Beschaffenheit und Organisation ihrer Blätter, Blüthen und Früchte auf einer tieferen Stufe der Ausbildung stehen.
In den ältesten, Pflanzenversteinerungen führenden Erdschichten finden wir den Beweis geliefert, daß die Nadelhölzer viel früher auf der Schau- bühne des Lebens erschienen, als die Laubhölzer. Diese ihre frühere Herrschaft hatten sie nicht blos in den früheren, bis zur Kreideformation und den tertiären Schichten heraufreichenden Perioden des Erdlebens ver- loren, sondern auch in unserer gegenwärtigen Periode und auf deutschem Boden haben sie in früheren Jahrtausenden an Ausbreitung oft unter den Laubhölzern gestanden. Viele Anzeigen sprechen dafür, daß Eichen- und Buchenwaldungen in früheren Jahrhunderten in Deutschland vor- herrschend, wenigstens viel ausgedehnter waren als gegenwärtig. Es ist schon mehrmals vorgekommen, daß auf der Stelle, an der ein alter Fichtenhochwaldbestand abgetrieben worden war, ein Buchenaufschlag er- schien, der nur aus Bucheckern hervorgegangen sein konnte, welche so lange im Boden geruht hatten, bis durch die Schlagräumung die Be- dingungen des Keimens für sie gegeben waren. In solchen Fällen waren offenbar Buchen von Fichten verdrängt worden. Gegenüber der Schwierig- keit, die es ist, Bucheckern auch nur ein Jahr lang keimfähig zu erhalten, ist diese Erscheinung doppelt interessant.
Dieses lange Zeiträume hindurch währende Zurückweichen der Nadel- hölzer vor den Laubhölzern hat sich in neuerer Zeit in das Gegentheil verkehrt, indem die Laubhölzer mehr und mehr an Terrain verlieren, welches zum Theil vom Walde unbesetzt bleibt, zum großen Theil aber von den Nadelhölzern erobert wird. Es ist daher nicht zu verkennen, daß die Freunde der Laubhölzer in der Lage sind, ihre Lieblinge mehr und mehr zu verlieren und an deren Stelle die Nadelbäume treten zu sehen. Der Grund zu dieser wichtigen Erscheinung liegt in mehreren sehr verschiedenen Umständen, unter denen selbst Folgeerscheinungen zu neuen Ursachen werden. Die mehr und mehr steigende Bevölkerung erheischt nicht nur mehr Bodenraum, sondern auch mehr Kulturfläche für Feld- und Gartenbau. Diese Fläche kann man der Natur der Sache nach nur in der Ebene suchen und im Gebirge nur bis zu einer be- schränkten Höhe, über welche hinaus aus verschiedenen Gründen der Feldbau gar nicht mehr oder nur mit großer Schwierigkeit zu betreiben
Beſchaffenheit und Organiſation ihrer Blätter, Blüthen und Früchte auf einer tieferen Stufe der Ausbildung ſtehen.
In den älteſten, Pflanzenverſteinerungen führenden Erdſchichten finden wir den Beweis geliefert, daß die Nadelhölzer viel früher auf der Schau- bühne des Lebens erſchienen, als die Laubhölzer. Dieſe ihre frühere Herrſchaft hatten ſie nicht blos in den früheren, bis zur Kreideformation und den tertiären Schichten heraufreichenden Perioden des Erdlebens ver- loren, ſondern auch in unſerer gegenwärtigen Periode und auf deutſchem Boden haben ſie in früheren Jahrtauſenden an Ausbreitung oft unter den Laubhölzern geſtanden. Viele Anzeigen ſprechen dafür, daß Eichen- und Buchenwaldungen in früheren Jahrhunderten in Deutſchland vor- herrſchend, wenigſtens viel ausgedehnter waren als gegenwärtig. Es iſt ſchon mehrmals vorgekommen, daß auf der Stelle, an der ein alter Fichtenhochwaldbeſtand abgetrieben worden war, ein Buchenaufſchlag er- ſchien, der nur aus Bucheckern hervorgegangen ſein konnte, welche ſo lange im Boden geruht hatten, bis durch die Schlagräumung die Be- dingungen des Keimens für ſie gegeben waren. In ſolchen Fällen waren offenbar Buchen von Fichten verdrängt worden. Gegenüber der Schwierig- keit, die es iſt, Bucheckern auch nur ein Jahr lang keimfähig zu erhalten, iſt dieſe Erſcheinung doppelt intereſſant.
