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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Wenn die "Furien des Hasses" vielleicht gar die Eumeniden
bedeuten sollten, so würde Hegel entschieden fehlgreifen, da
dieselben, als Wächterinnen über die Blutschuld, wesentlich
affirmative Mächte sind, welche die Verletzung des Rechts
und der heiligen Sitte rächen. In ihrer Furchtbarkeit sind
sie erhaben schön gebildet worden, wenn auch der Lichtgott
sie als Nachtunholdinnen Scheusale nennt. Indessen wird
er hier weniger an die Griechen als an die Römer und
Franzosen gedacht haben, z. B. an Voltaire's Henriade, die
mit solchen allegorischen Figuren als einer Art Mythologie
reichlich ausgestattet ist. Wenn aber solche Allegorien ästhe¬
tisch matt und kahl ausfallen, ist davon der Grund nicht
eben in der Natur der Allegorie zu finden? Sind denn die
Tugenden, in allegorischer Vereinzelung ausgedrückt, ästhe¬
tisch besser daran, als die Laster? Ist nicht das fruchtbarste,
formenreichste Genie, wie das eines Albrecht Dürer, eines
Rubens, kaum vermögend, das Prosaische der Allegorie auf¬
zuheben? Hegel gibt etwas zu, nämlich daß die verschiedenen
Künste sich hier wohl verschieden verhalten dürften. Gewiß,
aber eben deshalb vermag die Poesie das Böse durchaus
interessant zu gestalten, weil sie den eigenthümlichen Wahn¬
sinn, der es erzeugt, in seiner letzten Genesis zu zeigen im
Stande ist. Sie braucht sich nicht, wie die bildende Kunst,
mit allegorischen und symbolischen Mitteln zu behelfen,
sondern kann die eigene negative Tiefe des bösen Selbstbe¬
wußtseins sich aussprechen lassen. Ist nicht die Größe des
Götheschen Mephisto eben in der ironischen Klarheit gelegen,
mit welcher sich der Schalck, der stets verneint, ausspricht?
"Das Böse aber, fährt unser Philosoph fort, ist im Allge¬
meinen in sich kahl und gehaltlos, weil aus demselben nichts
als selber nur Negatives, Zerstörung und Unglück heraus¬

Wenn die „Furien des Haſſes“ vielleicht gar die Eumeniden
bedeuten ſollten, ſo würde Hegel entſchieden fehlgreifen, da
dieſelben, als Wächterinnen über die Blutſchuld, weſentlich
affirmative Mächte ſind, welche die Verletzung des Rechts
und der heiligen Sitte rächen. In ihrer Furchtbarkeit ſind
ſie erhaben ſchön gebildet worden, wenn auch der Lichtgott
ſie als Nachtunholdinnen Scheuſale nennt. Indeſſen wird
er hier weniger an die Griechen als an die Römer und
Franzoſen gedacht haben, z. B. an Voltaire's Henriade, die
mit ſolchen allegoriſchen Figuren als einer Art Mythologie
reichlich ausgeſtattet iſt. Wenn aber ſolche Allegorien äſthe¬
tiſch matt und kahl ausfallen, iſt davon der Grund nicht
eben in der Natur der Allegorie zu finden? Sind denn die
Tugenden, in allegoriſcher Vereinzelung ausgedrückt, äſthe¬
tiſch beſſer daran, als die Laſter? Iſt nicht das fruchtbarſte,
formenreichſte Genie, wie das eines Albrecht Dürer, eines
Rubens, kaum vermögend, das Proſaiſche der Allegorie auf¬
zuheben? Hegel gibt etwas zu, nämlich daß die verſchiedenen
Künſte ſich hier wohl verſchieden verhalten dürften. Gewiß,
aber eben deshalb vermag die Poeſie das Böſe durchaus
intereſſant zu geſtalten, weil ſie den eigenthümlichen Wahn¬
ſinn, der es erzeugt, in ſeiner letzten Geneſis zu zeigen im
Stande iſt. Sie braucht ſich nicht, wie die bildende Kunſt,
mit allegoriſchen und ſymboliſchen Mitteln zu behelfen,
ſondern kann die eigene negative Tiefe des böſen Selbſtbe¬
wußtſeins ſich ausſprechen laſſen. Iſt nicht die Größe des
Götheſchen Mephiſto eben in der ironiſchen Klarheit gelegen,
mit welcher ſich der Schalck, der ſtets verneint, ausſpricht?
„Das Böſe aber, fährt unſer Philoſoph fort, iſt im Allge¬
meinen in ſich kahl und gehaltlos, weil aus demſelben nichts
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[360/0382] Wenn die „Furien des Haſſes“ vielleicht gar die Eumeniden bedeuten ſollten, ſo würde Hegel entſchieden fehlgreifen, da dieſelben, als Wächterinnen über die Blutſchuld, weſentlich affirmative Mächte ſind, welche die Verletzung des Rechts und der heiligen Sitte rächen. In ihrer Furchtbarkeit ſind ſie erhaben ſchön gebildet worden, wenn auch der Lichtgott ſie als Nachtunholdinnen Scheuſale nennt. Indeſſen wird er hier weniger an die Griechen als an die Römer und Franzoſen gedacht haben, z. B. an Voltaire's Henriade, die mit ſolchen allegoriſchen Figuren als einer Art Mythologie reichlich ausgeſtattet iſt. Wenn aber ſolche Allegorien äſthe¬ tiſch matt und kahl ausfallen, iſt davon der Grund nicht eben in der Natur der Allegorie zu finden? Sind denn die Tugenden, in allegoriſcher Vereinzelung ausgedrückt, äſthe¬ tiſch beſſer daran, als die Laſter? Iſt nicht das fruchtbarſte, formenreichſte Genie, wie das eines Albrecht Dürer, eines Rubens, kaum vermögend, das Proſaiſche der Allegorie auf¬ zuheben? Hegel gibt etwas zu, nämlich daß die verſchiedenen Künſte ſich hier wohl verſchieden verhalten dürften. Gewiß, aber eben deshalb vermag die Poeſie das Böſe durchaus intereſſant zu geſtalten, weil ſie den eigenthümlichen Wahn¬ ſinn, der es erzeugt, in ſeiner letzten Geneſis zu zeigen im Stande iſt. Sie braucht ſich nicht, wie die bildende Kunſt, mit allegoriſchen und ſymboliſchen Mitteln zu behelfen, ſondern kann die eigene negative Tiefe des böſen Selbſtbe¬ wußtſeins ſich ausſprechen laſſen. Iſt nicht die Größe des Götheſchen Mephiſto eben in der ironiſchen Klarheit gelegen, mit welcher ſich der Schalck, der ſtets verneint, ausſpricht? „Das Böſe aber, fährt unſer Philoſoph fort, iſt im Allge¬ meinen in ſich kahl und gehaltlos, weil aus demſelben nichts als ſelber nur Negatives, Zerſtörung und Unglück heraus¬

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/382>, abgerufen am 24.11.2024.