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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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keit zu lieben und je mehr wir uns der Ebene nähern, desto bunter zeigt
sich meist das Waldbild zusammengesetzt.

Da die immergrünen, den dichtesten Schluß vertragenden Nadelhölzer
ihren Boden weit vollständiger beherrschen, und sie dazu in der Regel
auf dem weniger fruchtbaren Boden stehen, so ist hierdurch zweierlei be-
dingt: die Eintönigkeit des Nadelwaldes und die große Uebereinstimmung
des Bildes durch alle Altersstufen hindurch. Daß in letzterer Beziehung
die Kiefer sich abweichend verhält, haben wir bereits vorläufig erfahren
(S. 213). Wir sehen den Nadelwald von dem Zustande der Schonung
(S. 155) bis zu seiner Haubarkeit in einer innig zusammenhängenden
Stufenfolge heranwachsen; während ein selbst rein angebauter Laubholz-
bestand lange Zeit -- bis zu seinem ausgesprochenen Stangenholzalter --
meist noch so wenig geschlossen und daher oft so sehr von Waldkräutern
und Gesträuchern durchwuchert ist, daß er von dem Unkundigen kaum in
Zusammenhang zu bringen ist mit seinem dereinstigen Haubarkeitsalter.

Ich wende mich nun noch an diejenigen meiner Leser und Leserinnen,
welchen der Wald nicht blos ein Freund und Pflegling, sondern auch ein
Gegenstand der künstlerischen Darstellung ist, sei es berufsmäßig, sei es
nur aus Liebhaberei.

Wenn man sich jetzt auf Kunstausstellungen umsieht, so muß es
sofort auffallen, daß die Landschaftsmalerei mit besonderer Vorliebe ge-
pflegt wird, während andere Klassen von Bildern z. B. das "Stillleben",
beinahe ganz verschwunden sind. Mit dieser vorherrschenden Uebung der
Landschaftsmalerei ist jedoch leider ein tiefer eingehendes Studium des
Baumes nicht überall, ja sogar im Ganzen nur wenig gleichen Schritt
gegangen; man sieht sehr häufig Landschaften, welche zwar einen ange-
nehmen, künstlerisch befriedigenden Gesammteindruck machen, bei denen
man aber vergeblich bemüht ist, zu enträthseln, was das wohl für Bäume
sein mögen, welche da gemalt sind. Wir haben zwar schon auf Seite 50
und den folgenden dieser Auffassung des Waldes einige Aufmerksamkeit
geschenkt, es dürfte aber nicht überflüssig sein, hier noch etwas ausführ-
licher darauf einzugehen und indem ich dies thue, finde ich einige Be-
rechtigung dazu in der Erfahrung, welche ich dadurch gemacht habe, daß
mir mehrere tüchtige Landschaftsmaler zugestanden haben, es sei ihnen
wie Schuppen von den Augen gefallen, nachdem sie mit mir längere Zeit,

keit zu lieben und je mehr wir uns der Ebene nähern, deſto bunter zeigt
ſich meiſt das Waldbild zuſammengeſetzt.

Da die immergrünen, den dichteſten Schluß vertragenden Nadelhölzer
ihren Boden weit vollſtändiger beherrſchen, und ſie dazu in der Regel
auf dem weniger fruchtbaren Boden ſtehen, ſo iſt hierdurch zweierlei be-
dingt: die Eintönigkeit des Nadelwaldes und die große Uebereinſtimmung
des Bildes durch alle Altersſtufen hindurch. Daß in letzterer Beziehung
die Kiefer ſich abweichend verhält, haben wir bereits vorläufig erfahren
(S. 213). Wir ſehen den Nadelwald von dem Zuſtande der Schonung
(S. 155) bis zu ſeiner Haubarkeit in einer innig zuſammenhängenden
Stufenfolge heranwachſen; während ein ſelbſt rein angebauter Laubholz-
beſtand lange Zeit — bis zu ſeinem ausgeſprochenen Stangenholzalter —
meiſt noch ſo wenig geſchloſſen und daher oft ſo ſehr von Waldkräutern
und Geſträuchern durchwuchert iſt, daß er von dem Unkundigen kaum in
Zuſammenhang zu bringen iſt mit ſeinem dereinſtigen Haubarkeitsalter.

Ich wende mich nun noch an diejenigen meiner Leſer und Leſerinnen,
welchen der Wald nicht blos ein Freund und Pflegling, ſondern auch ein
Gegenſtand der künſtleriſchen Darſtellung iſt, ſei es berufsmäßig, ſei es
nur aus Liebhaberei.