Dieſes lange Zeiträume hindurch währende Zurückweichen der Nadel- hölzer vor den Laubhölzern hat ſich in neuerer Zeit in das Gegentheil verkehrt, indem die Laubhölzer mehr und mehr an Terrain verlieren, welches zum Theil vom Walde unbeſetzt bleibt, zum großen Theil aber von den Nadelhölzern erobert wird. Es iſt daher nicht zu verkennen, daß die Freunde der Laubhölzer in der Lage ſind, ihre Lieblinge mehr und mehr zu verlieren und an deren Stelle die Nadelbäume treten zu ſehen. Der Grund zu dieſer wichtigen Erſcheinung liegt in mehreren ſehr verſchiedenen Umſtänden, unter denen ſelbſt Folgeerſcheinungen zu neuen Urſachen werden. Die mehr und mehr ſteigende Bevölkerung erheiſcht nicht nur mehr Bodenraum, ſondern auch mehr Kulturfläche für Feld- und Gartenbau. Dieſe Fläche kann man der Natur der Sache nach nur in der Ebene ſuchen und im Gebirge nur bis zu einer be- ſchränkten Höhe, über welche hinaus aus verſchiedenen Gründen der Feldbau gar nicht mehr oder nur mit großer Schwierigkeit zu betreiben
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0266"n="242"/>
Beſchaffenheit und Organiſation ihrer Blätter, Blüthen und Früchte auf<lb/>
einer tieferen Stufe der Ausbildung ſtehen.</p><lb/><p>In den älteſten, Pflanzenverſteinerungen führenden Erdſchichten finden<lb/>
wir den Beweis geliefert, daß die Nadelhölzer viel früher auf der Schau-<lb/>
bühne des Lebens erſchienen, als die Laubhölzer. Dieſe ihre frühere<lb/>
Herrſchaft hatten ſie nicht blos in den früheren, bis zur Kreideformation<lb/>
und den tertiären Schichten heraufreichenden Perioden des Erdlebens ver-<lb/>
loren, ſondern auch in unſerer gegenwärtigen Periode und auf deutſchem<lb/>
Boden haben ſie in früheren Jahrtauſenden an Ausbreitung oft unter<lb/>
den Laubhölzern geſtanden. Viele Anzeigen ſprechen dafür, daß Eichen-<lb/>
und Buchenwaldungen in früheren Jahrhunderten in Deutſchland vor-<lb/>
herrſchend, wenigſtens viel ausgedehnter waren als gegenwärtig. Es iſt<lb/>ſchon mehrmals vorgekommen, daß auf der Stelle, an der ein alter<lb/>
Fichtenhochwaldbeſtand abgetrieben worden war, ein Buchenaufſchlag er-<lb/>ſchien, der nur aus Bucheckern hervorgegangen ſein konnte, welche ſo<lb/>
lange im Boden geruht hatten, bis durch die Schlagräumung die Be-<lb/>
dingungen des Keimens für ſie gegeben waren. In ſolchen Fällen waren<lb/>
offenbar Buchen von Fichten verdrängt worden. Gegenüber der Schwierig-<lb/>
keit, die es iſt, Bucheckern auch nur ein Jahr lang keimfähig zu erhalten,<lb/>
iſt dieſe Erſcheinung doppelt intereſſant.</p><lb/><p>Dieſes lange Zeiträume hindurch währende Zurückweichen der Nadel-<lb/>
hölzer vor den Laubhölzern hat ſich in neuerer Zeit in das Gegentheil<lb/>
verkehrt, indem die Laubhölzer mehr und mehr an Terrain verlieren,<lb/>
welches zum Theil vom Walde unbeſetzt bleibt, zum großen Theil aber<lb/>
von den Nadelhölzern erobert wird. Es iſt daher nicht zu verkennen,<lb/>
daß die Freunde der Laubhölzer in der Lage ſind, ihre Lieblinge mehr<lb/>
und mehr zu verlieren und an deren Stelle die Nadelbäume treten zu<lb/>ſehen. Der Grund zu dieſer wichtigen Erſcheinung liegt in mehreren<lb/>ſehr verſchiedenen Umſtänden, unter denen ſelbſt Folgeerſcheinungen zu<lb/>
neuen Urſachen werden. Die mehr und mehr ſteigende Bevölkerung<lb/>
erheiſcht nicht nur mehr Bodenraum, ſondern auch mehr Kulturfläche<lb/>
für Feld- und Gartenbau. Dieſe Fläche kann man der Natur der Sache<lb/>
nach nur in der Ebene ſuchen und im Gebirge nur bis zu einer be-<lb/>ſchränkten Höhe, über welche hinaus aus verſchiedenen Gründen der<lb/>
Feldbau gar nicht mehr oder nur mit großer Schwierigkeit zu betreiben<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[242/0266]
Beſchaffenheit und Organiſation ihrer Blätter, Blüthen und Früchte auf
einer tieferen Stufe der Ausbildung ſtehen.
