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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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lappigen Blätter dick behaart und an Wurzelbrut der Espe gleichen sie
den Stammblättern nicht im Entferntesten.

Aus alledem geht hervor, daß die Erzeugnisse der Adventivknospen,
der echten wie der schlafenden Knospen, gewissermaaßen aus einem über-
eilten Drange des überreichlich aus der Wurzel, die ja die alte geblieben
ist, zuströmenden Nahrungssaftes hervorgehen. Ja es kommt auf sehr
fruchtbarem Boden vor, daß die Stöcke im Safte gehauener Bäume wie
man es bezeichnet im Safte ersticken.

Es kommt aber auch das Gegentheil vor. Die -- zum Unterschiede
von den schlafenden hier einmal so bezeichneten -- dämmernden, nicht
schlafenden, nicht wachenden, Knospen, welche, die Maserknoten bildend, am
Stamme alter Bäume hervorlugen, bringen es in der Regel nicht nur
nicht zu eigentlichen Trieben, sondern die wenigen Blättchen, die sie ent-
wickeln, bleiben auch meist klein, kümmerlich und zum Theil mißgestaltet.

Wir verstehen nun vollständig, daß, wie bereits einigemal angedeutet,
die Maserbildung nichts weiter ist, als eine Anhäufung von Adventiv-
knospen, welche ohne es zu einer Triebentwicklung bringen zu können
gleichwohl Jahrzehnte lang am Leben bleiben und zwischen sich vielfache
Stauchungen und Windungen im Verlauf der zuwachsenden Jahreslagen
bedingen. Die Maserknospen haben immer ein centrales Mark und
endigen in einen weichen Vegetationskegel, aus dem sich unter begünstigen-
den Umständen einige Blättchen entwickeln. Die Maserknollen haben
meist eine sehr dicke Rinde, nach deren Abschälung man sieht, daß jede
Maserknospe die Spitze eines Kegels von breiter Basis ist, deren Ver-
bindung und Gruppirung namentlich bei entrindeter Eichenmaser ein
wahres Modell eines Alpengebirges bildet. Das centrale Mark jedes
Maserkegels wird, wahrscheinlich durch Verflüssigung beseitigt und dadurch
der Kegel hohl, daher man in Maser-Arbeiten eine Menge Grübchen
sieht. Je nachdem man bei der Verarbeitung der Maser den Schnitt
senkrecht oder wagerecht oder schräg durch die Kegel führt zeigen sich
auf der Schnittfläche die wunderlichsten Verschlingungen und Wellenlinien
der Holzfasern.

Wenn man aber eine Maserknolle in der Richtung der Markstrahlen
durchsägt, so kommt ein Holzgefüge zum Vorschein, für welches der Forst-
mann die besondere Bezeichnung Wimmer hat. Da die Wachsthums-

lappigen Blätter dick behaart und an Wurzelbrut der Espe gleichen ſie
den Stammblättern nicht im Entfernteſten.

Aus alledem geht hervor, daß die Erzeugniſſe der Adventivknospen,
der echten wie der ſchlafenden Knospen, gewiſſermaaßen aus einem über-
eilten Drange des überreichlich aus der Wurzel, die ja die alte geblieben
iſt, zuſtrömenden Nahrungsſaftes hervorgehen. Ja es kommt auf ſehr
fruchtbarem Boden vor, daß die Stöcke im Safte gehauener Bäume wie
man es bezeichnet im Safte erſticken.

Es kommt aber auch das Gegentheil vor. Die — zum Unterſchiede
von den ſchlafenden hier einmal ſo bezeichneten — dämmernden, nicht
ſchlafenden, nicht wachenden, Knospen, welche, die Maſerknoten bildend, am
Stamme alter Bäume hervorlugen, bringen es in der Regel nicht nur
nicht zu eigentlichen Trieben, ſondern die wenigen Blättchen, die ſie ent-
wickeln, bleiben auch meiſt klein, kümmerlich und zum Theil mißgeſtaltet.

