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Roßmäßler, Emil Adolf: Das Süßwasser-Aquarium. Leipzig, 1857.

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Die Thiere des Aquariums.
eines trüben Purpursaftes aus. Die Tellerschnecken legen ihre Eier in
runden, flachen Laichklumpen ab.

Die Blasenschnecken, Physa, unterscheiden sich sehr leicht von allen
übrigen Wasserschnecken dadurch, daß ihr Gehäuse links gewunden ist.
In Teichen und größeren Gräben lebt die eine unserer beiden gemeinen
deutschen Arten, Ph. fontinalis, während die andere, Ph. hypnorum, in
kleinen Wiesengräben vorkommt. Die erstere hüllt ihr ganzes Gehäuse in
eine zerschlitzte Mantelhaut ein, welche das Thier aus der Mündung her-
ausschlägt. (Fig. 49. 6, 7.)

Die Kammschnecken, Valvata, sind kleine Thiere mit theils planorbis-
artigen, theils mehr kugligen Gehäusen. Von den ersteren kommen zwar
mehre in Gräben und Teichen sehr häufig vor, sind aber zu klein, um
zur Bevölkerung des Aquariums wesentlich beizutragen. Nur eine Art,
V. piscinalis (Fig. 49. 8, 9.), von der Größe eines kleinen Kirschkernes, ist
groß genug für uns und verdient unsere Aufmerksamkeit durch ihr Athem-
organ, welches ein zierliches Bäumchen darstellt, das bei der geringsten
Störung vorsichtig zurückgezogen wird (9.). Die Kammschnecken sind
Deckelschnecken und haben einen dünnen häutig knorpeligen Deckel, der
aber auf andere Weise wächst, als der der Sumpfschnecken. Er wird
nämlich nicht ringsum an seinem ganzen Umfange vergrößert, sondern
blos an der Seite, welche an der Spindelsäule des Gehäuses anliegt, wo
immer ein kleines keilförmiges Stück angesetzt wird. Dies kann nur unter
einer Voraussetzung geschehen, die man kaum für zulässig halten sollte,
daß nämlich der Deckel sich während des Wachsthums fortwährend um
seine Axe dreht, trotzdem daß er auf dem Fuße des Thieres festgewachsen
ist. Dadurch bekommt der Deckel nicht wie bei den Paludinen concentri-
sche Anwachsringe, sondern man bemerkt auf demselben eine Spirallinie,
durch das gleichzeitige Drehen und Vergrößertwerden bedingt. Wir haben
hier einen der zahlreichen Fälle in der Bildungsgeschichte der organischen
Wesen vor uns, der selbst an diesem Orte sein Interesse geltend machen
darf und eine kurze Beschreibung verdiente.

Die Flußschwimmschnecke, Neritina fluviatilis, lebt nur in Flüssen

Die Thiere des Aquariums.
eines trüben Purpurſaftes aus. Die Tellerſchnecken legen ihre Eier in
runden, flachen Laichklumpen ab.

Die Blaſenſchnecken, Physa, unterſcheiden ſich ſehr leicht von allen
übrigen Waſſerſchnecken dadurch, daß ihr Gehäuſe links gewunden iſt.
In Teichen und größeren Gräben lebt die eine unſerer beiden gemeinen
deutſchen Arten, Ph. fontinalis, während die andere, Ph. hypnorum, in
kleinen Wieſengräben vorkommt. Die erſtere hüllt ihr ganzes Gehäuſe in
eine zerſchlitzte Mantelhaut ein, welche das Thier aus der Mündung her-
ausſchlägt. (Fig. 49. 6, 7.)

