bringen sah, von welchem unzweifelhaft war, daß er anderthalb Jahr- tausende tief im Boden unter dem Schädel eines bestatteten Leichnams gelegen hatte, warum soll man vermuthen, daß diese Keimkraft nach ander- weiten anderthalbtausend Jahren, unter vollkommener Beibehaltung der bisherigen Umstände, nicht mehr vorhanden sein werde?
Diese Erwägungen zusammen sollen uns nun eine Erscheinung er- klärlich machen, welche im Walde und anderwärts sehr oft vorkommt und welche recht eigentlich an diesem Orte ins Auge gefaßt zu werden verdient. Diese Erscheinung ist vorläufig schon auf S. 40 bei Betrachtung des Waldbodens kurz besprochen worden, welche Stelle daher vorerst noch einmal nachzulesen ist.
Wenn der Forstmann einen Hochwaldbestand kahl abgetrieben und den Schlag geräumt, d. h. das gefällte Holz abgefahren und die Stöcke gerodet hat, so wird er nicht selten durch ein reichliches Aufgehen von Samenpflänzchen einer ganz anderen Baumart überrascht, als diejenige war, welche bisher vielleicht seit 50--60 Jahren ganz allein diese Fläche bedeckt hatte.
Dies ist z. B. bisweilen mit Buchen nach Fichten der Fall. Es kann Niemand einfallen, zu glauben, daß die jungen Buchenpflänzchen ohne Samen "von selbst" entstanden seien, und es bleibt keine andere Deutung solcher überraschender Erscheinungen übrig, als anzunehmen, daß die Bucheckern seit sehr langer Zeit unter den den Boden ganz bedeckenden Wurzelstöcken der Fichten gelegen haben, und nun, nachdem Luft und Sonnenschein und Regen den aufgewühlten Boden durchdrangen, endlich noch aufgehen. Die andere an der erwähnten früheren Stelle unseres Buches für solche Erscheinungen mitgetheilte Erklärung ist bei den großen schweren Bucheckern nicht nur an sich nicht zulässig, sondern in der Nähe solcher sogenannten natürlichen Buchenbesamungen sind oft die samentragenden Buchen gar nicht einmal vorhanden, von denen der Wind die Samen hieher geführt haben könnte.
Diese Erscheinung ist bei den Buchen um so mehr auffallend, als wir bereits wissen, daß es eine Art Preisfrage des Waldbaues ist, Buch- eckern für mehrere Jahre so aufzubewahren, daß sie ihre Keimkraft nicht verlieren.
Roßmäßler, der Wald. 10
bringen ſah, von welchem unzweifelhaft war, daß er anderthalb Jahr- tauſende tief im Boden unter dem Schädel eines beſtatteten Leichnams gelegen hatte, warum ſoll man vermuthen, daß dieſe Keimkraft nach ander- weiten anderthalbtauſend Jahren, unter vollkommener Beibehaltung der bisherigen Umſtände, nicht mehr vorhanden ſein werde?
Dieſe Erwägungen zuſammen ſollen uns nun eine Erſcheinung er- klärlich machen, welche im Walde und anderwärts ſehr oft vorkommt und welche recht eigentlich an dieſem Orte ins Auge gefaßt zu werden verdient. Dieſe Erſcheinung iſt vorläufig ſchon auf S. 40 bei Betrachtung des Waldbodens kurz beſprochen worden, welche Stelle daher vorerſt noch einmal nachzuleſen iſt.
Wenn der Forſtmann einen Hochwaldbeſtand kahl abgetrieben und den Schlag geräumt, d. h. das gefällte Holz abgefahren und die Stöcke gerodet hat, ſo wird er nicht ſelten durch ein reichliches Aufgehen von Samenpflänzchen einer ganz anderen Baumart überraſcht, als diejenige war, welche bisher vielleicht ſeit 50—60 Jahren ganz allein dieſe Fläche bedeckt hatte.
