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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Nachbarschaft seine freie Entfaltung hemmte, oder ob sie ihm einen ange-
messenen Schutz vor austrocknender Wärme und Luft und vor zu viel
Licht gewährte, oder endlich ob in Ermangelung dieses Schutzes das
junge Bäumchen durch Hitze und Trockenheit kümmerte oder gar zu Grunde
ging. Daher ist die Bodenbekleidung in den "Kulturen", so nennt der
Forstmann die durch Saat oder Pflanzung angebauten Flächen, von so
großer Bedeutung und hier zeigen sich die verschiedenen Baumarten sehr
ungleich in dem höheren oder geringeren Grade, in welchem sie durch die
Waldunkräuter leiden oder sogar deren Schutz bedürfen. Nicht selten muß
der Forstmann für seine Holzsaaten wenigstens theilweise die Waldunkräuter
entfernen und anstatt einer Vollsaat muß er dann Streifen- oder
Platz-Saaten anwenden.

Wir verlassen nun das junge Bäumchen und setzen unsere Betrach-
tung des Baumlebens erst wieder fort, wenn es zu einem großen Baume
erwachsen ist. Nur Einiges wollen wir über den dazwischen liegenden
Zeitraum noch hinzufügen; zunächst daß derselbe nicht nur bei den ver-
schiedenen Arten, sondern auch bei einzelnen Bäumen oder ganzen Be-
ständen einer Art sehr verschieden ist, wobei natürlich der Boden von
maßgebendem Einflusse ist. Ferner erinnern wir uns jetzt an das, was
wir auf S. 13 über den Baum hinsichtlich seines individuellen Abschlusses
gesagt haben. Wir konnten bei den meisten Pflanzen, am allerwenigsten
bei den Bäumen, nicht wie bei den Thieren sagen, sie sei nun fertig und
"ausgewachsen." Von zwei gleich alten Eichen kann die eine, die auf
gutem Boden steht, noch ganz den Eindruck eines jugendlich kräftigen,
immer noch in bedeutendem Maße zunehmenden Baumes machen, während
die andere, in schlechtem Boden, bereits den Eindruck des Alters macht.

Man bezeichnet es gewöhnlich als einen bemerkenswerthen Lebens-
abschnitt, wenn der Baum anfängt zu blühen und Früchte zu
tragen
, was keineswegs immer um so früher geschieht, je fruchtbarer
der Boden ist. Im Gegentheil sieht der Forstmann ein frühes Samen-
tragen gewöhnlich als ein Zeichen zu frühen Alterns an, was namentlich
bei der Lärche oft eintritt, wenn sie auf ungünstigem Boden steht. Ein
sehr fruchtbarer Boden hat in der Regel mehr eine üppige Massenzunahme
des Baumes als eine Blüthenentwicklung zur Folge, und letztere beginnt in
der Regel erst, wenn der Baum seinem möglichen Umfange bereits nahe ist.

Nachbarſchaft ſeine freie Entfaltung hemmte, oder ob ſie ihm einen ange-
meſſenen Schutz vor austrocknender Wärme und Luft und vor zu viel
Licht gewährte, oder endlich ob in Ermangelung dieſes Schutzes das
junge Bäumchen durch Hitze und Trockenheit kümmerte oder gar zu Grunde
ging. Daher iſt die Bodenbekleidung in den „Kulturen“, ſo nennt der
Forſtmann die durch Saat oder Pflanzung angebauten Flächen, von ſo
großer Bedeutung und hier zeigen ſich die verſchiedenen Baumarten ſehr
ungleich in dem höheren oder geringeren Grade, in welchem ſie durch die
Waldunkräuter leiden oder ſogar deren Schutz bedürfen. Nicht ſelten muß
der Forſtmann für ſeine Holzſaaten wenigſtens theilweiſe die Waldunkräuter
entfernen und anſtatt einer Vollſaat muß er dann Streifen- oder
Platz-Saaten anwenden.

