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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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obachtungen vorliegen ist mir nicht bekannt, und die Verbänderungen, die
ich besitze, habe ich nicht selbst gefunden.

Von Kiefern und Eschen habe ich Verbänderungen gesehen, welche drei
und vier Jahre alt waren und deutlich die dem Zweige eigenthümlich ge-
wordene Mißbildung durch 3 und 4 übereinanderstehende Triebe -- sämmtlich
Langtriebe (S. 74) -- nachwiesen. An dem abgebildeten Beispiele sieht
man die erwähnte Längszerreißung des verbänderten Triebes und die
Krümmung wenigstens des einen Zipfels. Gekrönt sind beide durch
große in die Breite gezogene Knospen unter denen mehrere Seiten-
knospen stehen. Eine zweite oben nicht eingerissene Fichtenverbänderung,
welche ich besitze, ist noch breiter und ganz gerade gerichtet und endet
oben in einen schlangenförmig gewundenen, den Krümmungen nach ge-
messen, 3 Zoll langen Knospenkörper, woran man eine Verwachsung
vieler in einer Reihe nebeneinander liegender Knospen nach dem äußeren
Ansehen durchaus nicht annehmen kann. Diese sonderbare Knospen-
schlange ähnelt einigermaaßen einer Raupe oder dem kurzgeschorenen
Kamme eines Pferdes.

Auf den breiten Flächen unserer Verbänderung sehen wir die Nadel-
höcker regellos gestellt, doch giebt sich die Spiralstellung derselben auf
den Kantenansichten deutlich kund.

Die forstliche Behandlung der Fichte ist bei der außerordentlich
großen Bedeutung derselben für die manchfaltigste Benutzung eine der
wichtigsten Abtheilungen der Forstwissenschaft.

Als Baum ohne Ausschlagsvermögen, wie mit äußerst geringen
Ausnahmen alle Nadelhölzer, eignet sie sich nur für den Hochwald-
betrieb
und wurde bis vor kurzer Zeit fast nur in reinen Beständen
erzogen. In neuerer Zeit erzieht man sie aber häufig in Vermischung
mit andern Holzarten, weil sich mehr und mehr herausgestellt hat, daß
Vermischungen das Gedeihen der Bestände meist befördern und dadurch
mehr vor den schädlichen Insekten schützen.

Welche Holzart zur Vermischung mit der Fichte zu wählen sei, ist
von mancherlei Rücksichten abhängig, vorzüglich auf den Boden und die
Lage und auf das gegenseitige Verhalten der vereinigten Holzarten zu
einander hinsichtlich des Wachsthums, damit keine die andere "über-
gipfele" und unterdrücke. Oft, namentlich an schwer zu kultivirenden

Roßmäßler, der Wald. 21

obachtungen vorliegen iſt mir nicht bekannt, und die Verbänderungen, die
ich beſitze, habe ich nicht ſelbſt gefunden.

Von Kiefern und Eſchen habe ich Verbänderungen geſehen, welche drei
und vier Jahre alt waren und deutlich die dem Zweige eigenthümlich ge-
wordene Mißbildung durch 3 und 4 übereinanderſtehende Triebe — ſämmtlich
Langtriebe (S. 74) — nachwieſen. An dem abgebildeten Beiſpiele ſieht
man die erwähnte Längszerreißung des verbänderten Triebes und die
Krümmung wenigſtens des einen Zipfels. Gekrönt ſind beide durch
große in die Breite gezogene Knospen unter denen mehrere Seiten-
knospen ſtehen. Eine zweite oben nicht eingeriſſene Fichtenverbänderung,
welche ich beſitze, iſt noch breiter und ganz gerade gerichtet und endet
oben in einen ſchlangenförmig gewundenen, den Krümmungen nach ge-
meſſen, 3 Zoll langen Knospenkörper, woran man eine Verwachſung
vieler in einer Reihe nebeneinander liegender Knospen nach dem äußeren
Anſehen durchaus nicht annehmen kann. Dieſe ſonderbare Knospen-
ſchlange ähnelt einigermaaßen einer Raupe oder dem kurzgeſchorenen
Kamme eines Pferdes.

Auf den breiten Flächen unſerer Verbänderung ſehen wir die Nadel-
höcker regellos geſtellt, doch giebt ſich die Spiralſtellung derſelben auf
den Kantenanſichten deutlich kund.