Die Kammſchnecken, Valvata, ſind kleine Thiere mit theils planorbis-
artigen, theils mehr kugligen Gehäuſen. Von den erſteren kommen zwar
mehre in Gräben und Teichen ſehr häufig vor, ſind aber zu klein, um
zur Bevölkerung des Aquariums weſentlich beizutragen. Nur eine Art,
V. piscinalis (Fig. 49. 8, 9.), von der Größe eines kleinen Kirſchkernes, iſt
groß genug für uns und verdient unſere Aufmerkſamkeit durch ihr Athem-
organ, welches ein zierliches Bäumchen darſtellt, das bei der geringſten
Störung vorſichtig zurückgezogen wird (9.). Die Kammſchnecken ſind
Deckelſchnecken und haben einen dünnen häutig knorpeligen Deckel, der
aber auf andere Weiſe wächſt, als der der Sumpfſchnecken. Er wird
nämlich nicht ringsum an ſeinem ganzen Umfange vergrößert, ſondern
blos an der Seite, welche an der Spindelſäule des Gehäuſes anliegt, wo
immer ein kleines keilförmiges Stück angeſetzt wird. Dies kann nur unter
einer Vorausſetzung geſchehen, die man kaum für zuläſſig halten ſollte,
daß nämlich der Deckel ſich während des Wachsthums fortwährend um
ſeine Axe dreht, trotzdem daß er auf dem Fuße des Thieres feſtgewachſen
iſt. Dadurch bekommt der Deckel nicht wie bei den Paludinen concentri-
ſche Anwachsringe, ſondern man bemerkt auf demſelben eine Spirallinie,
durch das gleichzeitige Drehen und Vergrößertwerden bedingt. Wir haben
hier einen der zahlreichen Fälle in der Bildungsgeſchichte der organiſchen
Weſen vor uns, der ſelbſt an dieſem Orte ſein Intereſſe geltend machen
darf und eine kurze Beſchreibung verdiente.

Die Flußſchwimmſchnecke, Neritina fluviatilis, lebt nur in Flüſſen

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[66/0082] Die Thiere des Aquariums. eines trüben Purpurſaftes aus. Die Tellerſchnecken legen ihre Eier in runden, flachen Laichklumpen ab. Die Blaſenſchnecken, Physa, unterſcheiden ſich ſehr leicht von allen übrigen Waſſerſchnecken dadurch, daß ihr Gehäuſe links gewunden iſt. In Teichen und größeren Gräben lebt die eine unſerer beiden gemeinen deutſchen Arten, Ph. fontinalis, während die andere, Ph. hypnorum, in kleinen Wieſengräben vorkommt. Die erſtere hüllt ihr ganzes Gehäuſe in eine zerſchlitzte Mantelhaut ein, welche das Thier aus der Mündung her- ausſchlägt. (Fig. 49. 6, 7.) Die Kammſchnecken, Valvata, ſind kleine Thiere mit theils planorbis- artigen, theils mehr kugligen Gehäuſen. Von den erſteren kommen zwar mehre in Gräben und Teichen ſehr häufig vor, ſind aber zu klein, um zur Bevölkerung des Aquariums weſentlich beizutragen. Nur eine Art, V. piscinalis (Fig. 49. 8, 9.), von der Größe eines kleinen Kirſchkernes, iſt groß genug für uns und verdient unſere Aufmerkſamkeit durch ihr Athem- organ, welches ein zierliches Bäumchen darſtellt, das bei der geringſten Störung vorſichtig zurückgezogen wird (9.). Die Kammſchnecken ſind Deckelſchnecken und haben einen dünnen häutig knorpeligen Deckel, der aber auf andere Weiſe wächſt, als der der Sumpfſchnecken. Er wird nämlich nicht ringsum an ſeinem ganzen Umfange vergrößert, ſondern blos an der Seite, welche an der Spindelſäule des Gehäuſes anliegt, wo immer ein kleines keilförmiges Stück angeſetzt wird. Dies kann nur unter einer Vorausſetzung geſchehen, die man kaum für zuläſſig halten ſollte, daß nämlich der Deckel ſich während des Wachsthums fortwährend um ſeine Axe dreht, trotzdem daß er auf dem Fuße des Thieres feſtgewachſen iſt. Dadurch bekommt der Deckel nicht wie bei den Paludinen concentri- ſche Anwachsringe, ſondern man bemerkt auf demſelben eine Spirallinie, durch das gleichzeitige Drehen und Vergrößertwerden bedingt. Wir haben hier einen der zahlreichen Fälle in der Bildungsgeſchichte der organiſchen Weſen vor uns, der ſelbſt an dieſem Orte ſein Intereſſe geltend machen darf und eine kurze Beſchreibung verdiente. Die Flußſchwimmſchnecke, Neritina fluviatilis, lebt nur in Flüſſen

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Das Süßwasser-Aquarium. Leipzig, 1857, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_suesswasseraquarium_1857/82>, abgerufen am 24.11.2024.