Dies iſt z. B. bisweilen mit Buchen nach Fichten der Fall. Es kann Niemand einfallen, zu glauben, daß die jungen Buchenpflänzchen ohne Samen „von ſelbſt“ entſtanden ſeien, und es bleibt keine andere Deutung ſolcher überraſchender Erſcheinungen übrig, als anzunehmen, daß die Bucheckern ſeit ſehr langer Zeit unter den den Boden ganz bedeckenden Wurzelſtöcken der Fichten gelegen haben, und nun, nachdem Luft und Sonnenſchein und Regen den aufgewühlten Boden durchdrangen, endlich noch aufgehen. Die andere an der erwähnten früheren Stelle unſeres Buches für ſolche Erſcheinungen mitgetheilte Erklärung iſt bei den großen ſchweren Bucheckern nicht nur an ſich nicht zuläſſig, ſondern in der Nähe ſolcher ſogenannten natürlichen Buchenbeſamungen ſind oft die ſamentragenden Buchen gar nicht einmal vorhanden, von denen der Wind die Samen hieher geführt haben könnte.
Dieſe Erſcheinung iſt bei den Buchen um ſo mehr auffallend, als wir bereits wiſſen, daß es eine Art Preisfrage des Waldbaues iſt, Buch- eckern für mehrere Jahre ſo aufzubewahren, daß ſie ihre Keimkraft nicht verlieren.
Roßmäßler, der Wald. 10
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tauſende tief im Boden unter dem Schädel eines beſtatteten Leichnams
gelegen hatte, warum ſoll man vermuthen, daß dieſe Keimkraft nach ander-
weiten anderthalbtauſend Jahren, unter vollkommener Beibehaltung der
bisherigen Umſtände, nicht mehr vorhanden ſein werde?
Dieſe Erwägungen zuſammen ſollen uns nun eine Erſcheinung er-
klärlich machen, welche im Walde und anderwärts ſehr oft vorkommt und
welche recht eigentlich an dieſem Orte ins Auge gefaßt zu werden verdient.
Dieſe Erſcheinung iſt vorläufig ſchon auf S. 40 bei Betrachtung des
Waldbodens kurz beſprochen worden, welche Stelle daher vorerſt noch
einmal nachzuleſen iſt.
Wenn der Forſtmann einen Hochwaldbeſtand kahl abgetrieben und
den Schlag geräumt, d. h. das gefällte Holz abgefahren und die Stöcke
gerodet hat, ſo wird er nicht ſelten durch ein reichliches Aufgehen von
Samenpflänzchen einer ganz anderen Baumart überraſcht, als diejenige
war, welche bisher vielleicht ſeit 50—60 Jahren ganz allein dieſe Fläche
bedeckt hatte.
Dies iſt z. B. bisweilen mit Buchen nach Fichten der Fall. Es kann
Niemand einfallen, zu glauben, daß die jungen Buchenpflänzchen ohne
Samen „von ſelbſt“ entſtanden ſeien, und es bleibt keine andere Deutung
ſolcher überraſchender Erſcheinungen übrig, als anzunehmen, daß die
Bucheckern ſeit ſehr langer Zeit unter den den Boden ganz bedeckenden
Wurzelſtöcken der Fichten gelegen haben, und nun, nachdem Luft und
Sonnenſchein und Regen den aufgewühlten Boden durchdrangen, endlich
noch aufgehen. Die andere an der erwähnten früheren Stelle unſeres
Buches für ſolche Erſcheinungen mitgetheilte Erklärung iſt bei den großen
ſchweren Bucheckern nicht nur an ſich nicht zuläſſig, ſondern in der Nähe
ſolcher ſogenannten natürlichen Buchenbeſamungen ſind oft die ſamentragenden
Buchen gar nicht einmal vorhanden, von denen der Wind die Samen
hieher geführt haben könnte.
Dieſe Erſcheinung iſt bei den Buchen um ſo mehr auffallend, als
wir bereits wiſſen, daß es eine Art Preisfrage des Waldbaues iſt, Buch-
eckern für mehrere Jahre ſo aufzubewahren, daß ſie ihre Keimkraft nicht
verlieren.
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/169>, abgerufen am 22.12.2024.
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