Wir verſtehen nun vollſtändig, daß, wie bereits einigemal angedeutet,
die Maſerbildung nichts weiter iſt, als eine Anhäufung von Adventiv-
knospen, welche ohne es zu einer Triebentwicklung bringen zu können
gleichwohl Jahrzehnte lang am Leben bleiben und zwiſchen ſich vielfache
Stauchungen und Windungen im Verlauf der zuwachſenden Jahreslagen
bedingen. Die Maſerknospen haben immer ein centrales Mark und
endigen in einen weichen Vegetationskegel, aus dem ſich unter begünſtigen-
den Umſtänden einige Blättchen entwickeln. Die Maſerknollen haben
meiſt eine ſehr dicke Rinde, nach deren Abſchälung man ſieht, daß jede
Maſerknospe die Spitze eines Kegels von breiter Baſis iſt, deren Ver-
bindung und Gruppirung namentlich bei entrindeter Eichenmaſer ein
wahres Modell eines Alpengebirges bildet. Das centrale Mark jedes
Maſerkegels wird, wahrſcheinlich durch Verflüſſigung beſeitigt und dadurch
der Kegel hohl, daher man in Maſer-Arbeiten eine Menge Grübchen
ſieht. Je nachdem man bei der Verarbeitung der Maſer den Schnitt
ſenkrecht oder wagerecht oder ſchräg durch die Kegel führt zeigen ſich
auf der Schnittfläche die wunderlichſten Verſchlingungen und Wellenlinien
der Holzfaſern.

Wenn man aber eine Maſerknolle in der Richtung der Markſtrahlen
durchſägt, ſo kommt ein Holzgefüge zum Vorſchein, für welches der Forſt-
mann die beſondere Bezeichnung Wimmer hat. Da die Wachsthums-

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[198/0222] lappigen Blätter dick behaart und an Wurzelbrut der Espe gleichen ſie den Stammblättern nicht im Entfernteſten. Aus alledem geht hervor, daß die Erzeugniſſe der Adventivknospen, der echten wie der ſchlafenden Knospen, gewiſſermaaßen aus einem über- eilten Drange des überreichlich aus der Wurzel, die ja die alte geblieben iſt, zuſtrömenden Nahrungsſaftes hervorgehen. Ja es kommt auf ſehr fruchtbarem Boden vor, daß die Stöcke im Safte gehauener Bäume wie man es bezeichnet im Safte erſticken. Es kommt aber auch das Gegentheil vor. Die — zum Unterſchiede von den ſchlafenden hier einmal ſo bezeichneten — dämmernden, nicht ſchlafenden, nicht wachenden, Knospen, welche, die Maſerknoten bildend, am Stamme alter Bäume hervorlugen, bringen es in der Regel nicht nur nicht zu eigentlichen Trieben, ſondern die wenigen Blättchen, die ſie ent- wickeln, bleiben auch meiſt klein, kümmerlich und zum Theil mißgeſtaltet. Wir verſtehen nun vollſtändig, daß, wie bereits einigemal angedeutet, die Maſerbildung nichts weiter iſt, als eine Anhäufung von Adventiv- knospen, welche ohne es zu einer Triebentwicklung bringen zu können gleichwohl Jahrzehnte lang am Leben bleiben und zwiſchen ſich vielfache Stauchungen und Windungen im Verlauf der zuwachſenden Jahreslagen bedingen. Die Maſerknospen haben immer ein centrales Mark und endigen in einen weichen Vegetationskegel, aus dem ſich unter begünſtigen- den Umſtänden einige Blättchen entwickeln. Die Maſerknollen haben meiſt eine ſehr dicke Rinde, nach deren Abſchälung man ſieht, daß jede Maſerknospe die Spitze eines Kegels von breiter Baſis iſt, deren Ver- bindung und Gruppirung namentlich bei entrindeter Eichenmaſer ein wahres Modell eines Alpengebirges bildet. Das centrale Mark jedes Maſerkegels wird, wahrſcheinlich durch Verflüſſigung beſeitigt und dadurch der Kegel hohl, daher man in Maſer-Arbeiten eine Menge Grübchen ſieht. Je nachdem man bei der Verarbeitung der Maſer den Schnitt ſenkrecht oder wagerecht oder ſchräg durch die Kegel führt zeigen ſich auf der Schnittfläche die wunderlichſten Verſchlingungen und Wellenlinien der Holzfaſern. Wenn man aber eine Maſerknolle in der Richtung der Markſtrahlen durchſägt, ſo kommt ein Holzgefüge zum Vorſchein, für welches der Forſt- mann die beſondere Bezeichnung Wimmer hat. Da die Wachsthums-

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/222>, abgerufen am 22.12.2024.