heiten des Luxus, in der Rivalität der modischen Heilme¬ thoden, in den Verirrungen der Kunst selber darbietet. Diese Caricaturen sind gewöhnlich schon die Aeußerungen der Reaction, mit welcher der Geist solche Krankheiten zu über¬ winden sucht. So der basbleu als Satire auf die schrift¬ stellernden Damen; so Mr. Prudhomme als Satire auf die Alles besser wissenden Kritiker; so Mr. Mayeux in der Uniform, die große Bärenmütze auf dem Kopf, die Conservationsbrille auf der Nase, als Satire auf die Nationalgardisten; so Jean Pataurot a la recherche de la meilleure des republiques als Satire auf die Socialisten und Communisten u. s. w. Solche Caricaturen werden auch zuweilen ganz persönlich, wie z. B. A. W. Schlegel Kotzebue's Poesie verspottete oder wie das Streben der Gräfin Hahn-Hahn, in ihren Romanen den Rechten zu finden, in der Diogena geistreich persiflirt worden ist. Nachdem sie es mit einer ganzen Reihe von Männern, sogar mit einem nordamerikanischen India¬ nerhäuptling, umsonst versucht hat, erkennt sie endlich den Rechten in -- einem Chinesen.
In der Behandlung muß die Caricatur den allgemeinen Gesetzen der Kunst folgen. Sie kann portraitiren, symbo¬ lisiren, idealisiren.
Die Portraitirung wird im Durchschnitt der persön¬ lichen Caricatur angehören, die aus der Satire gegen ein bestimmtes Individuum entspringt. Da jedoch diese Richtung gewöhnlich mit den Kämpfen der Parteien im Staat, in der Kirche, in der Kunst zusammenhängt, so wird der Haß einen großen Antheil daran haben. Hiervon ist die Folge, daß die ästhetische Ausarbeitung des Zerrbildes dem materiellen Interesse, den vergifteten Pfeil auf den Gegner abzuschnellen, untergeordnet wird. Man begnügt sich deshalb mit einer
heiten des Luxus, in der Rivalität der modiſchen Heilme¬ thoden, in den Verirrungen der Kunſt ſelber darbietet. Dieſe Caricaturen ſind gewöhnlich ſchon die Aeußerungen der Reaction, mit welcher der Geiſt ſolche Krankheiten zu über¬ winden ſucht. So der basbleu als Satire auf die ſchrift¬ ſtellernden Damen; ſo Mr. Prudhomme als Satire auf die Alles beſſer wiſſenden Kritiker; ſo Mr. Mayeux in der Uniform, die große Bärenmütze auf dem Kopf, die Conſervationsbrille auf der Naſe, als Satire auf die Nationalgardiſten; ſo Jean Patûrot à la recherche de la meilleure des républiques als Satire auf die Socialiſten und Communiſten u. ſ. w. Solche Caricaturen werden auch zuweilen ganz perſönlich, wie z. B. A. W. Schlegel Kotzebue's Poeſie verſpottete oder wie das Streben der Gräfin Hahn-Hahn, in ihren Romanen den Rechten zu finden, in der Diogena geiſtreich perſiflirt worden iſt. Nachdem ſie es mit einer ganzen Reihe von Männern, ſogar mit einem nordamerikaniſchen India¬ nerhäuptling, umſonſt verſucht hat, erkennt ſie endlich den Rechten in — einem Chineſen.
In der Behandlung muß die Caricatur den allgemeinen Geſetzen der Kunſt folgen. Sie kann portraitiren, ſymbo¬ liſiren, idealiſiren.
Die Portraitirung wird im Durchſchnitt der perſön¬ lichen Caricatur angehören, die aus der Satire gegen ein beſtimmtes Individuum entſpringt. Da jedoch dieſe Richtung gewöhnlich mit den Kämpfen der Parteien im Staat, in der Kirche, in der Kunſt zuſammenhängt, ſo wird der Haß einen großen Antheil daran haben. Hiervon iſt die Folge, daß die äſthetiſche Ausarbeitung des Zerrbildes dem materiellen Intereſſe, den vergifteten Pfeil auf den Gegner abzuſchnellen, untergeordnet wird. Man begnügt ſich deshalb mit einer
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thoden, in den Verirrungen der Kunſt ſelber darbietet.
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Reaction, mit welcher der Geiſt ſolche Krankheiten zu über¬
winden ſucht. So der basbleu als Satire auf die ſchrift¬
ſtellernden Damen; ſo Mr. Prudhomme als Satire auf die
Alles beſſer wiſſenden Kritiker; ſo Mr. Mayeux in der Uniform,
die große Bärenmütze auf dem Kopf, die Conſervationsbrille
auf der Naſe, als Satire auf die Nationalgardiſten; ſo
Jean Patûrot à la recherche de la meilleure des républiques
als Satire auf die Socialiſten und Communiſten u. ſ. w.
Solche Caricaturen werden auch zuweilen ganz perſönlich,
wie z. B. A. W. Schlegel Kotzebue's Poeſie verſpottete
oder wie das Streben der Gräfin Hahn-Hahn, in ihren
Romanen den Rechten zu finden, in der Diogena geiſtreich
perſiflirt worden iſt. Nachdem ſie es mit einer ganzen Reihe
von Männern, ſogar mit einem nordamerikaniſchen India¬
nerhäuptling, umſonſt verſucht hat, erkennt ſie endlich den
Rechten in — einem Chineſen.
In der Behandlung muß die Caricatur den allgemeinen
Geſetzen der Kunſt folgen. Sie kann portraitiren, ſymbo¬
liſiren, idealiſiren.
Die Portraitirung wird im Durchſchnitt der perſön¬
lichen Caricatur angehören, die aus der Satire gegen ein
beſtimmtes Individuum entſpringt. Da jedoch dieſe Richtung
gewöhnlich mit den Kämpfen der Parteien im Staat, in der
Kirche, in der Kunſt zuſammenhängt, ſo wird der Haß
einen großen Antheil daran haben. Hiervon iſt die Folge,
daß die äſthetiſche Ausarbeitung des Zerrbildes dem materiellen
Intereſſe, den vergifteten Pfeil auf den Gegner abzuſchnellen,
untergeordnet wird. Man begnügt ſich deshalb mit einer
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/443>, abgerufen am 22.11.2024.
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