muß aber stattfinden, wenn sie sich gegenseitig am Wachsen in die Aeste hindern und ihnen nur nach oben das Wachsthum freisteht.
Hierneben ist noch zu bemerken, daß sehr "räumlich", d. h. weit von einander ab, gestellte Pflänzlinge lange Zeit alljährlich würden aus- geästet werden müssen, um sie zum Höhenwuchs zu zwingen. Dieses Ausästen besorgt der dichte Schluß von selbst, indem die unten im dichten Schatten sich drängenden Aeste bald absterben und abbrechen, was der Forstmann "reinigen" nennt.
Das Licht- und Luftbedürfniß zieht die im Schluß stehenden Bäum- chen geradezu aufwärts und der Forstmann, der nun daran denken muß, hier Platz zu schaffen und das Gedränge zu lichten, muß seine Wald- arbeiter gut anweisen, welche und wieviel Bäumchen ein Opfer der stehen- bleibenden werden sollen. Als Hauptregel drängt sich hier gewissermaßen von selbst auf, daß man die im Wuchs zurückbleibenden heraushaut und die "wüchsigeren" stehen läßt.
Wann dieses Lichten eines Dickichts anzufangen habe, wie oft es zu wiederholen sei, wie viel herauszuschlagen sei, um einerseits die nöthige Freiheit zu schaffen, andrerseits aber auch die Bäumchen nicht zu "licht" zu stellen -- das ist dem erfahrenen Ermessen des Försters anheim gegeben, wie überhaupt die "Durchforstungen" -- der Kunstausdruck für diese Maßregel des Waldbaues -- zu denjenigen Obliegenheiten der Forst- bewirthschaftung gehören, welche die meiste Umsicht erheischen und über die sich am wenigsten eine feste Regel aufstellen läßt.
So ist unter mehrmaligen Durchforstungen und während sich die Bäumchen des Dickichts von ihren unteren Aesten gereinigt haben, allmälig die "Altersklasse" des "Stangenholzes" herangekommen, so genannt wahrscheinlich deshalb, weil die Bäumchen -- besonders die Nadelhölzer -- nun bereits ansehnliche, bis 3 oder 4 Zoll am unteren Abschnitt starke hohe Stangen geben, während die Bäumchen, welche aus dem Dickicht herausgenommen wurden, höchstens zu Bohnenstangen dienten.
Inzwischen hat sich der Stamm immer mehr im Gegensatz zum Wipfel ausgebildet und unter mehrmaliger Durchforstung sind die bei- sammenstehend belassenen jungen Bäume in immer lichteren Schluß gekommen und haben dadurch, weil jedem der gleiche nöthige Raum ge- boten wurde, auch im Wuchs immer mehr Gleichheit angenommen. Doch
muß aber ſtattfinden, wenn ſie ſich gegenſeitig am Wachſen in die Aeſte hindern und ihnen nur nach oben das Wachsthum freiſteht.
Hierneben iſt noch zu bemerken, daß ſehr „räumlich“, d. h. weit von einander ab, geſtellte Pflänzlinge lange Zeit alljährlich würden aus- geäſtet werden müſſen, um ſie zum Höhenwuchs zu zwingen. Dieſes Ausäſten beſorgt der dichte Schluß von ſelbſt, indem die unten im dichten Schatten ſich drängenden Aeſte bald abſterben und abbrechen, was der Forſtmann „reinigen“ nennt.
Das Licht- und Luftbedürfniß zieht die im Schluß ſtehenden Bäum- chen geradezu aufwärts und der Forſtmann, der nun daran denken muß, hier Platz zu ſchaffen und das Gedränge zu lichten, muß ſeine Wald- arbeiter gut anweiſen, welche und wieviel Bäumchen ein Opfer der ſtehen- bleibenden werden ſollen. Als Hauptregel drängt ſich hier gewiſſermaßen von ſelbſt auf, daß man die im Wuchs zurückbleibenden heraushaut und die „wüchſigeren“ ſtehen läßt.
Wann dieſes Lichten eines Dickichts anzufangen habe, wie oft es zu wiederholen ſei, wie viel herauszuſchlagen ſei, um einerſeits die nöthige Freiheit zu ſchaffen, andrerſeits aber auch die Bäumchen nicht zu „licht“ zu ſtellen — das iſt dem erfahrenen Ermeſſen des Förſters anheim gegeben, wie überhaupt die „Durchforſtungen“ — der Kunſtausdruck für dieſe Maßregel des Waldbaues — zu denjenigen Obliegenheiten der Forſt- bewirthſchaftung gehören, welche die meiſte Umſicht erheiſchen und über die ſich am wenigſten eine feſte Regel aufſtellen läßt.
