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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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reichen, aber auch diese bleiben weit zurück gegen die kalifornischen
Baumkolosse, die auffallender Weise erst in dem letzten Jahrzehnt entdeckt
worden sind. Diese Riesenbäume -- welche aus verzeihlicher Nationaleifer-
sucht dießseit des Oceans Wellingtonia und drüben Washingtonia gigantea
genannt wurden, welche beide Namen aber der dritten Taufe Sequoia
gigantea
weichen mußten -- sind recht eigentlich die Häupter des
Pflanzenreichs zu nennen, indem man einzelne Exemplare davon kennt,
welche bis 300 engl. Fuß erreichen.

In der weitesten Auffassung der Nadelhölzer müssen wir, systematisch
aufgefaßt, dieselben in drei Gruppen, d. h. in drei natürliche Familien
zerfällen: in die Zapfenbäume, Cypressen und Eiben. Wir haben
es hier zunächst nur mit den ersteren zu thun, welche ohne Widerrede vor
allen anderen die herrschenden Waldbäume genannt werden können.
Die botanische Benennung der Familie ist bald Coniferen, bald Strobi-
laceen, je nachdem man den Fruchtzapfen conus oder strobilus nennt.
Der botanische Hauptcharakter der Zapfenbäume, wie wir die Familie
wissenschaftlich nennen wollen, liegt in der Hauptsache im Bau der
weiblichen Blüthe und des daraus werdenden Fruchtzapfens, denn um das
hier einzuschalten, unsere deutschen Zapfenbäume sind ohne Ausnahme
getrennten Geschlechtes, jedoch so, daß männliche Blüthen und weibliche
Blüthen auf einem und demselben Baume vereinigt, oft aber weit getrennt
von einander auf verschiedenen Zweigen stehen. Indem wir die hierin so-
wie in der Nadelbildung bestehenden Gattungs- und Artunterschiede bei
der Betrachtung der einzelnen Nadelholzarten zu erörtern haben, be-
schränken wir uns jetzt nur noch auf folgende allgemeine Kennzeichen der
Familie, wobei wir diese im engern Sinne, also mit Ausschluß von
Wachholder und Taxus auffassen.

In der Keimung unterscheiden sie sich von allen Pflanzen dadurch,
daß sie nicht einen oder zwei Samenlappen, wie wir letzteres von der
Buche schon kennen, (Seite 137 XX. c. c.) aus dem Samen entwickeln,
sondern daß deren eine größere Zahl, fünf bis sieben, ist. Man ist daher
lange Zeit geneigt gewesen, neben den beiden großen Hauptgruppen der
sichtbar blühenden Gewächse: der Einsamenlappigen, Monokotyledoneen
und der Zweisamenlappigen, Dikotyledoneen, für die Nadelhölzer allein
eine dritte Gruppe: Vielsamenlappige, Polykotyledoneen, zu gründen.

reichen, aber auch dieſe bleiben weit zurück gegen die kaliforniſchen
Baumkoloſſe, die auffallender Weiſe erſt in dem letzten Jahrzehnt entdeckt
worden ſind. Dieſe Rieſenbäume — welche aus verzeihlicher Nationaleifer-
ſucht dießſeit des Oceans Wellingtonia und drüben Washingtonia gigantea
genannt wurden, welche beide Namen aber der dritten Taufe Sequoia
gigantea
weichen mußten — ſind recht eigentlich die Häupter des
Pflanzenreichs zu nennen, indem man einzelne Exemplare davon kennt,
welche bis 300 engl. Fuß erreichen.

In der weiteſten Auffaſſung der Nadelhölzer müſſen wir, ſyſtematiſch
aufgefaßt, dieſelben in drei Gruppen, d. h. in drei natürliche Familien
zerfällen: in die Zapfenbäume, Cypreſſen und Eiben. Wir haben
es hier zunächſt nur mit den erſteren zu thun, welche ohne Widerrede vor
allen anderen die herrſchenden Waldbäume genannt werden können.
Die botaniſche Benennung der Familie iſt bald Coniferen, bald Strobi-
laceen, je nachdem man den Fruchtzapfen conus oder strobilus nennt.
Der botaniſche Hauptcharakter der Zapfenbäume, wie wir die Familie
wiſſenſchaftlich nennen wollen, liegt in der Hauptſache im Bau der
weiblichen Blüthe und des daraus werdenden Fruchtzapfens, denn um das
hier einzuſchalten, unſere deutſchen Zapfenbäume ſind ohne Ausnahme
getrennten Geſchlechtes, jedoch ſo, daß männliche Blüthen und weibliche
Blüthen auf einem und demſelben Baume vereinigt, oft aber weit getrennt
von einander auf verſchiedenen Zweigen ſtehen. Indem wir die hierin ſo-
wie in der Nadelbildung beſtehenden Gattungs- und Artunterſchiede bei
der Betrachtung der einzelnen Nadelholzarten zu erörtern haben, be-
ſchränken wir uns jetzt nur noch auf folgende allgemeine Kennzeichen der
Familie, wobei wir dieſe im engern Sinne, alſo mit Ausſchluß von
Wachholder und Taxus auffaſſen.

