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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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sind Umbildungen der Italienischen Masken auf dem Ita¬
lienischen Theater zu Paris. Diese Masken sind in vieler
Hinsicht die vollendetsten Caricaturen. Sie enthalten alle
Nüancen des Häßlichen, aufgelöst ins Komische. Sie paro¬
diren Alles, aber sie parodiren es in einer concreten Indi¬
vidualisirung, die eine geschichtliche Basis hat. Große
Städte, wie London, Paris, Berlin, persifliren sich selbst in
ihren cockneys, ihren badauds, ihren Buffey's. Die fort¬
währende Zersetzung der Gesellschaft in diesen Culturcentren
ist unerschöpflich an zerrbildnerischen Stoffen. Mayhew in
seinem unendlich wichtigen Werk über die Londoner Armen
hat den Gedanken ausgeführt, die charakteristischen Figuren
des Straßenelends und der Spelunken Londons daguerro¬
typiren zu lassen, so daß man erschreckend treue Abbilder
des gespenstigen Hades der Londoner Civilisation bei ihm
sehen kann; das Proletariat derselben besteht fast nur aus
Caricaturen, und diese Caricaturen bestehen fast nur aus
Frazzen, die ganz den eigenthümlichen sinnlichen Zug haben,
der aus den Zerrbildern von Cruishank und Phiz uns
anwidert. Namentlich machen die verwahrlosten Kinder einen
entsetzlichen Eindruck, die in der Frühreife ihres von Mangel,
Noth, Verbrechen, Trunk und zeitweiliger Schwelgerei ver¬
wüsteten Daseins ein ganz vergreistes Aussehen darbieten.
Manche Gestalten sind edler aber nur um so ergreifender,
wie z. B. jener Hindubettler, der an einer Straßenecke
christliche Tractätlein feil hält. Diese dunkle, schmächtige
Gestalt mit ihrem subtilen Knochengebäude, mit ihrer quie¬
tistischen Beschränktheit, mit ihrem rührend melancholischen
Gesicht, aus welchem doch noch ein höherer Geist als eine
nicht ganz erloschene Erinnerung blickt, in den Nebeln
Londons! -- Die Franzosen haben ein Werk hervorgebracht,

ſind Umbildungen der Italieniſchen Masken auf dem Ita¬
lieniſchen Theater zu Paris. Dieſe Masken ſind in vieler
Hinſicht die vollendetſten Caricaturen. Sie enthalten alle
Nüançen des Häßlichen, aufgelöſt ins Komiſche. Sie paro¬
diren Alles, aber ſie parodiren es in einer concreten Indi¬
vidualiſirung, die eine geſchichtliche Baſis hat. Große
Städte, wie London, Paris, Berlin, perſifliren ſich ſelbſt in
ihren cockneys, ihren badauds, ihren Buffey's. Die fort¬
währende Zerſetzung der Geſellſchaft in dieſen Culturcentren
iſt unerſchöpflich an zerrbildneriſchen Stoffen. Mayhew in
ſeinem unendlich wichtigen Werk über die Londoner Armen
hat den Gedanken ausgeführt, die charakteriſtiſchen Figuren
des Straßenelends und der Spelunken Londons daguerro¬
typiren zu laſſen, ſo daß man erſchreckend treue Abbilder
des geſpenſtigen Hades der Londoner Civiliſation bei ihm
ſehen kann; das Proletariat derſelben beſteht faſt nur aus
Caricaturen, und dieſe Caricaturen beſtehen faſt nur aus
Frazzen, die ganz den eigenthümlichen ſinnlichen Zug haben,
der aus den Zerrbildern von Cruishank und Phiz uns
anwidert. Namentlich machen die verwahrloſten Kinder einen
entſetzlichen Eindruck, die in der Frühreife ihres von Mangel,
Noth, Verbrechen, Trunk und zeitweiliger Schwelgerei ver¬
wüſteten Daſeins ein ganz vergreiſtes Ausſehen darbieten.
Manche Geſtalten ſind edler aber nur um ſo ergreifender,
wie z. B. jener Hindubettler, der an einer Straßenecke
chriſtliche Tractätlein feil hält. Dieſe dunkle, ſchmächtige
Geſtalt mit ihrem ſubtilen Knochengebäude, mit ihrer quie¬
tiſtiſchen Beſchränktheit, mit ihrem rührend melancholiſchen
Geſicht, aus welchem doch noch ein höherer Geiſt als eine
nicht ganz erloſchene Erinnerung blickt, in den Nebeln
Londons! — Die Franzoſen haben ein Werk hervorgebracht,

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[415/0437] ſind Umbildungen der Italieniſchen Masken auf dem Ita¬ lieniſchen Theater zu Paris. Dieſe Masken ſind in vieler Hinſicht die vollendetſten Caricaturen. Sie enthalten alle Nüançen des Häßlichen, aufgelöſt ins Komiſche. Sie paro¬ diren Alles, aber ſie parodiren es in einer concreten Indi¬ vidualiſirung, die eine geſchichtliche Baſis hat. Große Städte, wie London, Paris, Berlin, perſifliren ſich ſelbſt in ihren cockneys, ihren badauds, ihren Buffey's. Die fort¬ währende Zerſetzung der Geſellſchaft in dieſen Culturcentren iſt unerſchöpflich an zerrbildneriſchen Stoffen. Mayhew in ſeinem unendlich wichtigen Werk über die Londoner Armen hat den Gedanken ausgeführt, die charakteriſtiſchen Figuren des Straßenelends und der Spelunken Londons daguerro¬ typiren zu laſſen, ſo daß man erſchreckend treue Abbilder des geſpenſtigen Hades der Londoner Civiliſation bei ihm ſehen kann; das Proletariat derſelben beſteht faſt nur aus Caricaturen, und dieſe Caricaturen beſtehen faſt nur aus Frazzen, die ganz den eigenthümlichen ſinnlichen Zug haben, der aus den Zerrbildern von Cruishank und Phiz uns anwidert. Namentlich machen die verwahrloſten Kinder einen entſetzlichen Eindruck, die in der Frühreife ihres von Mangel, Noth, Verbrechen, Trunk und zeitweiliger Schwelgerei ver¬ wüſteten Daſeins ein ganz vergreiſtes Ausſehen darbieten. Manche Geſtalten ſind edler aber nur um ſo ergreifender, wie z. B. jener Hindubettler, der an einer Straßenecke chriſtliche Tractätlein feil hält. Dieſe dunkle, ſchmächtige Geſtalt mit ihrem ſubtilen Knochengebäude, mit ihrer quie¬ tiſtiſchen Beſchränktheit, mit ihrem rührend melancholiſchen Geſicht, aus welchem doch noch ein höherer Geiſt als eine nicht ganz erloſchene Erinnerung blickt, in den Nebeln Londons! — Die Franzoſen haben ein Werk hervorgebracht,

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/437>, abgerufen am 22.11.2024.