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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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freundlichen Baldur. Im Uebermuth fröhlichen Spiels be¬
schlossen die Götter, nach ihm zu schießen. Alle Dinge aber
wurden vorher in Eid genommen, ihm nicht zu schaden,
nur eine Mistelgerte hatte Loki's List auszunehmen gewußt.
Sie ward der verhängnißvolle Todespfeil. Loki gab sie dem
blinden Gotte Hödur, auf Baldur zu schießen. Die Götter
straften nun zwar Loki, indem sie ihn an einen Felsen ketteten
und von Schlangen schmerzendes Gift auf ihn herabträufeln
ließen. Allein mit dem Tode Baldurs des guten war die
Katastrophe der Welt angebrochen, unaufhaltsam ihrem Un¬
tergange und dem großen Kampf der Asen entgegenzueilen.
Dieser Gedanke, daß die Welt nach dem Tode des durch
Bosheit geopferten guten Gottes nicht mehr bestehen kann,
ist ungemein schön und tief. -- Im Hebräischen Monotheis¬
mus ist der Satan, der von Jehovah die Mission zur Ver¬
suchung des Hiob empfängt, nur ein Engel, keineswegs ein
diabolisches von Gott losgerissenes Wesen. Erst später
nahmen die Juden aus dem Parsismus die Vorstellung des
Eschem auf, den Fliegengott u. s. w. Auch im Islam ist
Eblis mit Allah auf gutem Fuß. Er schwört ihm, alle
Menschen, die nicht zum Muhammedanismus sich bekehren
würden, zum Bösen zu verführen, damit er sie zur Hölle
verdammen könne. Der Karageuz (gargousse) der Türken
und ganz Nordafrika's, die Hauptperson im Chinesischen
Schattenspiel daselbst, ist allerdings ein Teufel, aber nur
als ein freches, possenreißerisches Subject (83). -- Erst in
der christlichen Religion vollendet sich mit der absoluten
Tiefe der Freiheit auch das Böse in der Form eines sich in
sich vereinsamenden, absolut negativen Selbstbewußtseins.
Dem menschlich erscheinenden Gotte gegenüber konnte das
absolut Böse auch nur anthropologisch auftreten, wenn auch

freundlichen Baldur. Im Uebermuth fröhlichen Spiels be¬
ſchloſſen die Götter, nach ihm zu ſchießen. Alle Dinge aber
wurden vorher in Eid genommen, ihm nicht zu ſchaden,
nur eine Miſtelgerte hatte Loki's Liſt auszunehmen gewußt.
Sie ward der verhängnißvolle Todespfeil. Loki gab ſie dem
blinden Gotte Hödur, auf Baldur zu ſchießen. Die Götter
ſtraften nun zwar Loki, indem ſie ihn an einen Felſen ketteten
und von Schlangen ſchmerzendes Gift auf ihn herabträufeln
ließen. Allein mit dem Tode Baldurs des guten war die
Kataſtrophe der Welt angebrochen, unaufhaltſam ihrem Un¬
tergange und dem großen Kampf der Aſen entgegenzueilen.
Dieſer Gedanke, daß die Welt nach dem Tode des durch
Bosheit geopferten guten Gottes nicht mehr beſtehen kann,
iſt ungemein ſchön und tief. — Im Hebräiſchen Monotheis¬
mus iſt der Satan, der von Jehovah die Miſſion zur Ver¬
ſuchung des Hiob empfängt, nur ein Engel, keineswegs ein
diaboliſches von Gott losgeriſſenes Weſen. Erſt ſpäter
nahmen die Juden aus dem Parſismus die Vorſtellung des
Eſchem auf, den Fliegengott u. ſ. w. Auch im Islam iſt
Eblis mit Allah auf gutem Fuß. Er ſchwört ihm, alle
Menſchen, die nicht zum Muhammedanismus ſich bekehren
würden, zum Böſen zu verführen, damit er ſie zur Hölle
verdammen könne. Der Karageuz (gargousse) der Türken
und ganz Nordafrika's, die Hauptperſon im Chineſiſchen
Schattenſpiel daſelbſt, iſt allerdings ein Teufel, aber nur
als ein freches, poſſenreißeriſches Subject (83). — Erſt in
der chriſtlichen Religion vollendet ſich mit der abſoluten
Tiefe der Freiheit auch das Böſe in der Form eines ſich in
ſich vereinſamenden, abſolut negativen Selbſtbewußtſeins.
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abſolut Böſe auch nur anthropologiſch auftreten, wenn auch

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[374/0396] freundlichen Baldur. Im Uebermuth fröhlichen Spiels be¬ ſchloſſen die Götter, nach ihm zu ſchießen. Alle Dinge aber wurden vorher in Eid genommen, ihm nicht zu ſchaden, nur eine Miſtelgerte hatte Loki's Liſt auszunehmen gewußt. Sie ward der verhängnißvolle Todespfeil. Loki gab ſie dem blinden Gotte Hödur, auf Baldur zu ſchießen. Die Götter ſtraften nun zwar Loki, indem ſie ihn an einen Felſen ketteten und von Schlangen ſchmerzendes Gift auf ihn herabträufeln ließen. Allein mit dem Tode Baldurs des guten war die Kataſtrophe der Welt angebrochen, unaufhaltſam ihrem Un¬ tergange und dem großen Kampf der Aſen entgegenzueilen. Dieſer Gedanke, daß die Welt nach dem Tode des durch Bosheit geopferten guten Gottes nicht mehr beſtehen kann, iſt ungemein ſchön und tief. — Im Hebräiſchen Monotheis¬ mus iſt der Satan, der von Jehovah die Miſſion zur Ver¬ ſuchung des Hiob empfängt, nur ein Engel, keineswegs ein diaboliſches von Gott losgeriſſenes Weſen. Erſt ſpäter nahmen die Juden aus dem Parſismus die Vorſtellung des Eſchem auf, den Fliegengott u. ſ. w. Auch im Islam iſt Eblis mit Allah auf gutem Fuß. Er ſchwört ihm, alle Menſchen, die nicht zum Muhammedanismus ſich bekehren würden, zum Böſen zu verführen, damit er ſie zur Hölle verdammen könne. Der Karageuz (gargousse) der Türken und ganz Nordafrika's, die Hauptperſon im Chineſiſchen Schattenſpiel daſelbſt, iſt allerdings ein Teufel, aber nur als ein freches, poſſenreißeriſches Subject (83). — Erſt in der chriſtlichen Religion vollendet ſich mit der abſoluten Tiefe der Freiheit auch das Böſe in der Form eines ſich in ſich vereinſamenden, abſolut negativen Selbſtbewußtſeins. Dem menſchlich erſcheinenden Gotte gegenüber konnte das abſolut Böſe auch nur anthropologiſch auftreten, wenn auch

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/396>, abgerufen am 23.11.2024.