Wenn in der ersten Jugend die Pflanzendecke des Waldbodens einen wesentlichen Einfluß auf dessen Entwicklung und Gestaltung hat, so üben später die heranwachsenden Bäume gegen einander selbst einen großen Einfluß aus.
Namentlich bei Vollsaaten, besonders wenn der Same recht gut auf- gegangen ist, bilden die heranwachsenden Bäumchen unter sich in einigen Jahren ein so dichtes Gedränge, daß sie einander selbst hinderlich werden. Namentlich bei den Nadelhölzern, wenn sie etwa 4--5 Fuß hoch geworden sind, ist es dann gar nicht möglich hindurchzukommen, und man nennt eine Fichtenkultur nun nicht mehr so, sondern ein Dickicht, nachdem sie vorher eine Schonung geheißen hatte.
Es versteht sich von selbst, daß diese sich drängende junge Schaar gar nicht einmal Raum dazu hat, daß alle Einzelnen zu gedeihlichem Wachsthum kommen können. Der Forstmann muß für Platz sorgen. Er kann dies nur durch Herausnehmen des Zuviel bewerkstelligen; entweder durch Herausheben, um die herausgehobenen Bäumchen zu "Pflanzkulturen" zu verwenden, oder durch Heraushauen.
Man darf hier nicht etwa den anscheinend ganz zweckmäßigen Vor- schlag machen, daß man doch lieber gleich zu Anfang nicht mehr Samen ausstreuen sollte, als man Bäumchen haben will. Daß dies selbst bei Saaten nicht zulässig sein würde, begreift sich leicht, weil immer theils eine Menge Samenkörner nicht aufgehen, theils viele junge Pflänzchen in den ersten Lebensabschnitten zu Grunde gehen; aber selbst bei Pflanz- kulturen muß man immer viel dichter, also viel mehr selbst bereits 3--4 Fuß hohe Bäumchen pflanzen, als man auf der Fläche nachher Bäume haben will, weil selbst von diesen viele theils verkümmern und absterben, theils krüppelhaft wachsen und beseitigt werden müssen. Bei den sogenannten reinen Beständen, d. h. denen, welche nur aus einer Holzart bestehen und welche fast nur von Nadelhölzern erzogen werden, kommt noch ein wichtiger Grund hinzu, weshalb man sie gleich von Jugend an in "dichtem Schluß", d. h. in den Kronen dicht aneinander gedrängt, erzieht, welcher von der Lebens- und Bildungsweise der Bäume abhängig ist. Sehr weitläufig stehende Bäumchen würden, da sie rings um sich einen großen Luftraum zu ihrer Ausbreitung haben, geneigt sein mehr breit in die Aeste als schlank in die Höhe zu wachsen. Letzteres
Wenn in der erſten Jugend die Pflanzendecke des Waldbodens einen weſentlichen Einfluß auf deſſen Entwicklung und Geſtaltung hat, ſo üben ſpäter die heranwachſenden Bäume gegen einander ſelbſt einen großen Einfluß aus.
Namentlich bei Vollſaaten, beſonders wenn der Same recht gut auf- gegangen iſt, bilden die heranwachſenden Bäumchen unter ſich in einigen Jahren ein ſo dichtes Gedränge, daß ſie einander ſelbſt hinderlich werden. Namentlich bei den Nadelhölzern, wenn ſie etwa 4—5 Fuß hoch geworden ſind, iſt es dann gar nicht möglich hindurchzukommen, und man nennt eine Fichtenkultur nun nicht mehr ſo, ſondern ein Dickicht, nachdem ſie vorher eine Schonung geheißen hatte.
Es verſteht ſich von ſelbſt, daß dieſe ſich drängende junge Schaar gar nicht einmal Raum dazu hat, daß alle Einzelnen zu gedeihlichem Wachsthum kommen können. Der Forſtmann muß für Platz ſorgen. Er kann dies nur durch Herausnehmen des Zuviel bewerkſtelligen; entweder durch Herausheben, um die herausgehobenen Bäumchen zu „Pflanzkulturen“ zu verwenden, oder durch Heraushauen.