In den älteſten, Pflanzenverſteinerungen führenden Erdſchichten finden
wir den Beweis geliefert, daß die Nadelhölzer viel früher auf der Schau-
bühne des Lebens erſchienen, als die Laubhölzer. Dieſe ihre frühere
Herrſchaft hatten ſie nicht blos in den früheren, bis zur Kreideformation
und den tertiären Schichten heraufreichenden Perioden des Erdlebens ver-
loren, ſondern auch in unſerer gegenwärtigen Periode und auf deutſchem
Boden haben ſie in früheren Jahrtauſenden an Ausbreitung oft unter
den Laubhölzern geſtanden. Viele Anzeigen ſprechen dafür, daß Eichen-
und Buchenwaldungen in früheren Jahrhunderten in Deutſchland vor-
herrſchend, wenigſtens viel ausgedehnter waren als gegenwärtig. Es iſt
ſchon mehrmals vorgekommen, daß auf der Stelle, an der ein alter
Fichtenhochwaldbeſtand abgetrieben worden war, ein Buchenaufſchlag er-
ſchien, der nur aus Bucheckern hervorgegangen ſein konnte, welche ſo
lange im Boden geruht hatten, bis durch die Schlagräumung die Be-
dingungen des Keimens für ſie gegeben waren. In ſolchen Fällen waren
offenbar Buchen von Fichten verdrängt worden. Gegenüber der Schwierig-
keit, die es iſt, Bucheckern auch nur ein Jahr lang keimfähig zu erhalten,
iſt dieſe Erſcheinung doppelt intereſſant.
Dieſes lange Zeiträume hindurch währende Zurückweichen der Nadel-
hölzer vor den Laubhölzern hat ſich in neuerer Zeit in das Gegentheil
verkehrt, indem die Laubhölzer mehr und mehr an Terrain verlieren,
welches zum Theil vom Walde unbeſetzt bleibt, zum großen Theil aber
von den Nadelhölzern erobert wird. Es iſt daher nicht zu verkennen,
daß die Freunde der Laubhölzer in der Lage ſind, ihre Lieblinge mehr
und mehr zu verlieren und an deren Stelle die Nadelbäume treten zu
ſehen. Der Grund zu dieſer wichtigen Erſcheinung liegt in mehreren
ſehr verſchiedenen Umſtänden, unter denen ſelbſt Folgeerſcheinungen zu
neuen Urſachen werden. Die mehr und mehr ſteigende Bevölkerung
erheiſcht nicht nur mehr Bodenraum, ſondern auch mehr Kulturfläche
für Feld- und Gartenbau. Dieſe Fläche kann man der Natur der Sache
nach nur in der Ebene ſuchen und im Gebirge nur bis zu einer be-
ſchränkten Höhe, über welche hinaus aus verſchiedenen Gründen der
Feldbau gar nicht mehr oder nur mit großer Schwierigkeit zu betreiben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/266>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.