So iſt unter mehrmaligen Durchforſtungen und während ſich die Bäumchen des Dickichts von ihren unteren Aeſten gereinigt haben, allmälig die „Altersklaſſe“ des „Stangenholzes“ herangekommen, ſo genannt wahrſcheinlich deshalb, weil die Bäumchen — beſonders die Nadelhölzer — nun bereits anſehnliche, bis 3 oder 4 Zoll am unteren Abſchnitt ſtarke hohe Stangen geben, während die Bäumchen, welche aus dem Dickicht herausgenommen wurden, höchſtens zu Bohnenſtangen dienten.
Inzwiſchen hat ſich der Stamm immer mehr im Gegenſatz zum Wipfel ausgebildet und unter mehrmaliger Durchforſtung ſind die bei- ſammenſtehend belaſſenen jungen Bäume in immer lichteren Schluß gekommen und haben dadurch, weil jedem der gleiche nöthige Raum ge- boten wurde, auch im Wuchs immer mehr Gleichheit angenommen. Doch
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muß aber ſtattfinden, wenn ſie ſich gegenſeitig am Wachſen in die Aeſte
hindern und ihnen nur nach oben das Wachsthum freiſteht.
Hierneben iſt noch zu bemerken, daß ſehr „räumlich“, d. h. weit
von einander ab, geſtellte Pflänzlinge lange Zeit alljährlich würden aus-
geäſtet werden müſſen, um ſie zum Höhenwuchs zu zwingen. Dieſes
Ausäſten beſorgt der dichte Schluß von ſelbſt, indem die unten im dichten
Schatten ſich drängenden Aeſte bald abſterben und abbrechen, was der
Forſtmann „reinigen“ nennt.
Das Licht- und Luftbedürfniß zieht die im Schluß ſtehenden Bäum-
chen geradezu aufwärts und der Forſtmann, der nun daran denken muß,
hier Platz zu ſchaffen und das Gedränge zu lichten, muß ſeine Wald-
arbeiter gut anweiſen, welche und wieviel Bäumchen ein Opfer der ſtehen-
bleibenden werden ſollen. Als Hauptregel drängt ſich hier gewiſſermaßen
von ſelbſt auf, daß man die im Wuchs zurückbleibenden heraushaut und
die „wüchſigeren“ ſtehen läßt.
Wann dieſes Lichten eines Dickichts anzufangen habe, wie oft es zu
wiederholen ſei, wie viel herauszuſchlagen ſei, um einerſeits die nöthige
Freiheit zu ſchaffen, andrerſeits aber auch die Bäumchen nicht zu „licht“
zu ſtellen — das iſt dem erfahrenen Ermeſſen des Förſters anheim gegeben,
wie überhaupt die „Durchforſtungen“ — der Kunſtausdruck für dieſe
Maßregel des Waldbaues — zu denjenigen Obliegenheiten der Forſt-
bewirthſchaftung gehören, welche die meiſte Umſicht erheiſchen und über
die ſich am wenigſten eine feſte Regel aufſtellen läßt.
So iſt unter mehrmaligen Durchforſtungen und während ſich die
Bäumchen des Dickichts von ihren unteren Aeſten gereinigt haben, allmälig
die „Altersklaſſe“ des „Stangenholzes“ herangekommen, ſo genannt
wahrſcheinlich deshalb, weil die Bäumchen — beſonders die Nadelhölzer —
nun bereits anſehnliche, bis 3 oder 4 Zoll am unteren Abſchnitt ſtarke
hohe Stangen geben, während die Bäumchen, welche aus dem Dickicht
herausgenommen wurden, höchſtens zu Bohnenſtangen dienten.
Inzwiſchen hat ſich der Stamm immer mehr im Gegenſatz zum
Wipfel ausgebildet und unter mehrmaliger Durchforſtung ſind die bei-
ſammenſtehend belaſſenen jungen Bäume in immer lichteren Schluß
gekommen und haben dadurch, weil jedem der gleiche nöthige Raum ge-
boten wurde, auch im Wuchs immer mehr Gleichheit angenommen. Doch
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/180>, abgerufen am 22.12.2024.
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