
jeder Altersſtufe erregend. Das zweite Bild faßt ſie im
Uebergang von der Ober- zur Unterwelt auf. „Wenn auf
dem erſten die Künſtlerin uns reich und lebensvoll, üppig,
beweglich, graciös, wellenhaft und fließend erſchien, ſo ſehen
wir hier, in dem traurigen lemuriſchen Reiche, von Allem

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[339/0361] Schatten des Dareios vom Chor aus der Unterwelt herauf¬ klagen laſſen, und als er nun ihm und der Atoſſa erſcheint, läßt der Dichter den Chor (V. 690.) nur ſagen: Mich ergreift Scheu vor dem Anſchaun, Mich ergreift Scheu vor der Anred', O Du alt ehrwürdiger König! gibt aber durch kein Wort zu erkennen, daß in der Erſchei¬ nung als ſolcher irgend etwas Widriges liege. So iſt es der Fall auch mit den Schatten, die in der Odyſſee aus dem Hades ſich zur Opfergrube des Odyſſeus drängen. So mit dem Schatten des Samuel, den die Todtenbeſchwörerin von Endor für den Saul erſcheinen läßt. In einer für unſere Aufgabe ſehr wichtigen Betrachtung über: der Tänzerin Grab (Werke, 44, 194 ff.) hat Göthe das Weſen des Schattenhaften, Lemurenhaften, ſo vortrefflich auseinander¬ geſetzt, daß wir uns nicht enthalten können, Folgendes her¬ auszuheben. Es ſind drei Bilder, eine cykliſche Trilogie. „Das kunſtreiche Mädchen erſcheint in allen dreien, und zwar im erſten die Gäſte eines begüterten Mannes zum Hochgenuß des Lebens entzückend; das zweite ſtellt ſie vor, wie ſie im Tartarus, in der Region der Verweſung und Halbvernichtung, kümmerlich ihre Künſte fortſetzt; das dritte zeigt ſie uns, wie ſie, dem Schein nach wieder hergeſtellt, zu jener ewigen Schattenſeligkeit gelangt iſt.“ Die erſte Tafel ſtellt nun die Tänzerin bei einem Gaſtmahl in der Rolle eines Bakchiſchen Mädchens dar, die Bewunderung jeder Altersſtufe erregend. Das zweite Bild faßt ſie im Uebergang von der Ober- zur Unterwelt auf. „Wenn auf dem erſten die Künſtlerin uns reich und lebensvoll, üppig, beweglich, graciös, wellenhaft und fließend erſchien, ſo ſehen wir hier, in dem traurigen lemuriſchen Reiche, von Allem 22 *

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/361>, abgerufen am 23.11.2024.