In der Keimung unterſcheiden ſie ſich von allen Pflanzen dadurch,
daß ſie nicht einen oder zwei Samenlappen, wie wir letzteres von der
Buche ſchon kennen, (Seite 137 XX. c. c.) aus dem Samen entwickeln,
ſondern daß deren eine größere Zahl, fünf bis ſieben, iſt. Man iſt daher
lange Zeit geneigt geweſen, neben den beiden großen Hauptgruppen der
ſichtbar blühenden Gewächſe: der Einſamenlappigen, Monokotyledoneen
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eine dritte Gruppe: Vielſamenlappige, Polykotyledoneen, zu gründen.

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[254/0278] reichen, aber auch dieſe bleiben weit zurück gegen die kaliforniſchen Baumkoloſſe, die auffallender Weiſe erſt in dem letzten Jahrzehnt entdeckt worden ſind. Dieſe Rieſenbäume — welche aus verzeihlicher Nationaleifer- ſucht dießſeit des Oceans Wellingtonia und drüben Washingtonia gigantea genannt wurden, welche beide Namen aber der dritten Taufe Sequoia gigantea weichen mußten — ſind recht eigentlich die Häupter des Pflanzenreichs zu nennen, indem man einzelne Exemplare davon kennt, welche bis 300 engl. Fuß erreichen. In der weiteſten Auffaſſung der Nadelhölzer müſſen wir, ſyſtematiſch aufgefaßt, dieſelben in drei Gruppen, d. h. in drei natürliche Familien zerfällen: in die Zapfenbäume, Cypreſſen und Eiben. Wir haben es hier zunächſt nur mit den erſteren zu thun, welche ohne Widerrede vor allen anderen die herrſchenden Waldbäume genannt werden können. Die botaniſche Benennung der Familie iſt bald Coniferen, bald Strobi- laceen, je nachdem man den Fruchtzapfen conus oder strobilus nennt. Der botaniſche Hauptcharakter der Zapfenbäume, wie wir die Familie wiſſenſchaftlich nennen wollen, liegt in der Hauptſache im Bau der weiblichen Blüthe und des daraus werdenden Fruchtzapfens, denn um das hier einzuſchalten, unſere deutſchen Zapfenbäume ſind ohne Ausnahme getrennten Geſchlechtes, jedoch ſo, daß männliche Blüthen und weibliche Blüthen auf einem und demſelben Baume vereinigt, oft aber weit getrennt von einander auf verſchiedenen Zweigen ſtehen. Indem wir die hierin ſo- wie in der Nadelbildung beſtehenden Gattungs- und Artunterſchiede bei der Betrachtung der einzelnen Nadelholzarten zu erörtern haben, be- ſchränken wir uns jetzt nur noch auf folgende allgemeine Kennzeichen der Familie, wobei wir dieſe im engern Sinne, alſo mit Ausſchluß von Wachholder und Taxus auffaſſen. In der Keimung unterſcheiden ſie ſich von allen Pflanzen dadurch, daß ſie nicht einen oder zwei Samenlappen, wie wir letzteres von der Buche ſchon kennen, (Seite 137 XX. c. c.) aus dem Samen entwickeln, ſondern daß deren eine größere Zahl, fünf bis ſieben, iſt. Man iſt daher lange Zeit geneigt geweſen, neben den beiden großen Hauptgruppen der ſichtbar blühenden Gewächſe: der Einſamenlappigen, Monokotyledoneen und der Zweiſamenlappigen, Dikotyledoneen, für die Nadelhölzer allein eine dritte Gruppe: Vielſamenlappige, Polykotyledoneen, zu gründen.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/278>, abgerufen am 17.06.2024.