Man darf hier nicht etwa den anſcheinend ganz zweckmäßigen Vor- ſchlag machen, daß man doch lieber gleich zu Anfang nicht mehr Samen ausſtreuen ſollte, als man Bäumchen haben will. Daß dies ſelbſt bei Saaten nicht zuläſſig ſein würde, begreift ſich leicht, weil immer theils eine Menge Samenkörner nicht aufgehen, theils viele junge Pflänzchen in den erſten Lebensabſchnitten zu Grunde gehen; aber ſelbſt bei Pflanz- kulturen muß man immer viel dichter, alſo viel mehr ſelbſt bereits 3—4 Fuß hohe Bäumchen pflanzen, als man auf der Fläche nachher Bäume haben will, weil ſelbſt von dieſen viele theils verkümmern und abſterben, theils krüppelhaft wachſen und beſeitigt werden müſſen. Bei den ſogenannten reinen Beſtänden, d. h. denen, welche nur aus einer Holzart beſtehen und welche faſt nur von Nadelhölzern erzogen werden, kommt noch ein wichtiger Grund hinzu, weshalb man ſie gleich von Jugend an in „dichtem Schluß“, d. h. in den Kronen dicht aneinander gedrängt, erzieht, welcher von der Lebens- und Bildungsweiſe der Bäume abhängig iſt. Sehr weitläufig ſtehende Bäumchen würden, da ſie rings um ſich einen großen Luftraum zu ihrer Ausbreitung haben, geneigt ſein mehr breit in die Aeſte als ſchlank in die Höhe zu wachſen. Letzteres
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Wenn in der erſten Jugend die Pflanzendecke des Waldbodens einen
weſentlichen Einfluß auf deſſen Entwicklung und Geſtaltung hat, ſo üben
ſpäter die heranwachſenden Bäume gegen einander ſelbſt einen großen
Einfluß aus.
Namentlich bei Vollſaaten, beſonders wenn der Same recht gut auf-
gegangen iſt, bilden die heranwachſenden Bäumchen unter ſich in einigen
Jahren ein ſo dichtes Gedränge, daß ſie einander ſelbſt hinderlich werden.
Namentlich bei den Nadelhölzern, wenn ſie etwa 4—5 Fuß hoch geworden
ſind, iſt es dann gar nicht möglich hindurchzukommen, und man nennt
eine Fichtenkultur nun nicht mehr ſo, ſondern ein Dickicht, nachdem ſie
vorher eine Schonung geheißen hatte.
Es verſteht ſich von ſelbſt, daß dieſe ſich drängende junge Schaar
gar nicht einmal Raum dazu hat, daß alle Einzelnen zu gedeihlichem
Wachsthum kommen können. Der Forſtmann muß für Platz ſorgen. Er
kann dies nur durch Herausnehmen des Zuviel bewerkſtelligen; entweder
durch Herausheben, um die herausgehobenen Bäumchen zu „Pflanzkulturen“
zu verwenden, oder durch Heraushauen.
Man darf hier nicht etwa den anſcheinend ganz zweckmäßigen Vor-
ſchlag machen, daß man doch lieber gleich zu Anfang nicht mehr Samen
ausſtreuen ſollte, als man Bäumchen haben will. Daß dies ſelbſt bei
Saaten nicht zuläſſig ſein würde, begreift ſich leicht, weil immer theils
eine Menge Samenkörner nicht aufgehen, theils viele junge Pflänzchen
in den erſten Lebensabſchnitten zu Grunde gehen; aber ſelbſt bei Pflanz-
kulturen muß man immer viel dichter, alſo viel mehr ſelbſt bereits
3—4 Fuß hohe Bäumchen pflanzen, als man auf der Fläche nachher
Bäume haben will, weil ſelbſt von dieſen viele theils verkümmern und
abſterben, theils krüppelhaft wachſen und beſeitigt werden müſſen. Bei
den ſogenannten reinen Beſtänden, d. h. denen, welche nur aus einer
Holzart beſtehen und welche faſt nur von Nadelhölzern erzogen werden,
kommt noch ein wichtiger Grund hinzu, weshalb man ſie gleich von
Jugend an in „dichtem Schluß“, d. h. in den Kronen dicht aneinander
gedrängt, erzieht, welcher von der Lebens- und Bildungsweiſe der Bäume
abhängig iſt. Sehr weitläufig ſtehende Bäumchen würden, da ſie rings
um ſich einen großen Luftraum zu ihrer Ausbreitung haben, geneigt ſein
mehr breit in die Aeſte als ſchlank in die Höhe zu wachſen. Letzteres
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/179>, abgerufen am 22.12.2024.
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