Wenn man ſich jetzt auf Kunſtausſtellungen umſieht, ſo muß es
ſofort auffallen, daß die Landſchaftsmalerei mit beſonderer Vorliebe ge-
pflegt wird, während andere Klaſſen von Bildern z. B. das „Stillleben“,
beinahe ganz verſchwunden ſind. Mit dieſer vorherrſchenden Uebung der
Landſchaftsmalerei iſt jedoch leider ein tiefer eingehendes Studium des
Baumes nicht überall, ja ſogar im Ganzen nur wenig gleichen Schritt
gegangen; man ſieht ſehr häufig Landſchaften, welche zwar einen ange-
nehmen, künſtleriſch befriedigenden Geſammteindruck machen, bei denen
man aber vergeblich bemüht iſt, zu enträthſeln, was das wohl für Bäume
ſein mögen, welche da gemalt ſind. Wir haben zwar ſchon auf Seite 50
und den folgenden dieſer Auffaſſung des Waldes einige Aufmerkſamkeit
geſchenkt, es dürfte aber nicht überflüſſig ſein, hier noch etwas ausführ-
licher darauf einzugehen und indem ich dies thue, finde ich einige Be-
rechtigung dazu in der Erfahrung, welche ich dadurch gemacht habe, daß
mir mehrere tüchtige Landſchaftsmaler zugeſtanden haben, es ſei ihnen
wie Schuppen von den Augen gefallen, nachdem ſie mit mir längere Zeit,

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[232/0256] keit zu lieben und je mehr wir uns der Ebene nähern, deſto bunter zeigt ſich meiſt das Waldbild zuſammengeſetzt. Da die immergrünen, den dichteſten Schluß vertragenden Nadelhölzer ihren Boden weit vollſtändiger beherrſchen, und ſie dazu in der Regel auf dem weniger fruchtbaren Boden ſtehen, ſo iſt hierdurch zweierlei be- dingt: die Eintönigkeit des Nadelwaldes und die große Uebereinſtimmung des Bildes durch alle Altersſtufen hindurch. Daß in letzterer Beziehung die Kiefer ſich abweichend verhält, haben wir bereits vorläufig erfahren (S. 213). Wir ſehen den Nadelwald von dem Zuſtande der Schonung (S. 155) bis zu ſeiner Haubarkeit in einer innig zuſammenhängenden Stufenfolge heranwachſen; während ein ſelbſt rein angebauter Laubholz- beſtand lange Zeit — bis zu ſeinem ausgeſprochenen Stangenholzalter — meiſt noch ſo wenig geſchloſſen und daher oft ſo ſehr von Waldkräutern und Geſträuchern durchwuchert iſt, daß er von dem Unkundigen kaum in Zuſammenhang zu bringen iſt mit ſeinem dereinſtigen Haubarkeitsalter. Ich wende mich nun noch an diejenigen meiner Leſer und Leſerinnen, welchen der Wald nicht blos ein Freund und Pflegling, ſondern auch ein Gegenſtand der künſtleriſchen Darſtellung iſt, ſei es berufsmäßig, ſei es nur aus Liebhaberei. Wenn man ſich jetzt auf Kunſtausſtellungen umſieht, ſo muß es ſofort auffallen, daß die Landſchaftsmalerei mit beſonderer Vorliebe ge- pflegt wird, während andere Klaſſen von Bildern z. B. das „Stillleben“, beinahe ganz verſchwunden ſind. Mit dieſer vorherrſchenden Uebung der Landſchaftsmalerei iſt jedoch leider ein tiefer eingehendes Studium des Baumes nicht überall, ja ſogar im Ganzen nur wenig gleichen Schritt gegangen; man ſieht ſehr häufig Landſchaften, welche zwar einen ange- nehmen, künſtleriſch befriedigenden Geſammteindruck machen, bei denen man aber vergeblich bemüht iſt, zu enträthſeln, was das wohl für Bäume ſein mögen, welche da gemalt ſind. Wir haben zwar ſchon auf Seite 50 und den folgenden dieſer Auffaſſung des Waldes einige Aufmerkſamkeit geſchenkt, es dürfte aber nicht überflüſſig ſein, hier noch etwas ausführ- licher darauf einzugehen und indem ich dies thue, finde ich einige Be- rechtigung dazu in der Erfahrung, welche ich dadurch gemacht habe, daß mir mehrere tüchtige Landſchaftsmaler zugeſtanden haben, es ſei ihnen wie Schuppen von den Augen gefallen, nachdem ſie mit mir längere Zeit,

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/256>, abgerufen am 17.06.2024.