Die forſtliche Behandlung der Fichte iſt bei der außerordentlich
großen Bedeutung derſelben für die manchfaltigſte Benutzung eine der
wichtigſten Abtheilungen der Forſtwiſſenſchaft.

Als Baum ohne Ausſchlagsvermögen, wie mit äußerſt geringen
Ausnahmen alle Nadelhölzer, eignet ſie ſich nur für den Hochwald-
betrieb
und wurde bis vor kurzer Zeit faſt nur in reinen Beſtänden
erzogen. In neuerer Zeit erzieht man ſie aber häufig in Vermiſchung
mit andern Holzarten, weil ſich mehr und mehr herausgeſtellt hat, daß
Vermiſchungen das Gedeihen der Beſtände meiſt befördern und dadurch
mehr vor den ſchädlichen Inſekten ſchützen.

Welche Holzart zur Vermiſchung mit der Fichte zu wählen ſei, iſt
von mancherlei Rückſichten abhängig, vorzüglich auf den Boden und die
Lage und auf das gegenſeitige Verhalten der vereinigten Holzarten zu
einander hinſichtlich des Wachsthums, damit keine die andere „über-
gipfele“ und unterdrücke. Oft, namentlich an ſchwer zu kultivirenden

Roßmäßler, der Wald. 21
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[321/0351] obachtungen vorliegen iſt mir nicht bekannt, und die Verbänderungen, die ich beſitze, habe ich nicht ſelbſt gefunden. Von Kiefern und Eſchen habe ich Verbänderungen geſehen, welche drei und vier Jahre alt waren und deutlich die dem Zweige eigenthümlich ge- wordene Mißbildung durch 3 und 4 übereinanderſtehende Triebe — ſämmtlich Langtriebe (S. 74) — nachwieſen. An dem abgebildeten Beiſpiele ſieht man die erwähnte Längszerreißung des verbänderten Triebes und die Krümmung wenigſtens des einen Zipfels. Gekrönt ſind beide durch große in die Breite gezogene Knospen unter denen mehrere Seiten- knospen ſtehen. Eine zweite oben nicht eingeriſſene Fichtenverbänderung, welche ich beſitze, iſt noch breiter und ganz gerade gerichtet und endet oben in einen ſchlangenförmig gewundenen, den Krümmungen nach ge- meſſen, 3 Zoll langen Knospenkörper, woran man eine Verwachſung vieler in einer Reihe nebeneinander liegender Knospen nach dem äußeren Anſehen durchaus nicht annehmen kann. Dieſe ſonderbare Knospen- ſchlange ähnelt einigermaaßen einer Raupe oder dem kurzgeſchorenen Kamme eines Pferdes. Auf den breiten Flächen unſerer Verbänderung ſehen wir die Nadel- höcker regellos geſtellt, doch giebt ſich die Spiralſtellung derſelben auf den Kantenanſichten deutlich kund. Die forſtliche Behandlung der Fichte iſt bei der außerordentlich großen Bedeutung derſelben für die manchfaltigſte Benutzung eine der wichtigſten Abtheilungen der Forſtwiſſenſchaft. Als Baum ohne Ausſchlagsvermögen, wie mit äußerſt geringen Ausnahmen alle Nadelhölzer, eignet ſie ſich nur für den Hochwald- betrieb und wurde bis vor kurzer Zeit faſt nur in reinen Beſtänden erzogen. In neuerer Zeit erzieht man ſie aber häufig in Vermiſchung mit andern Holzarten, weil ſich mehr und mehr herausgeſtellt hat, daß Vermiſchungen das Gedeihen der Beſtände meiſt befördern und dadurch mehr vor den ſchädlichen Inſekten ſchützen. Welche Holzart zur Vermiſchung mit der Fichte zu wählen ſei, iſt von mancherlei Rückſichten abhängig, vorzüglich auf den Boden und die Lage und auf das gegenſeitige Verhalten der vereinigten Holzarten zu einander hinſichtlich des Wachsthums, damit keine die andere „über- gipfele“ und unterdrücke. Oft, namentlich an ſchwer zu kultivirenden Roßmäßler, der Wald. 21

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/351>, abgerufen am 17.06.2024.