Wir verlaſſen nun das junge Bäumchen und ſetzen unſere Betrach-
tung des Baumlebens erſt wieder fort, wenn es zu einem großen Baume
erwachſen iſt. Nur Einiges wollen wir über den dazwiſchen liegenden
Zeitraum noch hinzufügen; zunächſt daß derſelbe nicht nur bei den ver-
ſchiedenen Arten, ſondern auch bei einzelnen Bäumen oder ganzen Be-
ſtänden einer Art ſehr verſchieden iſt, wobei natürlich der Boden von
maßgebendem Einfluſſe iſt. Ferner erinnern wir uns jetzt an das, was
wir auf S. 13 über den Baum hinſichtlich ſeines individuellen Abſchluſſes
geſagt haben. Wir konnten bei den meiſten Pflanzen, am allerwenigſten
bei den Bäumen, nicht wie bei den Thieren ſagen, ſie ſei nun fertig und
„ausgewachſen.“ Von zwei gleich alten Eichen kann die eine, die auf
gutem Boden ſteht, noch ganz den Eindruck eines jugendlich kräftigen,
immer noch in bedeutendem Maße zunehmenden Baumes machen, während
die andere, in ſchlechtem Boden, bereits den Eindruck des Alters macht.

Man bezeichnet es gewöhnlich als einen bemerkenswerthen Lebens-
abſchnitt, wenn der Baum anfängt zu blühen und Früchte zu
tragen
, was keineswegs immer um ſo früher geſchieht, je fruchtbarer
der Boden iſt. Im Gegentheil ſieht der Forſtmann ein frühes Samen-
tragen gewöhnlich als ein Zeichen zu frühen Alterns an, was namentlich
bei der Lärche oft eintritt, wenn ſie auf ungünſtigem Boden ſteht. Ein
ſehr fruchtbarer Boden hat in der Regel mehr eine üppige Maſſenzunahme
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[154/0178] Nachbarſchaft ſeine freie Entfaltung hemmte, oder ob ſie ihm einen ange- meſſenen Schutz vor austrocknender Wärme und Luft und vor zu viel Licht gewährte, oder endlich ob in Ermangelung dieſes Schutzes das junge Bäumchen durch Hitze und Trockenheit kümmerte oder gar zu Grunde ging. Daher iſt die Bodenbekleidung in den „Kulturen“, ſo nennt der Forſtmann die durch Saat oder Pflanzung angebauten Flächen, von ſo großer Bedeutung und hier zeigen ſich die verſchiedenen Baumarten ſehr ungleich in dem höheren oder geringeren Grade, in welchem ſie durch die Waldunkräuter leiden oder ſogar deren Schutz bedürfen. Nicht ſelten muß der Forſtmann für ſeine Holzſaaten wenigſtens theilweiſe die Waldunkräuter entfernen und anſtatt einer Vollſaat muß er dann Streifen- oder Platz-Saaten anwenden. Wir verlaſſen nun das junge Bäumchen und ſetzen unſere Betrach- tung des Baumlebens erſt wieder fort, wenn es zu einem großen Baume erwachſen iſt. Nur Einiges wollen wir über den dazwiſchen liegenden Zeitraum noch hinzufügen; zunächſt daß derſelbe nicht nur bei den ver- ſchiedenen Arten, ſondern auch bei einzelnen Bäumen oder ganzen Be- ſtänden einer Art ſehr verſchieden iſt, wobei natürlich der Boden von maßgebendem Einfluſſe iſt. Ferner erinnern wir uns jetzt an das, was wir auf S. 13 über den Baum hinſichtlich ſeines individuellen Abſchluſſes geſagt haben. Wir konnten bei den meiſten Pflanzen, am allerwenigſten bei den Bäumen, nicht wie bei den Thieren ſagen, ſie ſei nun fertig und „ausgewachſen.“ Von zwei gleich alten Eichen kann die eine, die auf gutem Boden ſteht, noch ganz den Eindruck eines jugendlich kräftigen, immer noch in bedeutendem Maße zunehmenden Baumes machen, während die andere, in ſchlechtem Boden, bereits den Eindruck des Alters macht. Man bezeichnet es gewöhnlich als einen bemerkenswerthen Lebens- abſchnitt, wenn der Baum anfängt zu blühen und Früchte zu tragen, was keineswegs immer um ſo früher geſchieht, je fruchtbarer der Boden iſt. Im Gegentheil ſieht der Forſtmann ein frühes Samen- tragen gewöhnlich als ein Zeichen zu frühen Alterns an, was namentlich bei der Lärche oft eintritt, wenn ſie auf ungünſtigem Boden ſteht. Ein ſehr fruchtbarer Boden hat in der Regel mehr eine üppige Maſſenzunahme des Baumes als eine Blüthenentwicklung zur Folge, und letztere beginnt in der Regel erſt, wenn der Baum ſeinem möglichen Umfange bereits nahe iſt.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/178>, abgerufen am 19.05.2024.